Freitag, 22. November 2013

Zwischen Angst und Hoffnung

In Honduras versuchen die traditionellen Eliten mit allen Mitteln, einen Wahlsieg der Linken zu verhindern

erschienen in analyse&kritik Nr. 588, von Johannes Schwäbl


Am 24. November finden in Honduras Präsidentschaftswahlen statt. Das kleine mittelamerikanische Land befindet sich seit dem zivil-militärischen Putsch im Juni 2009 in einer tiefen sozialen, politischen und wirtschaftlichen Krise. Demokratische Grundrechte wurden stückweise eingeschränkt, das Land zunehmend militarisiert und die staatliche Gewaltenteilung teilweise ausgehebelt.



Honduras ist eines der Länder mit der höchsten Armutsrate in Lateinamerika. Laut dem Umfrageinstitut CESPAD (Centro de Estudio para la Democracia) sind 72,9 Prozent der Bevölkerung der Meinung, das Land brauche eine tiefgreifende und radikale Veränderung. 75 Prozent der Befragten sind für die Ausrufung einer verfassunggebenden Versammlung. Diese hat sich die aus Teilen der Widerstandsbewegung gegen den Putsch hervorgegangene Linkspartei Libertad y Refundación (LIBRE) auf die Fahnen geschrieben. LIBRE ist eine von vier Parteien, die nach dem Putsch gegründet wurden. Ihre Präsidentschaftskandidatin Xiomara Castro führt die aktuellen Meinungsumfragen an. Damit könnte zum ersten Mal die Zweiparteienherrschaft der liberalen und der nationalen Partei durchbrochen werden.

 

Wahlbetrug hat in Honduras eine lange Tradition

Zugleich finden die Wahlen jedoch auch in einem Klima der Angst und Ungewissheit statt. Die traditionelle Machtelite wird nicht ohne Widerstand abdanken, und Wahlbetrug hat eine lange Tradition in Honduras. Laut CESPAD sind 59 Prozent der Bevölkerung der Meinung, dass ein Wahlbetrug stattfinden wird. Drohungen und Morde häufen sich, am stärksten ist LIBRE davon betroffen. Laut der Menschenrechtsorganisation Rights Action wurden zwischen Juni 2012 und Oktober 2013 mindestens 18 LIBRE-AktivistInnen umgebracht. Am 23. Oktober wurde die Leiche des Kameramanns Manuel Murillo Varela gefunden. Murillo war LIBRE-Unterstützer und stand unter besonderen Schutzmaßnahmen der interamerikanischen Menschenrechtskommission.

Ende Oktober wiesen mehrere Menschenrechtsorganisationen auf die gravierenden Menschenrechtsverletzungen im Zuge der Wahlen hin. Der regierenden nationalen Partei und deren Präsidentschaftskandidaten Juan Orlando Hernández warfen sie vor, ein Klima des Terrors und der Angst zu erzeugen. Vor allem an der sich seit Anfang Oktober im Einsatz befindlichen militärischen Polizei der Öffentlichen Ordnung (PMOP) üben Menschenrechtsorganisationen scharfe Kritik und vergleichen diese mit den Todesschwadronen der 1980er-Jahre.

Am 11. Oktober durchsuchten Einheiten der PMOP ohne Durchsuchungsbefehl das Haus des Vizepräsidenten der Gewerkschaft SITRAPANI, und am 23. Oktober stürmten Spezialeinheiten das Haus von Edwin Robelo Espinal. Robelo ist aktives Mitglied des Widerstandes gegen den Putsch, ein bekannter Stadtteilaktivist, und steht unter besonderen Schutzmaßnahmen der interamerikanischen Menschenrechtskommission. Ausführender Richter der Durchsuchung war ein Militärsergeant der PMOP. In beiden Fällen wurde angeblich nach Waffen gesucht. In den vergangenen Wochen sprachen Regierungsvertreter und Militärs mehrfach von »Gruppierungen«, die den Wahlprozess destabilisieren wollten. Dadurch werden soziale und politische AktivistInnen als potenzielle Gefahr und als TerroristInnen dargestellt.

Ein weiterer besorgniserregender Faktor sind die privaten und paramilitärischen Sicherheitskräfte. Laut einem UN-Bericht beschäftigen private Sicherheitsdienste in Honduras doppelt so viele Angestellte wie Militär und Polizei zusammen. Eine Vielzahl dieser Personen steht im Dienst von Unternehmen und Großgrundbesitzern. In Teilen Honduras – wie der nordhonduranischen Region Bajo Aguán, wo durch den Landkonflikt zwischen KleinbäuerInnen und Großgrundbesitzern bisher über 100 Menschen zu Tode kamen – verursachen die Präsenz und die Aktionen privater Sicherheitsdienste in der Bevölkerung Angst davor, überhaupt wählen zu gehen, geschweige denn, sich offen zu LIBRE zu bekennen.

 

Repressionswelle gegen AktivistInnen

Im Vorfeld der Wahlen stieg auch die Repression gegen soziale Organisationen dramatisch an. Mehrere Personen, unter ihnen der indigene Gemeindeführer Tomas Garcia, wurden bei Protesten gegen Staudamm- und Minenprojekte ermordet. Laut der Menschenrechtsorganisation COFADEH werden aktuell mehr als 600 soziale und politische AktivistInnen juristisch verfolgt. Einer der bekanntesten dieser Fälle ist die Anordnung von Vorbeugehaft gegen die indigene Aktivistin Bertha Cáceres in Zusammenhang mit Protesten gegen ein Staudammprojekt in der Region Río Blanco.

Obwohl LIBRE aus Teilen des Widerstandsbündnisses gegen den Putsch entstanden ist, hat sich die Parteiführung zunehmend von den sozialen Organisationen entfernt und bezieht nur sehr selten Stellung für deren Kämpfe und die von Repression betroffenen AktivistInnen außerhalb der Partei. Zwar gilt LIBRE immer noch als Hoffnungsschimmer, aber auch nach einem Wahlsieg werden sich nicht alle Probleme des Landes in Luft auflösen. Anfang November gründeten 58 Organisationen deshalb die Plattform der sozialen und Basisbewegungen von Honduras als Antwort auf die aktuellen Bedrohungen und möglichen Szenarien nach der Wahl.