Sonntag, 24. November 2013

Reisebericht, achter Teil: Gewaltsame Vertreibung von Einwohner_innen aus La Nueva Esperanza


Arizona


In Arizona, einem Städtchen zwischen Tela und La Ceiba an der Nordküste treffen wir uns mit Einwohner_innen aus La Nueva Esperanza, die seit März von dem Bergbauunternehmen Minerales Victoria S.A. terrorisiert werden, mit dem Ziel, sie von ihrem Land zu vertreiben, das einem Tagebau weichen soll. La Nueva Esperanza liegt abgelegen in den Bergen, die Reise dorthin dauert mehrere Stunden mit dem Bus und eine weitere Stunde zu Fuss, die Straße ist zu schlecht für unseren Kleinbus.
Unsere Delegation ist inzwischen auf über 20 Leute angewachsen, bzw. setzt sich an diesem Morgen aus der HondurasDelegation und einer kanadischen Delegation zusammen. Letztere interessiert sich besonders für die Bergbauprojekte im Land, da hinter den meisten kanadische Investoren stehen. Das Treffen findet in der Pfarrgemeinde Nuestra Señora de Pilar statt, die die Einwohner_innen von La Nueva Esperanza in ihrem Kampf gegen den Bergbau unterstützt.

Offiziell ist Minerales Victoria dabei, Explorationsarbeiten durchzuführen, doch die Einwohner_innen berichten davon, dass stellenweise schon großflächig Boden abgetragen wurde. Die Maschinen, mit denen die Probebohrungen durchgeführt werden, wurden gegen den Willen der Eigentümer_innen auf privaten Grundstücken aufgestellt. Wegen der Bohrungsarbeiten würden sich Rückstände von Maschinenöl und Benzin im Fluss finden. „Wir lassen unsere Tiere nicht mehr aus dem Fluss trinken“, berichtet eine Einwohnerin. Doch am meisten leidet die Bevölkerung darunter, dass die Firma versucht, sie gewaltsam von ihrem Land zu vertreiben. Der Protest gegen die Mine ist nicht neu“, erklärt Angel Torres*, „schon vor 15, 20 Jahren versuchten erst eine chinesische, dann eine österreichische, dann eine italienische Firma, hier eine Mine zu eröffnen.“ Minerales Victoria, die die Konzessionen „Buena Vista 1“ und „Buena Vista 2“ über jeweils 1000 Hektar vom honduranischen Staat erhalten hat, befindet sich im Besitz des Honduraners Lenir Perez, über ausländisches Kapital in der Firma ist nichts bekannt. Zunächst versuchte die Kirche zwischen dem Unternehmen und der Gemeinde zu vermitteln. Dabei seien drei Übereinkünfte erzielt worden:
- Die Gemeinde würde sich über das Thema Bergbbau informieren und Minerales Victoria seinerseits Einsicht in seine Genehmigungen und Pläne gewähren
- Die Gemeindemitglieder würden andere Bergbauprojekte im Land besuchen um sich ein Bild von den Auswirkungen des Bergbaus zu machen
- Nach diesem Prozess würde die Gemeinde über das Bergbauprojekte in Nueva Esperanza abstimmen.
Nach der Erzählung der Einwohner_innen kam es zu massiver Gewalt gegen die Gemeinde, nachdem die Gemeindemitglieder sich nicht von Minerales Victoria zu der Rundreise zu anderen Projekten einladen lassen wollen, sondern auf eigenen Kosten und unabhängig reisen. „Die Unternehmer brachten eine Gruppe von Auftragsmördern aus dem Aguantal in die Gemeinde, 12 schwerbewaffnete Männer, sie brachten sie unter dem Schutz der Polizei. Seit dem folgenden Morgen stand die Gemeinde unter der Kontrolle, unter einer Ausgangssperre durch die Auftragsmörder des Unternehmens“, erzählt Angel Torres.
Mitglieder der Breiten Bewegung für Würde und Gerechtigkeit (MADJ) sowie Kirchenmitglieder, die die Einwohner_innen unterstützten, erhielten Drohungen. Mit Hilfe des Bürgermeisters von Tela David Zaccaro installierte das Unternehmen einen Polizeiposten mit 10 Polizisten in dem 1000-Einwohner-Ort. Zum Vergleich: In Arizona mit 11.000 Einwohner_innen gibt es drei Polizisten. Seit Februar sind im Ort immer wieder Schüsse zu hören, berichten die Einwohner_innen. Die Schule musste geschlossen werden, nachdem der Lehrer sowohl persönlich als auch mit der Entführung seiner Schüler bedroht wurde. Seit sechs Monaten haben die Kinder keinen Unterricht mehr, da der Lehrer fliehen mussten, und die Eltern die Schule lieber geschlossen ließen, um nicht die Leben ihrer Kinder zu gefährden.
Am 25.7.2013 kam es zur Entführung von Orlane Vidal und Daniel Langmeier, zwei Menschenrechtsbeobachter_innen, die zu Gast bei einer Familie aus Nueva Esperanza waren. Den beiden wurde gedroht, sie würden im Wald verloren gehen, wenn sie noch einmal in die Gemeinde zurückkehrten (vgl. tortilladigital). Wegen der Entführung liegen inzwischen Haftbefehle vor, die aber bis jetzt nicht umgesetzt wurden. Die gastgebende Familie sah sich nach der Entführung, bei der ihr Haus von Bewaffneten umstellt worden war, gezwungen, die Gemeinde zu verlassen. Auch Jugendliche, die gegen das Bergbauprojekt protestiert haben und Fotos machen wollten, berichten, dass auf sie geschossen wurde.
„Wir haben alle Vorfälle angezeigt, aber es passiert nichts. Auf der juristischen Ebene gehen uns die Mittel aus“, berichtet Abel Carbajal von der Pfarrgemeinde. „Wir haben neue Drohungen von Lenir Perez erhalten. Wenn Juan Orlando Hernandez die Wahlen gewinnt, wird er wenige Tage später hier die Armee einmarschieren.“