Freitag, 22. November 2013

Reisebericht, siebter Teil: MADJ – Anwälte für Landrechte und Naturressourcen

Es ist ungewöhnlich, dass Rechts- und Staatsanwälte sich zu einer Organisation zusammenschließen, die sich die Verteidigung der Landrechte zum Ziel gesetzt hat. Ungewöhnlich ist auch die Entstehungsgeschichte der Gruppierung MADJ ("Breite Bewegung für Würde und Gerechtigkeit"): Im Jahr 2008 hatten sich 60 Staatsanwälte zu einem öffentlichen Hungerstreik gegen die Korruption zusammengefunden. Der Streik markierte einen Neubeginn der sozialen Bewegungen in Honduras und zog die Gründung der Breiten Bewegung für Würde und Gerechtigkeit, der MADJ, nach sich. Die Organisation arbeitet heute in 28 Landkreisen der nördlichen Departamentos und unterstützt unter anderem Gemeinden, die sich gegen Minenkonzerne, Staudammprojekte und Großgrundbesitzer zur Wehr setzen um ihre Landrechte zu verteidigen.


Das Szenario kommt uns vertraut vor: Auf der einen Seite nationale und internationale Konzerne, die an Naturressourcen interessiert sind, auf der anderen Seite Kleinbäuer_innen, Indigene und Garifunas, die um ihr Recht auf Land für den Ackerbau zur Selbsversorgung kämpfen. Der Staat, sollte man denken, hätte zumindest die Aufgabe, zwischen diesen widerstreitenden Interessen zu vermitteln. Nicht nur das MADJ hat die Erfahrung, dass die Regierung von Honduras dieser Aufgabe nicht nachkommt. Gesetze, die die Bäuer_innen schützen, existieren zwar, werden aber kaum angewendet. Polizei und Militär arbeiten eng mit den „Sicherheitsdiensten“ der Konzerne zusammen und kriminalisieren die Organisationen der Landbevölkerung.MADJ versucht, betroffenen Gemeinden als Beratung und Anwalt zu dienen.

Pablo Munguía, Mitglied der Coordinacion Nacional, Finanzen und Kommunkikation, empfängt uns in dem kleinen Büro des MADJ in San Pedro Sula. Er beschreibt zwei Beispiele aus der Arbeit des MADJ:

Goldtagebau in Nueva Esperanza, Atlantida

Die Gemeinde wurde landesweit bekannt, als erstmals in der Geschichte der Menschenrechtsbegleitung in Honduras zwei europäische Beobachter_innen vom Sicherheitsdienst der honduranischen Bergbaufirma Minerales Victoria entführt wurden. Die Gemeinde befindet sich nach wie vor im Widerstand gegen die Firma und wir sind eingeladen, uns dort vor Ort zu informieren. Wir werden dem Fall also später einen eigenen Blogeintrag widmen.


Antimonmine und illegaler Holzeinschlag in Locomapa, Yoro

Im Nationalpark Texigua im Zentrum von Honduras sind die Tolupan-Indigenas zuhause. Sie wehren sich gegen Firmen, die illegal Pinienwälder abholzen und das Holz an Geschäftsleute verkaufen. Ebenfalls gehen sie gegen acht Firmen vor, die ohne staatliche Konzession nach dem Mineral Antimon schürfen. Das Metall wird für eine Reihe technischer Anwendungen benötigt, u.a. ist es Bestandteil des Zündkopfes von Streichhölzern.
Bei einer Straßenblockade der Tolupanes am 25.August, die sich sowohl gegen illegalen Holzeinschlag wie gegen die inoffiziellen Minen richtete, kamen drei Aktivisten durch lokale Auftragsmörder ums Leben. Die Täter bewegen sich bis heute bewaffnet und unbehelligt von der Polizei in der Region. Die örtliche Staatsanwaltschaft beantwortete die Anzeige der Tolupanes mit dem Hinweis, sie sollten sich doch einfach selbst bewaffnen. Seitdem sind acht exponierte Tolupan-Aktivisten aus dem Gebiet geflohen und warten auf die Möglichkeit zur Rückkehr.
MADJ plant diese als einen großen öffentlichen Festakt zu veranstalten, bei dem die örtliche Staatsanwaltschaft, die Polizei und die Bürgermeister eingeladen werden, um sie auf diese Weise zum Schutz der gefährdeten Personen zu verpflichten. Ziel bleibt es, die eigentlichen Probleme, den illegalen Raubbau an Naturressourcen, zu lösen. 
Die Tolupanes streben den Bau einer 2 Megawatt-Wasser-Fallturbine in Eigenregie an, die die Gemeinde Locomapa mit Energie versorgen könnte. Die Indigenas betonen, sie seien nicht gegen Entwicklung, und noch nicht einmal gegen die Antimon-Minen, wenn diese mit Verantwortung für Mensch und Natur genutzt würden.
Ein bisschen staunen wir da schon: Die Staudammprojekte gelten ja andernorts als rotes Tuch für die Indigenen, und hier planen sie ein ganz ähliches Projekt aus eigenem Antrieb. „Natürlich,“ meint Pablo Munguía, in den richtigen Händen kann die Technologie den Gemeinden einen Nutzen bringen, aber das ist nicht das, was wir bei den aktuellen Projekten erleben. Sie werden über die Köpfe der Bevölkerung hinweg geplant und mit Hilfe staatlicher Stellen gewaltsam durchgesetzt.