Montag, 16. Juli 2012

Von der JournalistInnen-Delegation 2012 - Bericht 5


Recht hat, wer Macht hat.

Rund 300 Menschen aus verschiedenen Garífuna-Gemeinden sitzen auf Plastikstühlen mit der Aufschrift OFRANEH in der Schulaula des Dorfes Corozal. Trinkwasser, Becher und frisches Obst stehen bereit, Trommel-Rhythmen und über die Lautsprecher Anlage verstärkter Gesang haben die Wände bereits zum Vibrieren gebracht und den Saal eingestimmt. Gesungen wurde unter anderem die Hymne „Yurumey“, die von der Ankunft der Garífuna in Honduras handelt. Und um das Land, auf dem ihre Vorfahren damals angekommen sind, soll es heute gehen. Das Treffen der Garífuna-Dachorganisation OFRANEH (Organización Fraternal Negra de Honduras) mit dem Agrarminister Cesar Ham ist laut dem Aktivisten Alfredo Lopez von „fundamentaler Bedeutung für die Organisation“. Allein aus Triunfo de la Cruz wurden ca. 50 Leute mobilisiert, mit denen wir gemeinsam gegen 6:30 losgefahren sind, um pünktlich in Corozal zu sein. Trotz eines nicht allzu strikten Zeitkonzeptes im ländlichen Honduras ist dann um 10 Uhr alles bereit für die Ankunft des Ministers. Doch der lässt auf sich warten, wodurch das Treffen erst eine Stunde später beginnt.

Ham sieht darin keinen Grund für eine Entschuldigung. Selbstverständlich nimmt er am Rednertisch zwischen seinen Mitarbeitern vom nationalen Agrarinstitut Platz. Der 39jährige war der Spitzenkandidat der sich als links positionierenden Partei „Demokratische Union“ (UD) bei den umstritten Präsidenschaftswahlen im November 2009. Obwohl Hams UD nicht mal 2% der Stimmen erhielt, wurde er ins Kabinett des konservativen Präsidenten Porfirio Lobo berufen. Trotz des Boykotts der Widerstandsbewegung konnte Lobo durch die Einbindung von Ham und weiteren „Oppositionellen“ die Regierung „der nationalen Einheit“ verkünden.

Eine gewisse Nähe zur einfachen Bevölkerung versucht der Agrarminister noch zu wahren. Sein Kleidungsstil ist schlicht, mit den VertreterInnen von OFRANEH ist er per „Du“. Doch Miriam Miranda, Präsidentin von OFRANEH leitet den Dialog mit scharfen Worten ein: „Wenn der honduranische Staat im Ausland mit dem kulturellen Reichtum der Garífuna wirbt, muss er sich auch für den Erhalt dieser Kultur einsetzen. Und das heißt, dass der Staat garantieren muss, dass wir unser Territorium behalten. Denn ohne Territorium hören wir auf Garífuna zu sein“.Ham reagiert gelassen und geht auf die Forderung ein, in 15 Gemeinden Vermessungen vorzunehmen -der erste Schritt um Landtitel auszustellen. So wird ein konkreter Zeitplan zur Vermessung im nächsten Monat aufgestellt, was alle Beteiligten recht positiv stimmt.

Als dann allerdings bestehende Landkonflikte vorgetragen werden, kochen die Emotionen hoch. Ein junge Frau aus Trujillo erklärt z.B., dass auf ihrem titulierten Gemeindeland ohne das Einverständnis der Betroffenen private Landtitel an Außenstehende vergeben wurden. Der Minister weicht aus und beruft sich immer wieder darauf, dass er nur im gesetzlichen Rahmen agieren könne. Er ruft die Garífuna dazu auf ihre Beschwerden auf dem Rechtsweg lösen zu lassen. Dies ist aber zum einen sehr langwierig und teuer, zum anderen in Anbetracht der aktuellen Gesetzeslage, wenig aussichtsreich, wie OFRANEH-Präsidentin Miranda hervorhebt: „Mit der Unterzeichnung des Abkommens 169 der internationalen Arbeiter Organisation (ILO-169) wurden den Garífuna Gemeinden, wie allen indigenen Gruppen das Recht auf ihr ursprünglichen Ländereien zugestanden, aber das Nationale Agrarinstitut erkennt das ursprüngliche Besitzrecht nicht an. Sie können uns nicht sagen, dass wir nicht gegen das Gesetz handeln sollen, denn entgegen dem Ges
etz haben sie uns das ganze Territorium weggenommen!“

So hat die Gemeinde von Triunfo de la Cruz sich nach vielen Jahren einen kollektiven Landtitel erkämpft, der 1992 ausgestellt wurde. Bereits 1994 wurden aber von der Verwaltung der benachbarten Stadt Tela private Landtitel an Investoren zum Hotelbau auf dem Gemeindeland vergeben -eine Praktik die sich bis heute fortsetzt. Viele weitere RednerInnen illustrieren dies mit weiteren Beispielen aus ihren Gemeinden. Aber die Diskussion dreht sich im Kreis: Die OFRANEH-VertreterInnen fordern die Anerkennung und Titulierung ihres ursprünglichen Gemeindelandes, wie es ihnen nach dem ILO Abkommen 169 zusteht, der Minister erklärt sich als nicht zuständig oder beruft sich auf nationales Recht. Dabei hat die Argumentation der Garifunas einen besonders wichtigen Punkt: Laut Artikel 18 der honduranischen Verfassung gilt im Konfliktfall zwischen nationaler und internationaler Gesetzgebung das internationale Recht.

Seit 2004 sieht das honduranische Recht eher eine Auflösung kollektiver Landtitel vor, die Rechtsansprüche der Garífuna Gemeinden stehen dieser Privatisierungstendenz also diametral entgegen. Insofern dürfte der Agrarminister abgesehen von den unverbindlichen Vermessungen wenig Interesse an den Forderungen der OFRANEH-VertreterInnen haben. Das zeigt er nicht nur durch seine sich wiederholenden Antworten, sondern auch durch das Annehmen mehrerer Telefonanrufe am Rednerpult. Zweimal verlässt er sogar den Saal inmitten von Beiträgen, die ihm lokale Problematiken erklären.

Als es bei der Rückkehr nach Triunfo de la Cruz bereits dämmert, fällt das Resümee von Alfredo Lopez über diesen langen Tag entsprechend aus: „Es war wichtig das Treffen abzuhalten, um unseren Druck aufrechtzuerhalten. Wirkliche Verbesserungen wird es in den nächsten Monaten aber wohl kaum geben.“