Santa Barbara. Mit
einer buntgemischten Gruppe internationaler Beobachter_innen stehen
wir heute im Innenhof des Justizgebäude von Santa Barbara. Wir
warten auf eine sogenannte „Versöhnungsverhandlung“. Schließlich
erscheinen der Anwalt der Angeklagten Berta Cáceres, sie selbst
taucht allerdings nicht auf. Wahrscheinlich aus Sicherheitsgründen.
Berta
Cáceres ist die Generalkoordinatorin des COPINH, dem Zivilen Rat der
Basis und indigenen Organisationen von Honduras , in dem die
indigenen Gemeinden der Lenca organisiert sind. Die Organisation, die
1993 gegründet wurde, verteidigt die natürlichen Ressourcen der
Lenca gegen transnationale Großprojekte, zum Beispiel Staudämme und
Minen. Auch wenn dieser Kampf nie einfach war, haben sich die
Bedingungen nach dem Putsch 2009 deutlich verschlechtert.
Berta Cáceres auf einer Versammlung.
Foto: HondurasDelegation
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Im
zweiten Verfahren, das heute in Santa Barbara verhandelt wird, geht
es um eine Waffe, die am 24. Mai 2013 auf der Ladefläche des Pick-up
von COPINH gefunden wurde. Sie wurde wegen illegalem Waffenbesitz
angezeigt. Allerdings gab es keine richtige Untersuchung zu der
Waffe, wie sie uns erzählte, und so scheint die Anklage wenig
standhaft zu sein. Auch die Staatanwaltschaft hat angeboten, die
Anklage fallen zu lassen, aber nur, wenn Berta den Staat um
Verzeihung bitte. Da eine Entschuldigung aber einem
Schldeingeständnis gleichkäme, lehnte Berta ab. Ein weiteres
Angebot bestand darin, dass sie 5000 Lempira, etwa 200 Euro, zahlen
solle um die entstandenen Kosten für den Prozess zu decken. Da sie
auch dieses Angebot ablehnte, wurde für den heutigen Tag eine
„Versöhnungsverhandlung“ angesetzt.
Die
Zentrale von COPINH, das Centro
Utopia, liegt
nahe der Stadt La Esperanza. Eine große Antenne sendet das Radio der
Organisation La Voz
Lenca, die Stimme der
Lenca. Wir sind zu Besuch und bekommen Tortillas, Bohnen und
Hühnchen, ein klassisches honduranisches Gericht, und warmen Kaffee.
Die Stimmung ist ruhig und friedlich, ganz im Gegensatz zu den
Berichten, die wir zu hören bekommen. Die juristische Verfolgung von
Berta ist noch lange nicht alles.
Centro Utopia.
Foto: HondurasDelegation
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Auch Bertas
Familie ist betroffen. „Wir haben es hier mit Leuten zu tun, die
keinen Skrupel haben“, erklärt sie, deshalb habe sie lieber drei
ihrer vier Kinder außer Land gebracht. Vor ihrem Haus, wo sie mit
ihrer 81-jährigen Mutter wohnt, patroullieren Tag und Nacht
Polizisten. „Sie wissen, wie sie einen brechen können“, sagt
Berta, „sie zielen auf das, was einem am liebsten ist.“
Und dass die
Verteidigerin indigener Rechte mit allen Mitteln gebrochen werden
soll, steht außer Frage. Zur Zeit läuft eine Medienkampagne, die
sie und COPINH in den Schmutz ziehen soll. Außerdem wird versucht in
der Gemeinde Rio Blanco Zweifel zu sähen. Vertreter des Unternehmens
DESA behaupteten gegenüber der Gemeinde, Berta hätte sich bestechen
lassen und Geld im Tausch für die Räumung der Straßensperre
angenommen.
Mit großen Sorgen
sieht Berta den Präsidentschaftswahlen entgegen, die kommenden
Sonntag stattfinden sollen. Sie befürchtet eine starke
Repressionswelle gegen Aktivist_innen der Landkämpfe und sozialen
Bewegungen wenn die internationale Aufmerksamkeit wieder nachlässt.
Ihnen sei von einem Informanten eine Liste mit Personen und
Organisationen zugespielt worden. Diese seinen kategorisiert als
Objekte, die 'demobilisiert, zerschlagen und neutralisiert' werden
sollen. „Das lässt Spielraum für viele Interpretationen, aber wir
sind dadurch auf jedem Fall bedroht, sowohl als Personen, wie auch
als Organisation.“, betont Berta. Es gäbe eine Liste mit
Aktivist_innen der sozialen Bewegungen und der Partei LIBRE, die
ermordet werden sollen, von Auftragskillern, wie Berta erklärt.
Wenig überraschend ist, dass sie selbst ganz oben auf dieser Liste
steht.
Ein weiteres Indiz, dass schwierige
Zeiten bevorstehen, ist ein Aufruf, der in der Unternehmerelite des
Landes zu kursieren scheint. Es ist ein „Aufruf innerhalb der
Unternehmen, der Textilfabriken, der privaten Universitäten, ein
Aufruf der hohen Führungskräfte dieser nationalen und
transnationalen Unternehmen an ihre Kollegen und Eigentümer der
Unternehmen, dass sie Benzin, Nahrungsmittel und Wasser zurücklegen
sollen, und dass sie bereit sein sollen, weil es hier eine Umwälzung,
eine Krise geben wird.“, erklärt Berta. Selbst wenn die
neugegründete linke Patei LIBRE gewinnen sollte, wird ihrer Meinung
nach die Repression und die Militarisierung des Landes weiter
voranschreiten. Zu mächtig sind das Militär und die Oligarchie des
Landes. „No se van a quedar con los brazos cruzados“, wiederholt
sie mehrere Male, „Sie werden die Hände nicht in den Schoß
legen.“
Der Anwalt von Berta verschwindet mit
dem Richter hinter einer Tür mit der Aufschrift „Privates
Arbeitszimmer“. Nach zehn Minuten erklärt uns der Anwalt, dass die
Verhandlung verschoben wurde. Nach wie vor sei seine Mandantin aber
nicht bereit, um Verzeihung für etwas zu bitten, was sie sich nicht
vorzuwerfen habe. Die Gruppe der Menschenrechtsbeobachter zerstreut
sich, bis zur nächsten Versöhnungsverhandlung. Aber ob es da eine
Einigung geben wird?