Sonntag, 29. Juli 2012

Von der JournalistInnen-Delegation 2012 - Bericht 10

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Bohrmaschinen statt Wildvögel – Bau des touristischen Großprojekts „Los Micos“ schreitet voran


Unser Blick schweift über die weite trockene Sandebene, die von zahlreichen Hügeln durchzogen wird. Hier und da gibt es noch kleine Pfützen, in denen vertrocknete Bäume stehen. Der üppige Wald am Horizont lässt erahnen, wie es hier einmal ausgesehen haben könnte. Doch der für Tropenwälder typische Mix aus Insekten- und Vögelrufen wird hier von Sägen, Bohrern und Betonmischern übertönt. Die Bauarbeiten für das Großtourismusprojekt „Los Micos Beach and Golf Ressort“ sind bereits in vollem Gange und mittlerweile ist es schwer vorstellbar, dass der trockene Boden, auf dem wir stehen, einmal ein geschütztes Sumpfgebiet war. Nur vereinzelt verirren sich noch Wildvögel und Eidechsen hierher, Baufahrzeuge und Menschen in roten Sicherheitswesten dominieren das Bild. Zahlreiche Schilder mit Aufschriften wie „Hotel Boutique“, „Beach Club“ oder „Golf Bar“ lassen erahnen, was aus den Stahlträgern und Sandhügeln werden soll: Sie zeigen einen 18-löchrigen Golfplatz und luxuriöse Gebäude, die von Menschen mit auffallend heller Haut genutzt werden.


Wie in den meisten Ländern Lateinamerikas ist auch in Honduras die Hautfarbe mehr oder weniger ein sozio-ökonomischer Indikator. Die Menschen aus den angrenzenden Garífuna-Gemeinden erhalten als Leiharbeiter auf der Baustelle häufig nicht einmal den Mindestlohn von gut einem Euro pro Stunde. Sich in dem entstehenden Tourismus Ressort eines der über 200 geplanten Ferienhäuser für mindestens 200 000 Euro zu kaufen, ist also eher Menschen aus der Oberschicht oder AusländerInnen vorbehalten, welche für gewöhnlich über wesentlich hellere Haut als die Garífuna verfügen.

Doch die Problematik um das 125 Hektar umfassende Großprojekt ist weitreichender: Der Arbeiter Juan aus Tornabé berichtet, dass fast niemand aus seiner Gemeinde etwas von der Studie der Umweltorganisation PROLANSATE wusste, welche vor den verheerenden Konsequenzen für Mensch und Umwelt warnte. Stattdessen wurde das Projekt der angrenzenden Gemeinde als zukunftsreiche Entwicklungsmöglichkeit mit vielen Jobs vorgestellt. Mit diesen Aussichten verkaufte seine Familie wie viele andere auch ihr für Agraranbau genutztes Land zu Schleuderpreisen. Mittlerweile sind einige Jahre vergangen und die zentrale Straße wurde betoniert und schick hergerichtet. Abseits der Hauptstraße warten aber weiterhin bucklige Lehm- und Schotterwege, an denen zum Teil noch Holzhütten mit Feuerkochstellen stehen. Da das Projekt mit eigenen Shopping-Boutiquen, Restaurants und Bars einen deutlichen Enklaven-Charakter hat, wird der lokale Handel in der Gemeinde wohl kaum von den Tourist_innen profitieren können. So bieten allein Jobs in „Los Micos“ selbst die Aussicht darauf, neue Einnahmequellen zu finden, da die bisherigen zusammen mit dem Land verloren gegangen sind. Angesichts der Erfahrungen in Planung und Bau des Tourismusprojekts „Los Micos Beach and Golf Resort“ sieht der junge Arbeiter Juan dauerhafte Beschäftigungsmöglichkeiten aber nur als „Hoffnungsschimmer“. Dabei hängt das tatsächliche Jobangebot für die Garífuna nicht nur vom Wohlwollen der beteiligten Unternehmen ab, sondern auch vom unbeständigen Tourismusstrom und somit von der (internationalen) Wirtschaftslage. Immerhin gibt es in Tornabé bereits Englischkurse für zukünftige Angestellte, da das Projekt innerhalb des nächsten Jahres fertiggestellt werden soll.

Um ähnliche Ausgleichsmaßnahmen bemühen sich die Planer_innen auch in Puncto Umwelt. Trotz ihrer ursprünglich vernichtenden Kritik, begleitet die Umweltorganisation PROLANSATE mittlerweile das Projekt, welches in dem von ihr erkämpften und mitverwalteten Nationalpark „Blanca Jeanette Kawas Fernandéz“ entsteht. So hat PROLANSATE nach eigenen Angaben erwirkt, dass der Golfplatz statt 36 „nur“ 18 Löcher hat oder dass Material von außerhalb statt dem Sand am Küstenstreifen genutzt wurde, um das Feuchtgebiet zu verfüllen. Auch der Rasen für den Golfplatz soll besonders umweltverträglich sein und weniger Wasser als herkömmliche Rasen benötigen. Ein Golfplatz mit 18 Löchern verbraucht aber immer noch enorme Mengen des raren Gutes Süßwasser. Durch die Trockenlegung des geschützten Sumpfgebiets wird auch der Grundwasserhaushalt der anliegenden Gemeinden gestört. Der in Tornabé wohnende Juan berichtet bereits, dass nach Regenfällen das Wasser in der Gemeinde viel langsamer abläuft als früher. Angesichts der Hochwassergefährdung in der Region kann das fatale Folgen haben und ist eine Konsequenz vor der PROLANSATE bereits in ihrem Bericht von 2005 gewarnt hat.

Die Share- und Stakeholder des über 200 Millionen US-Dollar schweren Projekts haben aber wohl Mittel und Wege gefunden, um PROLANSATE zum Umdenken zu bewegen. Der honduranische Staat ist mit 49% an dem Projekt beteiligt und erhielt großzügige Kredite von der Interamerikanischen Entwicklungsbank, während 51% der Investitionen aus dem Privatsektor kommen. Auch wenn genaue Zahlen über Anteile bisher nicht öffentlich gemacht werden, scheinen die berühmt-berüchtigten oligarchischen Familien von Honduras auch dieses Projekt zu dominieren. Bis kurz vor seinem Tod hatte Juan Canahuati den Vorsitz des Verwaltungsrats inne und auch das Unternehmen Promotur von Jaime Rosenthal Oliva zählt zu den Hauptinvestoren.