Der "Zivile Rat der
Volks- und indigenen Organisationen von Honduras" COPINH, eine indigene
Bewegung im südwestlichen Hochland von Honduras, schickte am 11. Februar 2013
einen Brief an den FCPF (Forest Carbon
Partnership Facility / Wald-Kohlenstoff Partnerschafts-Einrichtung) der Weltbank, und an
weitere Institutionen, die am REDD-Prozess beteiligt sind.
REDD+ (Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation) ist ein, von Weltbank,
UNO und weiteren staatlichen und nicht-staatlichen Institutionen, gefördertes
Programm zur „Reduzierung der Emissionen durch Entwaldung“. Sehr bald nach Einführung des Projekts wurde
jedoch Kritik laut: Der eigentliche Sinn von REDD+ sei, Wälder zu privatisieren
und in Emissions-Zertifikate zu konvertieren, um diese am Finanzmarkt verkaufen
und damit spekulieren zu können. Klimaschutz sei nur ein Vorwand für neue Akkumulationsmöglichkeiten
des Kapitals[1].
Trotz Kritik sind inzwischen 17 kandidierende und 14 teilnehmende
Länder, darunter Honduras, im FCPF der Weltbank für die Vorbereitung und
Durchsetzung von REDD+ eingeschrieben. Der honduranische Staat reichte im
Januar den R-PP (Readiness Proposal/ Bereitschafts-Vorschlag) bei FCPF ein, in dem auf 220 Seiten der bisherige,
scheinbar höchst partizipative und demokratische Prozess, die
Organisationsstruktur und die zukünftigen Pläne hinsichtlich REDD+ beschrieben
werden[2]. Bis März soll dieser
überarbeitet werden, um schließlich 3,4 Millionen Dollar von FCPF für die
Ausarbeitung einer nationalen REDD+ Strategie zu erhalten.
COPINH machte in
ihrem Brief vom 10. Februar deutlich, dass der REDD+ Vorbereitungsprozess
keineswegs demokratisch abgelaufen sei, und mehrere indigene und
afrohonduranische Organisationen nicht am Prozess beteiligt waren bzw. sich stets
öffentlich gegen REDD+ ausgesprochen hatten. Dennoch wird im R-PP COPINH als
Teilnehmer des neu gegründeten Indigenen Tischs (MNIACC) erwähnt; obwohl COPINH
davon nie informiert wurde.
„Aufgrund der kürzlichen
Erfahrungen im REDD+ Prozess wird klar, dass die Lüge in diesem Prozess eine Premisse
ist“, schreibt Berta Cáceres, Leiterin von COPINH, in dem Brief. Sie
verdeutlicht, dass REDD „nur eine weitere Falle für die Indigenen Völker“
darstellt, indem Regierung, Weltbank und andere Institutionen einen
Klimaschutz- und Menschenrechts-Diskurs vorgeben, während gleichzeitig Gesetze
zur Einführung von Minen, Staudämmen, Windparks und Modellstädten in indigenen
Territorien durchgesetzt werden, welche die Wälder keineswegs schützen sondern
zerstören.
Originalbrief auf Spanisch: http://www.copinhonduras.blogspot.com/
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La Esperanza, 10. Februar 2013
Dr.
BENOIT BOSQUET
Koordinator der Forest Carbon
Partnership Facility FCPF
Umwelt-Department der Weltbank
Washington, USA
COPINH LEHNT R-PP UND DIE
EINFÜHRUNG VON REDD+ IN HONDURAS AB
Sehr geehrter Dr. Benoit Bosquet,
wir, der Zivile Rat der Volks- und indigenen Organisationen von Honduras
COPINH, eine indigene Bewegung, die rund 200 Lenca-Gemeinden in den
Bundesländern Intibucá, La Paz, Lempira und Stanta Barbara repräsentiert,
mussten mit Überraschung feststellen, dass der R-PP [Readiness Proposal/ Bereitschafts-Vorschlag] diesen Januar vor der
FCPF [Wald-Kohlenstoff
Partnerschafts-Einrichtung] der Weltbank präsentiert wurde. In diesem
Dokument wird der Vorbereitungsprozess REDD+ als demokratischer Prozess mit
Beteiligung der Indigenen Völker Honduras´ dargestellt.
Hiermit wollen wir bekunden und Ihnen deutlich machen, dass COPINH, ebenso
wie andere indigene und afro-honduranische Gemeinden und Organisationen wie
OFRANEH [Organización Fraternal Negra Hondureña/
Geschwisterliche Schwarze Honduranische Organisation] nicht in der Instanz
CONPAH (Confederación de Pueblos
Autóctonos de Honduras – Bündnis der autochthonen Völker Honduras´)
organisiert sind. Dies aus unterschiedlichen Gründen, insbesondere aufgrund der
geringen Transparenz, Repräsentanz und illegitimen Stellungnahmen, die im Widerspruch
mit der historischen Causa der Indigenen Völker stehen. Ebenso wollen wir Ihnen
verdeutlichen, dass wir NICHT im Vorbereitungsprozess von REDD+ beteiligt
waren. Stattdessen haben wir uns öffentlich gegen den Plan der Einführung von
REDD+ in Honduras ausgesprochen. Dies wissen CONPAH und die Regierungssektionen,
die aus den REDD-Projekten Nutzen gezogen haben und Nutzen ziehen werden, was eine
Zunahme an ineffizienter Bürokratie, Geldmittel, Korruption und Einmischung bei
indigenen Themen und bezüglich Klimawandel bedeutet. Die Erfahrung aus anderen Projekten
mit CONPAH und Regierungssektionen, die von internationalen Institutionen wie
der Weltbank finanziert wurden, beweist dies.
Dennoch erfuhren wir, dass der R-PP festlegt, dass der „Nationale Indigene
und Afrohonduranische Tisch zu Klimawandel“ MNIACC von CONPAH geleitet und von
verschiedenen indigenen Organisationen zusammengesetzt sein wird, inklusive
COPINH und OFRANEH (S. 40/41) – ohne dass wir davon Bescheid wussten, ohne dass
wir informiert oder dazu befragt wurden.
Diese Tatsache bestätigt uns einmal mehr in unserer Position der Ablehnung
und des Ankreidens von dieser Art von Projekten.
Aufgrund der kürzlichen Erfahrungen im REDD+ Prozess wird klar, dass die
Lüge in diesem „Prozess“ eine Premisse ist: Im ersten R-PP Entwurf steht, dass
dieser gemäß eines „Informations- und Befragungs-Prozesses von über 600 LeiterInnen
von indigenen Basisorganisationen und vom Wald abhängigen lokalen Gemeinden“
ausgearbeitet wurde. Eine weitere Lüge ist, dass der REDD+ Prozess auf der
Kommunikation und der Beteiligung aller Indigenen Völker beruhe, und sogar
COPINH und OFRANEH als Teilnehmer des MNIACC aufgelistet werden. Wir könnten
weitere Lügen aufzählen, doch was allein dies schon verdeutlicht, ist, dass in
der Ausarbeitung der REDD+ Strategie unsere Meinung und Entscheidung als
Indigene Völker, COPINH und OFRANEH, weder respektiert wird noch respektiert
werden wird.
Wir lehnen den betrügerischen REDD+ Prozess und die Einführung von REDD+
generell ab. REDD+ ist nur eine weitere Falle für die Indigenen Völker mit dem
Vorwand, es handle sich um einen Kompensations-Mechanismus für diejenigen, die
seit Jahrhunderten die Wälder schützen. Doch würde es sich in Wirklichkeit
darum handeln, gäbe es andere Möglichkeiten zum Schutz der Wälder, zum Beispiel
das Verbot der Abholzung durch große Holzfirmen. Stattdessen bedeutet REDD+ die
Merkantilisierung [Kommodifizierung]
unserer Wälder, der Natur und des Lebens, da der Wald nur hinsichtlich seiner
Kapazität der Kohlenstoffdioxid-Aufnahme wertgeschätzt und verwertet wird. Gleichzeitig
bedeutet REDD+ das Ende des Waldes, der Natur und des Lebens, da der Zweck der
Verkauf und die Spekulation mit den Emissionszertifikaten ist. Und wir alle
wissen, dass der Emissionshandel die Probleme der Treibhausgase nicht löst, da
die Industrieländer und Konzerne weiterhin CO₂ ausstoßen und die Projekte des Todes und der Zerstörung,
die Plünderei und die Ausrottung der Indigenen Völker und der natürlichen
Gemeingüter weiter vorantreiben werden – all dies völlig straffrei.
Des Weiteren glauben wir, dass die REDD+ Projekte den Verlust der indigenen
und kommunitären Autonomie und der Kontrolle über Territorium, Kulturen und
traditionelle Waldnutzung, die unsere Gemeinden über hunderte von Jahren
praktiziert haben, einschließt. Außerdem sind wir der Meinung, dass REDD+ einen
weiteren Schritt in Richtung Intensivierung des Raubes unserer Territorien und
Wälder und vermehrter Monokulturen bedeutet und die Vertreibung aus oder den
eingeschränkten Zugang unserer Völker zu den Wäldern, den Verlust von
Souveränität, verstärkte Militarisierung, Repression und Besetzung der indigenen
Territorien und der Territorien aller unserer Völker darstellt.
Während die aktuelle Regierung mithilfe des Angriffs-Projekts einen Diskurs
führt und sich scheinbar „darauf vorbereitet“, das Klima und die Umwelt mit
REDD+ zu „retten“, fördert sie Gesetze und Praktiken, die völlig im Widerspruch
zu Umweltschutz und und Waldschutz stehen. Ein Beispiel ist das neue
Minengesetz, das Tagebau mit dem Einsatz von Zyanid und anderen Giften erlaubt,
was in Folge das Wasser und die Wälder für Jahrzehnte und Jahrhunderte
vergiftet. Ebenso das neue Gesetz zu Modellstädten, jetzt mit dem Namen
Arbeits- und wirtschaftliche Entwicklungs-Zonen, stellt eine enorme Bedrohung
für unsere indigenen Territorien da, da im ganzen Land autonome und
extra-territoriale Zonen entstehen werden, inklusive Zonen mit Spezialregimen
wie die Agroindustriellen Zonen und die Distrikte der Erneuerbaren Energien –
ein weiteres Märchen von Entwicklung und „Grüner Wirtschaft“. Mit dem Motto der
erneuerbaren Energie und des Klimaschutzes werden auch aktuell eine große Zahl
von Wasserkraftwerken und Windparks geplant und gebaut, ohne dass der Free
Prior Informed Consent (FPIC) [die freiwillige, vorherige und in Kenntnis
der Sachlage erteilte Zustimmung]
und weitere auf nationalem und internationalem Niveau anerkannte Rechte
respektiert werden.
Die honduranische Regierung und die Weltbank – beide mit langen
Vorgeschichten von Agressionen gegenüber Indigenen Völkern – beabsichtigen, ihr
Image aufzupolieren durch das Vortäuschen von Partizipation und Respekt
gegenüber der Rechte Indigener Völker, der Menschenrechte und durch das Vorantreiben
einer „grünen“ Entwicklung. Da wir jedoch tagtäglich der Verletzung der
Menschenrechte, des Rechts auf FPIC, der Konvention 169 [der Internationalen Arbeitsorganisation], der UN-Deklaration über
Indigene Völker, der honduranischen Verfassung – welche schon mit dem Putsch
2009 brutal angegriffen wurde – und der Heuchlerei der internationalen
Finanzinstitutionen ausgesetzt sind, glauben wir nicht an und akzeptieren wir
die neuen Versprechen von REDD+ nicht und lehnen wir Ihre Logik bezüglich der
Entwicklung, die Sie uns aufzwingen wollen, ab. Wir widersetzen uns dieser
Strategie des grünen Kapitalismus namens REDD und aller Art der Ausbeutung
unserer Güter der Natur und der Mutter Erde.
Wir fordern, dass FCPF in dessen aktueller Überarbeitung des R-PP unsere
Besorgnis und Positionen in Betracht zieht, unseren Brief auf der Homepage von
FCPF veröffentlicht, und dass der Implementierungs-Prozess von REDD+ in
Honduras gestoppt wird.
Wir machen FCPF, die Weltbank generell und den honduranischen Staat verantwortlich
für die Konsequenzen, die unsere Organisationen, Völker und Leben hinsichtlich
dieser neokolonialen Aufoktroyierung haben können.
Mit der uralten Kraft von Iselaca, Lempira, Etempica und Mota erheben wir
unsere Stimmen voll von Leben, Gerechtigkeit, Frieden, Würde und Freiheit,
Hochachtungsvoll,
Berta Cáceres
Generalkoordinatorin
Ziviler Rat der Volks- und indigenen Organisationen von
Honduras COPINH
CC:
Trinidad Suazo – Minister ICF
Rigoberto Cuellar – Minister SERNA
Cesar Ham – Minister INA
Luis Green – Minister SEDINAFROH
PRORENA
– GIZ
CCAD
Regionalprogramm REDD
FAO
Rainforest
Alliance
PNUD Honduras
PNUMA
Weltbank Honduras
UICN
Fiscalía de las Etnias Patrimonio Cultural
Congreso Nacional – Comisión Ordinaria de Enlace con
Grupos Indígenas y
Afrodescendientes
CONPAH
Porfirio Lobo Sosa – Presidente de la Republica de Honduras.
[1] Kritik siehe: http://noredd.makenoise.org/
[2] FCPF-Honduras Homepage siehe: http://www.forestcarbonpartnership.org/HN