Freitag, 13. September 2013

Garífuna-Organisation OFRANEH kritisiert die Arbeit der GIZ in Honduras


Eine Übersetzung der Erklärung der Organisation OFRANEH über die Einmischung der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) in der Moskitia. Die Originalerklärung ist auf dem Blog von OFRANEH zu finden

Honduras – Neokoloniale Einmischung der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in der Moskitia?

In den vergangenen Monaten führte die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit und Entwicklung (GIZ) eine Reihe von „Diagnose-Workshops“ in Garífuna-Gemeinden der Verwaltungsbezirke Colón und Gracias a Dios (Moskitia/Honduranische Karibikküste) durch.
Eines der Themen dieser Veranstaltungen war die Vorbereitung der vorherigen, freien und informierten Konsultation des binationalen Programmes der GIZ der zentralen Zone des Mesoamerikanischen Biokorridors.


Für die indigenen Völker von Honduras ist das Recht auf freie, informierte und vorherige Zustimmung (FPIC - free, prior and informed consent) eines der akutesten Themen. Dieses Recht wird ihnen im Abkommen 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und durch die UN-Erklärung über die Rechte indigener Völker zugesprochen. Honduras ratifizierte und unterzeichnete das Abkommen (1995) und die Erklärung (1997). Dennoch fehlt bis heute eine Umsetzung des FPIC in nationales Recht, was zu einer Reihe von Verletzungen der Menschen- und Landrechte der indigenen Bevölkerung geführt hat.


Kommunale Konsultationen und die Nichtanerkennung des FPIC durch den Staat
Seit dem Jahr 2003 führt die Indigenen-Organisation OFRANEH, gefördert durch die Weltbank, Gemeinde-Konsultationen zu Landrechtsfragen durch. Dabei handelte es sich um die ersten Erfahrungen des Landes mit Gemeinde-Konsultationen im Rahmen des ILO-Abkommens 169 überhaupt.1 2004 verabschiedete der Kongress ein Gesetz, welches die Vorschläge der zwei aus Beratungen in Durugubuty (San Juan Tela) hervorgegangenen Gesetzesentwürfe gar nicht beachtet. Mehr noch, das verabschiedete Gesetz enthält eine Reihe von Bestimmungen, die das angestammte Land der indigenen Bevölkerung gefährden. Dazu zählt insbesondere der Artikel 100 des dritten Kapitels, der die Auflösung der kommunitären Verwaltungsformen des Landbesitzes fördert.

2006 wendete sich OFRANEH an den Untersuchungsausschuss der Weltbank, welcher im Jahr 2007 ein Gutachten2 vorlegte, in welchem dem honduranischen Staat vorgeworfen wurde, das ILO-Abkommen 169 verletzt zu haben. Funktionäre der aktuellen honduranischen Regierung, genauer gesagt des Agrarministeriums und des Ministeriums Indigener Völker, haben mit Nachdruck darauf hingewiesen, welche Gefahren das honduranische Eigentumsrecht in Bezug auf die Auflösung kommunitärer Landtitel beinhaltet. Im Augenblick verhandelt OFRANEH einen Fall3 der Verletzung des FPIC vor dem Interamerikanischen Menschengerichtshof und bereitet eine das Eigentumsrecht betreffende Petition vor, die der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte übergeben werden soll.

Von Seiten des honduranische Staat existiert ein vorsätzliches Desinteresse in Bezug auf die Verabschiedung eines FPIC-Gesetzes. Hinzu kommt ein unverhohlener Angriff gegen die indigene Bevölkerung und ihre Gebiete, die durch Megaprojekte in den Bereichen Bergbau, Wasserkraft, Tourismus und durch den Bau von Staudämmen bedroht werden. Hinzu kommen die Bestrebungen der aktuellen Regierung Teile des nationalen Territoriums zum Ausverkauf anzubieten und mit den sogenannten „Modellstädten“4 quasi unabhängige Staaten zu schaffen. Diese Initiativen gefährden indigene Territorien sowie das überleben der indigenen Völker als unterschiedliche Kulturen.

In der honduranischen Moskitia sind vier indigene Stämme verwurzelt: Miskito, Tawahka, Pech und Garífuna. Das Gebiet, das wir uns teilen, verfügt über eine enorme Biodiversität. Der Staat und die internationale Entwicklungszusammenarbeit sehen darin einen Reichtum an „natürlichen Ressourcen“. Aufgrund dieser Situation gerät das Gebiet unter enormen Druck: Es kommt zur Ausbeutung der Erdöl- und Erdgasvorkommen, zum Abbau der sogenannten „biogenetischen Ressourcen“, zum Bau von Mega-Staudämmen und zu Projekten zur Reduktion von Emissionen aus Entwaldung und Walddegradierung (REDD). Letzteres ist von großem Interesse für die GIZ.


Militärische Interessen in der Moskitia
Während sich Honduras, insbesondere nach dem zivil-militärischen Putsch von 2009, mehr und mehr zu einem gescheiterten Staat entwickelt, verwandelt sich die Moskitia geradezu in einen Zufluchtsort für die organisierte Kriminalität. Gleichzeitig wächst die Präsenz US-amerikanischer Truppen und Militärbasen.5

Ende 2011 führte das US-amerikanische Militär im Verbund mit der Universität von Kansas im Zuge der Bowman Expeditionen eine Kartierung durch, die dem sogenannten Human Terrain System6 dienen sollte. Im Mai 2011 ereignete sich das Massaker von Ahuas: Helikopter der US-amerikanischen Drogenvollzugsbehörde (DEA) nahmen unschuldige Zivilist_innen unter Beschuss. Der Vorfall wurde bis jetzt nicht von den US-amerikanischen, und noch weniger von den honduranischen Behörden, aufgeklärt. Bisher wurde das Human Terrain System
im Irak, Afghanistan und konfliktreichen Gebieten in Mexikos angewendet; offensichtlich sind die indigenen Völker Mittelamerikas und besonders in der Moskitia, ein Militärisches Ziel. Angesichts der komplizierten Menschenrechtssituation in Honduras, vor allem in der Moskitia, sollte jede Intervention gründlich überprüft werden, da sie eine Erhöhung der bereits bestehende Repression von Seiten der honduranischen staatlichen Sicherheitskräften darstellt, welche oftmals mit dem organisierten Verbrechen zusammenarbeiten.

Die GIZ und das FPIC: „Entwicklungszusammenarbeit“ oder Eingriff in die Selbstbestimmung indigener Völker?

Die Dokumentation des im Jahr 2012 von der GIZ in Eschborn abgehaltenen Seminars „Umsetzung der vorhergehenden, freien und informierten Zustimmung indigener Völker in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit: Entwicklungshindernis oder Mittel zur Konfliktprävention?“ wirft unserer Ansicht nach eher Fragen auf, als dass es Antworten gäbe.

Schon der Begriff „Entwicklung“ ist weiterhin ein Rätsel für die indigenen Völker, da die meisten Entwicklungsprojekte nichts anderes als paternalistische Einmischungen mit desaströsen Folgen für die Mutter Erde sind.

Das FPIC ist für indigene Völker ein Mittel des Schutzes ihrer Gebiete vor der Vielzahl von Eingriffen welche die Vision der „Entwicklung“ hervorbringt, oftmals aufgedrängt von der Entwicklungszusammenarbeit und internationalen Finanzorganen.

Gemäß der Zusammenfassung des genannten Seminars herrscht eine „unsichere politische“ Situation, in der jede unerwünschte Intervention die Gefahr birgt, ins Neokolonialistische überzugehen. Beim Binationalen Projekt ist dies der Fall. Im Zuge des Projektes wurden eine Reihe von Workshops in Garífuna-Gemeinden, von Tocamacho bis Plapaya, durchgeführt. Diese Workshops dienten in erster Linie der Planung von vermeintlichen Projekten, ohne die Realität in der Moskitia zu kennen und erschaffen falsche Erwartungen.

OFRANEH fordert als einen ersten Schritt mit Nachdruck die Verabschiedung eines FPIC-Gesetzes.
Die Benutzung des alten Tricks der Perlen und Spiegel (jetzt kommunitäre Projekte genannt) lockt angesichts der existierenden enormen ökonomischen Armut weiterhin die Gemeindeführer an und produziert falsche Erwartungen.

Obwohl OFRANEH die Funktionäre der GIZ auf die schwierige Situation in der Moskitia, wo der gescheiterte Staat offensichtlich ist, aufmerksam gemacht hat, besteht die deutsche Entwicklungspolitik darauf, den von ihr eingeschlagenen Weg weiterzugehen, anstatt die Notwendigkeit eines FPIC Gesetzes ernstzunehmen. Dieses Verhalten ist so neokolonialistisch wie arrogant.

Wir verstehen natürlich, wie wichtig es ist den Waldbestand zu retten. Uns ist aber auch klar, dass REDD für das Problem des Klimawandels keine Lösung bietet. Die Abholzung des Waldes wird solange weitergehen, wie das organisierte Verbrechen einen Verbündeten in den staatlichen Sicherheitskräften hat, eine Situation die sich, wie es scheint, in Honduras immer mehr verschlimmert.

Sambo Creek, 20 August 2013
Organizacion Fraternal Negra Hondureña, OFRANEH


1 http://www.youtube.com/watch?v=cemMm6mmQzM