Recht hat, wer Macht hat.
Rund 300 Menschen aus verschiedenen
Garífuna-Gemeinden sitzen auf Plastikstühlen mit der Aufschrift
OFRANEH in der Schulaula des Dorfes Corozal. Trinkwasser, Becher und
frisches Obst stehen bereit, Trommel-Rhythmen und über die
Lautsprecher Anlage verstärkter Gesang haben die Wände bereits zum
Vibrieren gebracht und den Saal eingestimmt. Gesungen wurde unter
anderem die Hymne „Yurumey“, die von der Ankunft der Garífuna in
Honduras handelt. Und um das Land, auf dem ihre Vorfahren damals
angekommen sind, soll es heute gehen. Das Treffen der
Garífuna-Dachorganisation OFRANEH (Organización Fraternal Negra de
Honduras) mit dem Agrarminister Cesar Ham ist laut dem Aktivisten
Alfredo Lopez von „fundamentaler Bedeutung für die Organisation“.
Allein aus Triunfo de la Cruz wurden ca. 50 Leute mobilisiert, mit
denen wir gemeinsam gegen 6:30 losgefahren sind, um pünktlich in
Corozal zu sein. Trotz eines nicht allzu strikten Zeitkonzeptes im
ländlichen Honduras ist dann um 10 Uhr alles bereit für die Ankunft
des Ministers. Doch der lässt auf sich warten, wodurch das Treffen
erst eine Stunde später beginnt.
Ham sieht darin keinen Grund für eine
Entschuldigung. Selbstverständlich nimmt er am Rednertisch zwischen
seinen Mitarbeitern vom
nationalen Agrarinstitut Platz. Der 39jährige war der
Spitzenkandidat der sich als links positionierenden Partei
„Demokratische Union“ (UD) bei den umstritten
Präsidenschaftswahlen im November 2009. Obwohl Hams UD nicht mal 2%
der Stimmen erhielt, wurde er ins Kabinett des konservativen
Präsidenten Porfirio Lobo berufen. Trotz des Boykotts der
Widerstandsbewegung konnte Lobo durch die Einbindung von Ham und
weiteren „Oppositionellen“ die Regierung „der nationalen
Einheit“ verkünden.
Eine gewisse Nähe zur einfachen
Bevölkerung versucht der Agrarminister noch zu wahren. Sein
Kleidungsstil ist schlicht, mit den VertreterInnen von OFRANEH ist er
per „Du“. Doch Miriam Miranda, Präsidentin von OFRANEH leitet
den Dialog mit scharfen Worten ein: „Wenn der honduranische Staat
im Ausland mit dem kulturellen Reichtum der Garífuna wirbt, muss er
sich auch für den Erhalt dieser Kultur einsetzen. Und das heißt,
dass der Staat garantieren muss, dass wir unser Territorium behalten.
Denn ohne Territorium hören wir auf Garífuna zu sein“.Ham
reagiert gelassen und geht auf die Forderung ein, in 15 Gemeinden
Vermessungen vorzunehmen -der erste Schritt um Landtitel
auszustellen. So wird ein konkreter Zeitplan zur Vermessung im
nächsten Monat aufgestellt, was alle Beteiligten recht positiv
stimmt.
Als dann allerdings bestehende
Landkonflikte vorgetragen werden, kochen die Emotionen hoch. Ein
junge Frau aus Trujillo erklärt z.B., dass auf ihrem titulierten
Gemeindeland ohne das Einverständnis der Betroffenen private
Landtitel an Außenstehende vergeben wurden. Der Minister weicht aus
und beruft sich immer wieder darauf, dass er nur im gesetzlichen
Rahmen agieren könne. Er ruft die Garífuna dazu auf ihre
Beschwerden auf dem Rechtsweg lösen zu lassen. Dies ist aber zum
einen sehr langwierig und teuer, zum anderen in Anbetracht der
aktuellen Gesetzeslage, wenig aussichtsreich, wie OFRANEH-Präsidentin
Miranda hervorhebt: „Mit der Unterzeichnung des Abkommens 169 der
internationalen Arbeiter Organisation (ILO-169) wurden den Garífuna
Gemeinden, wie allen indigenen Gruppen das Recht auf ihr
ursprünglichen Ländereien zugestanden, aber das Nationale
Agrarinstitut erkennt das ursprüngliche Besitzrecht nicht an. Sie
können uns nicht sagen, dass wir nicht gegen das Gesetz handeln
sollen, denn entgegen dem Ges
etz haben sie uns das ganze Territorium
weggenommen!“
So hat die Gemeinde von Triunfo de la
Cruz sich nach vielen Jahren einen kollektiven Landtitel erkämpft,
der 1992 ausgestellt wurde. Bereits 1994 wurden aber von der
Verwaltung der benachbarten Stadt Tela private Landtitel an
Investoren zum Hotelbau auf dem Gemeindeland vergeben -eine Praktik
die sich bis heute fortsetzt. Viele weitere RednerInnen illustrieren
dies mit weiteren Beispielen aus ihren Gemeinden. Aber die Diskussion
dreht sich im Kreis: Die
OFRANEH-VertreterInnen fordern die Anerkennung und Titulierung ihres
ursprünglichen Gemeindelandes, wie es ihnen nach dem ILO Abkommen
169 zusteht, der Minister erklärt sich als nicht zuständig oder
beruft sich auf nationales Recht. Dabei hat die Argumentation der
Garifunas einen besonders wichtigen Punkt: Laut Artikel 18 der
honduranischen Verfassung gilt im Konfliktfall zwischen nationaler
und internationaler Gesetzgebung das internationale Recht.
Seit 2004 sieht das honduranische Recht
eher eine Auflösung kollektiver Landtitel vor, die Rechtsansprüche
der Garífuna Gemeinden stehen dieser Privatisierungstendenz also
diametral entgegen. Insofern dürfte der Agrarminister abgesehen von
den unverbindlichen Vermessungen wenig Interesse an den Forderungen
der OFRANEH-VertreterInnen haben. Das zeigt er nicht nur durch seine
sich wiederholenden Antworten, sondern auch durch das Annehmen
mehrerer Telefonanrufe am Rednerpult. Zweimal verlässt er sogar den
Saal inmitten von Beiträgen, die ihm lokale Problematiken erklären.
Als es bei der Rückkehr nach Triunfo
de la Cruz bereits dämmert, fällt das Resümee von Alfredo Lopez
über diesen langen Tag entsprechend aus: „Es war wichtig das
Treffen abzuhalten, um unseren Druck aufrechtzuerhalten. Wirkliche
Verbesserungen wird es in den nächsten Monaten aber wohl kaum
geben.“