Unsere letzten drei Tage der Delegation nutzten wir in Tegucigalpa für Besuche bei der Deutschen Botschaft, im Büro der Mission zur Unterstützung gegen Korruption und Straflosigkeit in Honduras (MACCIH - Misión de Apoyo Contra la Corrupción e Impunidad en Honduras) und im Büro des Hohen Kommissars der UNO für Menschenrechte. Da es sich bei den ersten beiden Gesprächen nicht um offizielle Pressetermine handelt, werden sie an dieser Stelle vertraulich behandelt.
Die Ergebnisse der Delegation wurden am Freitag in einer Pressekonferenz in Tegucigalpa vorgestellt. Ca. 30 Vertreter*innen nationaler und internationaler Medien sowie von sozialen Organisationen verfolgten mit Interesse unseren Bericht - hier ein spanischsprachiger Audiomitschnitt. Die schriftliche Version des Berichts in spanisch und deutsch folgt in Kürze.
Als wir in La Esperanza einfahren, sind
wir überrascht, wie präsent die am 2. März 2016 ermordete Berta
Cáceres ist. Große Wandbilder und viele Graffitis, mit dem Ausruf
„Berta vive“ zieren zahlreiche Mauern und Hauswände.
Wir sind im Centro Utopía
untergebracht, wo uns ein herzliches Team von COPINH empfängt und
uns die nächsten Tage hervorragend verpflegt. Auch hier ist Berta
immer noch präsent: im Gemeinschaftsraum ist ein kleiner Altar für
Berta Cáceres und den 2013 ermordeten Tomás García aufgebaut.
Cancún. Die honduranische Menschenrechts- und
Umweltaktivistin Berta Cáceres ist postum mit dem Preis "Champion of the
Earth" der Vereinten Nationen (UNEP) ausgezeichnet worden. Die höchste
Umweltauszeichnung der UN wird an wegweisende Persönlichkeiten sowohl
aus Politik und Gesellschaft in fünf Kategorien verliehen. Berta Cáceres
ist zusammen mit Afroz Shah aus Indien Preisträgerin für "Inspiration
und Handeln".
"Berta Cáceres weigerte sich zuzulassen, dass die Rechte der Armen
und Marginalisierten durch die Interessen der Mächtigen verletzt werden
und dass die Ökosysteme, von denen sie abhängen, zerstört werden",
erklärte UNEP-Exekutivdirektor Erik Solheim. "Ihr Fokus war lokal, aber
ihr Anliegen und ihr Opfer finden in der ganzen Welt Widerhall. Sie ist
eine große Quelle der Inspiration und ein großer Verlust für alle
Menschen, die für Umweltrechte kämpfen." Die Preisverleihung erfolgte im
Rahmen der 13. UN-Biodiversitätskonferenz in Cancún. Der Bruder der am
2. März ermordeten Aktivistin, Roberto Cáceres, äußerte die Hoffnung,
dass der Preis dazu beitragen werde, dass das Leben und der Kampf
Bertas, ebenso wie der Kampf der indigenen Lenca nicht in Vergessenheit
geraten.
Honduras bleibt weiterhin eines der gefährlichsten Länder für
Menschenrechts- und Umweltaktivisten. Am 2. Dezember berichtete eine
internationale Mission der Beobachtungsstelle für den Schutz von
Menschenrechtsverteidigern (OBS) vor der Interamerikanischen
Menschenrechtskommission (CIDH) über ihren Besuch in dem
mittelamerikanischen Land. Innerhalb der vergangenen 15 Jahre sind 17
Menschenrechtsaktivisten ermordet worden, für die die CIDH besondere
Schutzmaßnahmen angeordnet hatte. Der honduranische Staat habe nicht nur
wenig getan, um diese Personen zu schützen und die Verbrechen an ihnen
aufzuklären, sondern auch weitere Aktivisten kriminalisiert und so
öffentlich delegitimiert. Am meisten betroffen sind Umweltschützer und
Angehörige der LGBTI-Comunity. Seit 2009 sind 224 politisch aktive
LGBTI-Personen ermordet worden, nur in 33 Fällen wurden die Täter
bestraft. Der Organisation Global Witness zufolge fielen zwischen 2002
und 2014 111 Umweltaktivisten in Honduras Morden zum Opfer. Seit 2015
sind in dieser Gruppe 16 weitere Mordopfer zu beklagen, unter ihnen die
Koordinatorin des COPINH, Berta Cáceres sowie führende Mitglieder der
Bauernbewegung MUCA.
Die Beobachtungsstelle stellte fest, dass der Staat in vielen Fällen
die Konflikte schürt, indem er beispielsweise das Recht auf freie,
vorherige und informierte Zustimmung missachte. Er solle daher die auf
die Umwelt bezogenen Menschenrechte stärken. Eine geplante Reform des
Strafgesetzbuches geht aber in die gegenteilige Richtung. Demnach würden
die Strafen für die widerrechtliche Aneignung von Land verschärft, neu
geschaffen würde das Delikt der widerrechtlichen Aneignung von Wasser.
So ist eine weitere Kriminalisierung derjenigen zu befürchten, die für
ihre Landrechte und gegen die Privatisierung von Wasser kämpfen.
Nach längerem Geschaukel durch eine
atemberaubende Gebirgslandschaft erreicht unser Delegations-"Busito"
das Örtchen Rio Blanco, das wegen seines Widerstands gegen das
Staudammprojekt Agua Zarca über die Grenzen von Honduras hinaus
bekannt geworden ist. Seit dem Jahr 2013 verteidigen die hier
ansässigen Lenca-Indigenen ihr Gemeinde-Territorium gegen die
Betreiberfirma Desarrollo Energéticos S.A. (DESA), wobei sie von der Organisation COPINH
unterstützt werden.
Vom 21.
November bis zum 8. Dezember fand eine Delegationsreise des unabhängigen
europäischen Solidaritäts-Netzwerks HondurasDelegation statt. Das Netzwerk
bildete sich ein Jahr nach dem Staatsstreich von 2009. Im Mittelpunkt der 5.
Delegationsreise der HondurasDelegation standen die Auswirkungen der globalen
neoliberalen Ökonomie auf indigene Gemeinden und soziale Bewegungen.
Ziel
dieser Delegation ist es, die Menschenrechtssituation in Honduras über
verschiedene Medien bekannt zu machen und vor dem Europäischen Parlament und
anderen nationalen wie internationalen Institutionen zu präsentieren. Wir haben
im Zentrum und im Norden des Landes 18 verschiedene Organisationen besucht,
darunter Casa Alianza, Asociación ARCOIRIS, COFADEH (Komitee der
Familienangehörigen von Verhaftet-Verschwundenen von Honduras), um die aktuelle
gesellschaftlich-politische Lage sowie die Herausforderungen, denen die
einzelnen Organisationen gegenüber stehen, kennenzulernen.
El Progreso war 1954 das städtische Zentrum des “großen Streiks” bei den Bananengesellschaften Standard und United Fruit Company, von dem sich der Streik auf das ganze Land ausbreitete. Hier trafen wir Bartolo Fuentes, Journalist und seit 2013 Abgeordenter der Partei LIBRE (Libertad y Refundación) im Büro der größten Gewerkschaft für Arbeiter*innen in den Maquilas (SITRASTAR). Fuentes fühlt sich den Gewerkschaften und sozialen Bewegungen nahe, beispielweise gibt er die Zeitschrift “Vida Laboral” über die Kämpfe der Gewerkschaften heraus.
Bartolo Fuentes
Die Partei LIBRE wurde 2011 als politischer Arm der Widerstandsbewegung gegen den Putsch (FRNP) gegründet, der es 2013 bei den Wahlen gelang, die zweitstärkste Kraft im Parlament zu werden und damit das über 100 Jahre währenden Zweiparteiensystem aufgebrochen hat.
Die Tolupanes, Ureinwohner in Honduras, leben in 31
Gemeinden in Yoro und Francisco Morazán. Vor der Kolonialzeit besiedelten sie
fast die ganze Nordküste vom Rio Ulua bis nach Trujillo. Mit Beginn der
Kolonialzeit begann die kontinuierliche Vertreibung von ihren Territorien,
deren Verteidigung bis heute eines der zentralen Anliegen der Tolupanes ist.
Ihre Gemeinden liegen verstreut in den Bergen, die Straßen sind schlecht, es
gibt wenig Infrastrukur, die Gesundheitsversorgung ist prekär und der Zugang zu
Bildung ist unzureichend. Nach 5 Stunden Autofahrt, Flussdurchquerungen und
Fahrzeugwechsel, da die Gemeinden nur mit Allradfahrzeugen zu erreichen sind,
kommen wir in San Francisco Campo in Locomapa an.
„Willkommen in San
Francisco de Campo. Wir Menschen sind Teil der Natur, weshalb eine
Schädigung der Umwelt auch eine Schädigung unserer eigenen Existenz ist.“ -
lesen wir auf dem Ortsschild.
Wir werden hier bereits von einer Gruppe von 25-30 Personen erwartet.
Nach einer herzlichen Begrüßung berichteten uns einzelne Gemeindemitglieder von
den aktuellen Konflikten und Bedrohungen. Von ihrem Territorium, für das sie
einen Landtitel von 1864 besitzen, hat der Ex-General Kenton Landa Uclis 50% in
den 80er Jahren mit Hilfe seiner Militäreinheit illegal besetzt.
Die Tolupanes sehen sich einer Vielzahl von Konflikten gegenüber, die
seit den 80er Jahren mehr als 100 ermordete Líderes der Tolupanes gefordert
haben. Damit gehören die Tolupanes zu den Ureinwohnern, die die meisten
Ermordeten zählen. Die
Mehrheit der Fälle bleibt straflos.
Das Territorium der Tolupanes besteht zu 90% aus Wald und ist wegen des
Holzes und Antimonvorkommens begehrt. Täglich verlassen geschlossene Lastwagen
mit illegalem Holz das Gebiet. Holz, das den Tolupan-Gemeinden zusteht. Sie
jedoch dürfen Bäume selbst nicht fällen. Der Ex-General bekam trotz des
vorhandenen kollektiven Landtitels von 1864 der Tolupanes vom Instituto
Nacional Agrario ebenfalls einen erteilt. Häufig werden von staatlichen
Behörden doppelte Landtitel vergeben, um illegal angeeignetes Land, im
Nachhinein zu legalisieren. Aufgrund dieses Titels konnte sich Landa Uclis
einen Bewirtschaftungsplan von der staatlichen Forstbehörde ICF genehmigen
lassen und durch Bestechung des indigenen Gemeinderates wurde dieser
akzeptiert. Dieser Plan legt die Mengen der gefällten Bäume fest. Die
tatsächliche Menge liegt jedoch über der zugelassenen, sodass Kontrollen der
Lastwagen nötig wären – was allerdings bis jetzt nur einmal geschehen ist und
Einschüchterungen und Bedrohungen für diejenigen, die sich dafür einsetzen,
nach sich ziehen.
18 Familien der Gemeinde haben wegen dieser Bedrohungen besondere
Schutzmaßnahmen, die die Interamerikanische Menschenrechtskommission angeordnet
hat. Sichtbar wurden diese für uns, als uns die Polizei ab Ortseingang
begleitete.
Das Vertrauen der Bevölkerung in die Gemeinderäte ist aufgrund der
Bestechlichkeit dieser gebrochen. Viele Bewohner*innen möchten ihr Land selbst
nutzen und verteidigen. Seit
2008 werden sie dabei vom MADJ (Movimiento Amplio por la Dignidad y la
Justicia) unterstützt.
Die Organisation enstand 2008 aus einem Hungerstreik von vier
Staatsanwälten, die sich gegen Korruption und Komplizenschaft innerhalb der
Generalstaatsanwaltschaft auflehnten, weil in Korruptionsfällen weder gegen
eigene Angestellte noch gegen große Unternehmen ermittelt wurde. Daraus ist
eine breite soziale und politische Bewegung entstanden, die sich gegen
Korruption, Misswirtschaft öffentlicher Güter und für eine Gesellschaft
einsetzt, die auf Transparenz, Würde und den Respekt für Menschenrechte und
Umwelt beruht. Aus dieser Perspektive unterstützt das MADJ die politische
Einflussnahme und Kontrolle über Kommunalverwaltungen und staatliche
Institutionen. Sie fordern Transparenz und Rechenschaft bei der Verwendung
öffentlicher Mittel, indem sie über den Rechtsweg auf nationaler und
internationaler Ebene gegen Korruption und Menschenrechtsverletzungen vorgehen.
Sowohl im Büro des MADJ in San Pedro Sula als auch in der Gemeinde San
Francisco de Campo in Locomapa wurden wir sehr herzlich aufgenommen und
vorzüglich beköstigt. Wir sind zutiefst beeindruckt von dem Mut der Mitglieder
des MADJ, die trotz massiver Einschüchterungen und Bedrohungen einen
ansteckenden Optimismus ausstrahlen.