Bohrmaschinen statt Wildvögel – Bau
des touristischen Großprojekts „Los Micos“ schreitet voran
Unser Blick schweift über die weite
trockene Sandebene, die von zahlreichen Hügeln durchzogen wird.
Hier und da gibt es noch kleine Pfützen, in denen vertrocknete Bäume
stehen. Der üppige Wald am Horizont lässt erahnen, wie es hier
einmal ausgesehen haben könnte. Doch der für Tropenwälder typische
Mix aus Insekten- und Vögelrufen wird hier von Sägen, Bohrern und
Betonmischern übertönt. Die Bauarbeiten für das
Großtourismusprojekt „Los Micos Beach and Golf Ressort“ sind
bereits in vollem Gange und mittlerweile ist es schwer vorstellbar,
dass der trockene Boden, auf dem wir stehen, einmal ein geschütztes
Sumpfgebiet war. Nur vereinzelt verirren sich noch Wildvögel
und Eidechsen hierher, Baufahrzeuge und Menschen in
roten Sicherheitswesten dominieren das Bild. Zahlreiche Schilder mit
Aufschriften wie „Hotel Boutique“, „Beach Club“ oder „Golf
Bar“ lassen erahnen, was aus den Stahlträgern und Sandhügeln
werden soll: Sie zeigen einen 18-löchrigen Golfplatz und luxuriöse
Gebäude, die von Menschen mit auffallend heller Haut genutzt werden.
Wie in den meisten Ländern Lateinamerikas ist auch in Honduras die Hautfarbe mehr oder weniger ein sozio-ökonomischer Indikator. Die Menschen aus den angrenzenden Garífuna-Gemeinden erhalten als Leiharbeiter auf der Baustelle häufig nicht einmal den Mindestlohn von gut einem Euro pro Stunde. Sich in dem entstehenden Tourismus Ressort eines der über 200 geplanten Ferienhäuser für mindestens 200 000 Euro zu kaufen, ist also eher Menschen aus der Oberschicht oder AusländerInnen vorbehalten, welche für gewöhnlich über wesentlich hellere Haut als die Garífuna verfügen.
Doch
die Problematik um das 125 Hektar umfassende Großprojekt ist
weitreichender: Der Arbeiter Juan
aus Tornabé berichtet, dass fast niemand aus seiner Gemeinde etwas
von der Studie der Umweltorganisation PROLANSATE wusste, welche vor
den verheerenden Konsequenzen für Mensch und Umwelt warnte.
Stattdessen wurde das Projekt der angrenzenden Gemeinde als
zukunftsreiche Entwicklungsmöglichkeit mit vielen Jobs vorgestellt.
Mit diesen Aussichten verkaufte seine Familie wie viele andere auch
ihr für Agraranbau genutztes Land zu Schleuderpreisen. Mittlerweile
sind einige Jahre vergangen und die zentrale Straße wurde betoniert
und schick hergerichtet. Abseits der Hauptstraße warten aber
weiterhin bucklige Lehm- und Schotterwege, an denen zum Teil noch
Holzhütten mit Feuerkochstellen stehen. Da das Projekt mit eigenen
Shopping-Boutiquen, Restaurants und Bars einen deutlichen
Enklaven-Charakter hat, wird der lokale Handel in der Gemeinde wohl
kaum von den Tourist_innen profitieren können. So bieten allein Jobs
in „Los Micos“ selbst die Aussicht darauf, neue Einnahmequellen
zu finden, da die bisherigen zusammen mit dem Land verloren gegangen
sind. Angesichts der Erfahrungen in Planung und Bau des
Tourismusprojekts „Los Micos Beach and Golf Resort“ sieht der
junge Arbeiter Juan dauerhafte Beschäftigungsmöglichkeiten aber
nur als „Hoffnungsschimmer“. Dabei hängt das tatsächliche
Jobangebot für die Garífuna nicht nur vom Wohlwollen der
beteiligten Unternehmen ab, sondern auch vom unbeständigen
Tourismusstrom und somit von der (internationalen) Wirtschaftslage.
Immerhin gibt es in Tornabé bereits Englischkurse für zukünftige
Angestellte, da das Projekt innerhalb des nächsten Jahres
fertiggestellt werden soll.
Um ähnliche Ausgleichsmaßnahmen
bemühen sich die Planer_innen auch in Puncto Umwelt. Trotz ihrer
ursprünglich vernichtenden Kritik, begleitet die Umweltorganisation
PROLANSATE mittlerweile das Projekt, welches in dem von ihr
erkämpften und mitverwalteten Nationalpark „Blanca Jeanette Kawas
Fernandéz“ entsteht. So hat PROLANSATE nach eigenen Angaben
erwirkt, dass der Golfplatz statt 36 „nur“ 18 Löcher hat oder
dass Material von außerhalb statt dem Sand am Küstenstreifen
genutzt wurde, um das Feuchtgebiet zu verfüllen. Auch der Rasen für
den Golfplatz soll besonders umweltverträglich sein und weniger
Wasser als herkömmliche Rasen benötigen. Ein Golfplatz mit 18
Löchern verbraucht aber immer noch enorme Mengen des raren Gutes
Süßwasser. Durch die Trockenlegung des geschützten Sumpfgebiets
wird auch der Grundwasserhaushalt der anliegenden Gemeinden gestört.
Der in Tornabé wohnende Juan berichtet bereits, dass nach
Regenfällen das Wasser in der Gemeinde viel langsamer abläuft als
früher. Angesichts der Hochwassergefährdung in der Region kann das
fatale Folgen haben und ist eine Konsequenz vor der PROLANSATE
bereits in ihrem Bericht von 2005 gewarnt hat.
Die Share- und Stakeholder des über
200 Millionen US-Dollar schweren Projekts haben aber wohl Mittel und
Wege gefunden, um PROLANSATE zum Umdenken zu bewegen. Der
honduranische Staat ist mit 49% an dem Projekt beteiligt und erhielt
großzügige Kredite von der Interamerikanischen Entwicklungsbank,
während 51% der Investitionen aus dem Privatsektor kommen. Auch wenn
genaue Zahlen über Anteile bisher nicht öffentlich gemacht werden,
scheinen die berühmt-berüchtigten oligarchischen Familien von
Honduras auch dieses Projekt zu dominieren. Bis kurz vor seinem Tod
hatte Juan Canahuati den Vorsitz des Verwaltungsrats inne und auch
das Unternehmen Promotur von Jaime Rosenthal Oliva zählt zu den
Hauptinvestoren.