erschienen bei poonal, von Markus Plate
(San José, 21. Januar 2012, voces nuestras).- Eine schwere Wirtschaftskrise, neue repressive Gesetze, die eine Präkarisierung der Arbeitsverhältnisse und der sozialen Lage von breiten Teilen der Bevölkerung zur Folge haben, die Verfolgung von sozialen Bewegungen und schwere Menschenrechtsverletzungen – das ist die Situation in Honduras nach dem Putsch im Jahr 2009 und unter der Regierung Porfirio Lobo.
Araminta Pereira aus der Gemeinde El Progreso, im Norden des Landes, ist Sprecherin der Widerstandsbewegung Nationale Widerstandsfront der Bevölkerung FNRP (Frente Nacional de Resistencia Popular) und sie ist in der LehrerInnengewerkschaft Vereinigung der Lehrer der Mittleren Bildungsstufe in Honduras (Colegio de Profesores de Educación Media de Honduras) organisiert. Sie sagt, das Jahr 2011 sei ein schweres Krisenjahr gewesen. Grund hierfür sei vor allem die politische Situation unter dem Regime von Porfirio Lobo. „Es sind Rechte außer Kraft gesetzt worden, die sich honduranische Arbeiter in vielen Jahren erkämpft haben und in den Schulen und Universitäten gibt es eine Verfolgung missliebiger Lehrer und Professoren“, erklärt die Gewerkschafterin.
Wirtschaftlich gehe es den HonduranerInnen immer schlechter, die Lebenshaltungskosten seien immens gestiegen und der „Canasta Básica“, der zum Leben mindestens nötige Grundwarenkorb, erfordere heute deutlich mehr Geld als der gesetzliche Mindestlohn hergebe. „Damit kann sich die Mehrheit der Bevölkerung nicht einmal mehr das Nötigste leisten“, schimpft Pereira. Hinzu komme, dass die Regierung Maßnahmen ergriffen habe, um die Proteste im Land zu unterdrücken – bis hin zu Morden an AktivistInnen.
Ausplünderung des Landes
Die Eliten des Landes hätten den Putsch dafür genutzt, Hand in Hand mit transnationalen Unternehmen das Land auszuplündern: „Transnationale Unternehmen und Milliardäre aus aller Welt geben sich hier die Klinke in die Hand und kungeln mit der Politik und nationalen Unternehmern, wie sie möglichst billig an möglichst viele unserer Rohstoffe kommen – auf Kosten der honduranischen Bevölkerung, deren Arbeitsbedingungen sich radikal verschlechtert haben.“
Auch der Privatsektor habe die Situation nach dem Putsch genutzt, um ihm genehme Gesetze durchzudrücken, so zum Beispiel das Zeitarbeitsgesetz. Neue MitarbeiterInnen würden seither fast nur noch in Zeitarbeit eingestellt. Damit werden die Angestellten weitgehend ihrer Arbeitsrechte beraubt, was den Kündigungsschutz, geregelte Arbeitszeiten, Sozialversicherung und gewerkschaftliche Organisation betrifft, erklärt die Gewerkschafterin.
Besonders schlimm sei die Situation in den Maquilas, den Fertigungsbetrieben, in denen Einzelteile oder Halbfertigware für den Export weiterverarbeitet oder fertig gestellt wird. Die Frauen dort würden heute noch schlimmer behandelt, als vor dem Putsch. Dort sei es um Arbeitsbedingungen und Arbeitsschutz derart schlecht bestellt, dass die Angestellten immer häufiger mit Krankheiten kämpften, so Pereira.
Privatisierung bringt Bevölkerung um Zugang zu Bildung und Gesundheit
Im Erziehungswesen ist die Regierung dabei, durch Gesetzesänderungen und in Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen, die weitgehende Privatisierung des Schulwesens durchzusetzen. Dies würde zur Folge haben, dass nur noch Kinder aus wohlhabenden Familien einen Schulabschluss erreichen können, unterstreicht die Gewerkschafterin.
Das gleiche gelte für das öffentliche Gesundheitssystem, das systematisch kaputt gespart und ausgeplündert werde. In vielen öffentlichen Kliniken und Krankenhäusern seien die Medikamente ausgegangen, schildert Pereira: “Das Gesundheitspersonal streikt, weil die Regierung Gehälter nicht bezahlt. Selbst in öffentlichen Krankenhäusern muss inzwischen eine Behandlungsgebühr bezahlt werden die so hoch ist, dass sie von einem großen Teil der Bevölkerung nicht aufgebracht werden kann – auch, weil mehr und mehr Menschen in Honduras keine Arbeit haben.”
Landwirtschaftspolitik gegen Kleinbauern und Kleinbäuerinnen
In der Landwirtschaft sind die kleinbäuerlichen Proteste gegen Enteignungen und die Forderungen nach einer Landreform brutal unterdrückt worden. Die Forderungen der FNRP nach einer Landreform würden kriminalisiert, unterstreicht Araminta Pereira: „Compañeras und Compañeros werden verhaftet, bedroht und ermordet. Und was mich am meisten erschüttert, ist die absolute Straflosigkeit, derer sich die Täter erfreuen.“
Vor allem die Lehrerschaft stehe im Fadenkreuz des Regimes, weil sie traditionell gut organisiert gewesen sei und die Proteste gegen den Staatsstreich angeführt hatte. Seit 2010 würden missliebigen LehrerInnen keine Gehälter mehr bezahlt, so die Aktivistin: „Man will mit allen diesen Maßnahmen den Widerstand der Lehrerschaft brechen. Bei den Lehrerprotesten im letzten Jahr hat die Regierung einfach 300 Lehrer entlassen. Die Lehrerschaft wird aus Rache an allen Fronten bestraft.“
Hoffnung auf Wahlen 2013
In Honduras mache sich Hoffnungslosigkeit breit, denn die Bevölkerung befinde sich in einer Situation absoluter Schutzlosigkeit, so Pereira. In der Regierung gebe es einfach niemanden, der etwas unternehmen würde, um an dieser Situation etwas zu ändern.
Die Hoffnungen richten sich daher auf das Wahljahr 2013: „Eine der wenigen Hoffnungen der Widerstandsbewegung FNRP und ihres politischen Arms, der Partei „Partido Libre“, ist es, bei den nächsten Wahlen im Jahr 2013 die Oligarchie an der Macht abzulösen. Deshalb arbeiten wir trotz aller Unterdrückung an einer möglichst breiten Widerstandsbewegung, um so die nächsten Wahlen zu gewinnen. Unser Ziel ist, dann aus der Regierung heraus eine verfassungsgebende Versammlung einzuberufen, um in dieser eine neue Verfassung und einen neuen Sozialpakt auszuarbeiten und so endlich eine gerechtere, eine friedlichere und eine souveränere Gesellschaft aufbauen zu können.“