Das Komitee für Familienangehörige von Verschwundenen (Comité de Familiares de los Detenidos y Desaparecidos - COFADEH) ist eine bekannte Menschenrechtsorganisation in Honduras. Am 20. April, um etwa 8 Uhr morgens, kam Nohemí Pérez, eine der GründerInnen der COFADEH, am Büro der Organisation in Tegucigalpa an. Als sie draußen vor dem Büro wartete, bemerkte sie, dass ein Auto vor dem Haupteingang parkte. Der Fahrer des Wagens bedrohte sie und sagte: "Ihr werdet schon sehen, [was passiert,] ihr Schlampen, ihr werdet schon sehen" ("Ya van a ver hijas de la gran puta, ya van a ver"). Er bewarf sie mit einem Stück Holz, das sie am Bein traf. Kurz danach fuhr er davon. Am Tag zuvor hatte Nohemí Pérez einen jungen Mann bemerkt, der auf sie zeigte, während sie an einer Demonstration gegen die gestiegenen Lebenshaltungskosten teilnahm, die von einer Gewerkschaft organisiert worden war.
Im Laufe des März sind weitere Angehörige der COFADEH bedroht und drangsaliert worden. Am 8. März ging bei Bertha Oliva, Gründungsmitglied und Koordinatorin der Menschenrechtsorganisation, ein Anruf ein. Der Anrufer sagte nichts, sondern spielte die Aufnahme eines Anrufes ab, den sie nur wenige Augenblicke zuvor getätigt hatte. Als ein weiteres Mitglied der COFADEH (Amnesty ist der Name bekannt) das Büro der Organisation am 30. März etwa um 8:45 Uhr betrat, rief ein Mann, der in einem roten Kleintransporter an einer roten Ampel stand, ihr zu: "Sag dieser Schlampe Bertha Oliva, dass sie aufhören muss, auf Kosten der Verschwundenen zu leben" ("Decile a esa hija de la gran puta de Bertha Oliva que ya deje de vivir de los desaparecidos"). Dina Meza, eine weitere Menschenrechtsverteidigerin, die für die COFADEH tätig ist und bereits mehrfach Drohungen erhalten hat, informierte Amnesty International am 26. April darüber, dass ein Auto über einen längeren Zeitpunkt vor ihrem Haus geparkt habe und sie gegen 18 Uhr in einem Park in ihrem Viertel kurzzeitig von einem Unbekannten verfolgt worden sei.
Im November 2009 hatte die Interamerikanische Menschenrechtskommission (Inter-American Commission on Human Rights - IACHR) die Behörden von Honduras aufgefordert, Schutzmaßnahmen für die Mitglieder der COFADEH und ihre unmittelbaren Familienangehörigen zu ergreifen.
EMPFOHLENE AKTIONEN
SCHREIBEN SIE BITTE FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN- Sorgen Sie bitte dafür, dass eine unabhängige, umfassende und unparteiische Untersuchung der Drohungen gegen die Angehörigen der COFADEH eingeleitet wird. Veröffentlichen Sie die Ermittlungsergebnisse und stellen Sie die Verantwortlichen vor Gericht.
- Ich bitte Sie eindringlich, unverzüglich Schritte einzuleiten, um den Anordnungen der Interamerikanischen Menschenrechtskommission in vollem Umfang nachzukommen. Die Schutzmaßnahmen, die für die Angehörigen der COFADEH sowie für ihre Familienangehörigen ergriffen werden, müssen mit ihnen abgesprochen werden und ihren Wünschen entsprechen.
- Ich möchte Sie daran erinnern, dass MenschenrechtsverteidigerInnen gemäß der UN-Erklärung zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern, das Recht haben, ihre Arbeit ohne Einschränkungen oder Angst vor Vergeltungsmaßnahmen auszuführen.
APPELLE AN
GENERALSTAATSANWALTSr. Luis Alberto Rubí
Fiscal General de la República
Lomas del Guijarro
Avenida República Dominicana
Edificio Lomas Plaza II
Tegucigalpa
HONDURAS
(korrekte Anrede: Estimado Sr. Fiscal General / Dear Attorney General / Sehr geehrter Herr Generalstaatsanwalt)
Fax: (00 504) 2221 5667
INNENMINISTER
Sr. Pompeyo Bonilla
Secretaría de Estado en el Despacho de Seguridad
Plantel Casamata
subida al Picacho
Tegucigalpa, M.D.C
HONDURAS
(korrekte Anrede: Estimado Sr. Ministro / Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 504) 2220 1756
KOPIEN AN
MENSCHENRECHTSORGANISATION
Comité de Familiares de los Detenidos y Desaparecidos en Honduras (COFADEH)
Barrio La Plazuela
Avenida Cervantes
Casa No. 1301
Tegucigalpa
HONDURAS
Fax: (00 504) 2220 5280 (Sagen Sie bitte: "Me da tono de fax, por favor")
BOTSCHAFT DER REPUBLIK HONDURAS
S.E. Herrn Efraín Anibal Díaz Arrivillaga
Cuxhavener Straße 14
10555 Berlin
Fax: 030-3974 9712
E-Mail: informacion@embahonduras.de
Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Spanisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 11. Juni 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
COFADEH ist eine der wichtigsten Menschenrechtsorganisationen in Honduras. Sie ist maßgeblich im Bereich der Berichterstattung und Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen tätig, die mit dem Putsch gegen Präsident José Manuel Zelaya am 28. Juni 2009 und der Regierungszeit von Präsident Porfirio Lobo, der die Amtsgeschäfte nach der Wahl im November 2009 am 27. Januar 2010 übernahm, zusammenhängen. Zuletzt beschäftigte sich die COFADEH mit einem Feuer im Gefängnis in Comayagua, bei dem 361 Häftlinge ums Leben gekommen sein sollen. Unzählige weitere Inhaftierte sollen schwere Brandverletzungen davongetragen haben (Weitere Informationen zu diesem Fall finden Sie in dem englischen Pressebericht unter: http://www.amnesty.org/en/news/honduras-urged-investigate-prison-fire-de...).Mitte April dieses Jahres wurde Dina Meza mehrfach sexuelle Gewalt angedroht (siehe UA-106/2012). In ihrer Funktion als Mitglied der Menschenrechtsorganisation COFADEH hat sie sich mit dem Landkonflikt in der honduranischen Region Bajo Aguán beschäftigt. Die Region Bajo Agúan ist Schauplatz einer Serie von zum Teil gewaltsam ausgetragenen Auseinandersetzungen über Landrechte zwischen Kleinbauerngemeinden auf der einen und verschiedenen Unternehmen sowie privaten GrundbesitzerInnen auf der anderen Seite.
In Honduras tätige MenschenrechtsverteidigerInnen und JournalistInnen befinden sich aufgrund ihrer Arbeit, bei der sie oftmals Menschenrechtsverletzungen aufdecken, in großer Gefahr: Sie werden bedroht, tätlich angegriffen oder sogar getötet. Im Januar 2012 erhielt die Journalistin Gilda Silvestrucci telefonisch Morddrohungen (siehe UA-028/2012). Im Februar wurden Wilfredo Paz und Juan Chinchilla, zwei Menschenrechtsverteidiger, die sich vor dem Hintergrund anhaltender Auseinandersetzungen über Landrechte für die Rechte von Kleinbauern in der Region Bajo Aguán einsetzen, per SMS mit dem Tod bedroht (siehe UA-066/2012). Im März sind bei der Journalistin Mavis Ethel Cruz telefonisch Morddrohungen eingegangen (UA-078/2012).
zur UA von Amnesty