Es ist ungewöhnlich, dass Rechts- und
Staatsanwälte sich zu einer Organisation zusammenschließen, die
sich die Verteidigung der Landrechte zum Ziel gesetzt hat.
Ungewöhnlich ist auch die Entstehungsgeschichte der Gruppierung MADJ
("Breite Bewegung für Würde und Gerechtigkeit"): Im Jahr 2008 hatten sich 60
Staatsanwälte zu einem öffentlichen Hungerstreik gegen die
Korruption zusammengefunden. Der Streik markierte einen Neubeginn der
sozialen Bewegungen in Honduras und zog die Gründung der Breiten
Bewegung für Würde und Gerechtigkeit, der MADJ, nach sich. Die
Organisation arbeitet heute in 28 Landkreisen der nördlichen
Departamentos und unterstützt unter anderem Gemeinden, die sich
gegen Minenkonzerne, Staudammprojekte und Großgrundbesitzer zur Wehr
setzen um ihre Landrechte zu verteidigen.
Das Szenario kommt uns vertraut vor:
Auf der einen Seite nationale und internationale Konzerne, die an
Naturressourcen interessiert sind, auf der anderen Seite
Kleinbäuer_innen, Indigene und Garifunas, die um ihr Recht auf Land
für den Ackerbau zur Selbsversorgung kämpfen. Der Staat, sollte man
denken, hätte zumindest die Aufgabe, zwischen diesen
widerstreitenden Interessen zu vermitteln. Nicht nur das MADJ hat die
Erfahrung, dass die Regierung von Honduras dieser Aufgabe nicht
nachkommt. Gesetze, die die Bäuer_innen schützen, existieren zwar,
werden aber kaum angewendet. Polizei und Militär arbeiten eng mit
den „Sicherheitsdiensten“ der Konzerne zusammen und
kriminalisieren die Organisationen der Landbevölkerung.MADJ versucht, betroffenen Gemeinden als Beratung und Anwalt zu dienen.
Pablo Munguía, Mitglied
der Coordinacion Nacional, Finanzen und Kommunkikation, empfängt uns
in dem kleinen Büro des MADJ in San Pedro Sula. Er beschreibt zwei
Beispiele aus der Arbeit des MADJ:
Goldtagebau in Nueva Esperanza,
Atlantida
Die Gemeinde wurde landesweit bekannt,
als erstmals in der Geschichte der Menschenrechtsbegleitung in
Honduras zwei europäische Beobachter_innen vom Sicherheitsdienst der
honduranischen Bergbaufirma Minerales Victoria entführt wurden. Die
Gemeinde befindet sich nach wie vor im Widerstand gegen die Firma und
wir sind eingeladen, uns dort vor Ort zu informieren. Wir werden dem
Fall also später einen eigenen Blogeintrag widmen.
Antimonmine und illegaler
Holzeinschlag in Locomapa, Yoro
Im Nationalpark Texigua im Zentrum von
Honduras sind die Tolupan-Indigenas zuhause. Sie wehren sich gegen
Firmen, die illegal Pinienwälder abholzen und das Holz an
Geschäftsleute verkaufen. Ebenfalls gehen sie gegen acht Firmen vor,
die ohne staatliche Konzession nach dem Mineral Antimon schürfen.
Das Metall wird für eine Reihe technischer Anwendungen benötigt,
u.a. ist es Bestandteil des Zündkopfes von Streichhölzern.
Bei einer Straßenblockade der
Tolupanes am 25.August, die sich sowohl gegen illegalen Holzeinschlag
wie gegen die inoffiziellen Minen richtete, kamen drei Aktivisten
durch lokale Auftragsmörder ums Leben. Die Täter bewegen sich bis
heute bewaffnet und unbehelligt von der Polizei in der Region. Die
örtliche Staatsanwaltschaft beantwortete die Anzeige der Tolupanes
mit dem Hinweis, sie sollten sich doch einfach selbst bewaffnen.
Seitdem sind acht exponierte Tolupan-Aktivisten aus dem Gebiet
geflohen und warten auf die Möglichkeit zur Rückkehr.
MADJ plant diese als einen großen
öffentlichen Festakt zu veranstalten, bei dem die örtliche
Staatsanwaltschaft, die Polizei und die Bürgermeister eingeladen
werden, um sie auf diese Weise zum Schutz der gefährdeten Personen
zu verpflichten. Ziel bleibt es, die eigentlichen Probleme, den
illegalen Raubbau an Naturressourcen, zu lösen.
Die Tolupanes
streben den Bau einer 2 Megawatt-Wasser-Fallturbine in Eigenregie an,
die die Gemeinde Locomapa mit Energie versorgen könnte. Die
Indigenas betonen, sie seien nicht gegen Entwicklung, und noch nicht
einmal gegen die Antimon-Minen, wenn diese mit Verantwortung für
Mensch und Natur genutzt würden.
Ein bisschen staunen wir da schon: Die
Staudammprojekte gelten ja andernorts als rotes Tuch für die
Indigenen, und hier planen sie ein ganz ähliches Projekt aus eigenem
Antrieb. „Natürlich,“ meint Pablo Munguía, in den richtigen
Händen kann die Technologie den Gemeinden einen Nutzen bringen, aber
das ist nicht das, was wir bei den aktuellen Projekten erleben. Sie
werden über die Köpfe der Bevölkerung hinweg geplant und mit Hilfe
staatlicher Stellen gewaltsam durchgesetzt.