Dienstag, 19. November 2013

Reisebericht vierter Teil: 18. November

Santa Barbara. Mit einer buntgemischten Gruppe internationaler Beobachter_innen stehen wir heute im Innenhof des Justizgebäude von Santa Barbara. Wir warten auf eine sogenannte „Versöhnungsverhandlung“. Schließlich erscheinen der Anwalt der Angeklagten Berta Cáceres, sie selbst taucht allerdings nicht auf. Wahrscheinlich aus Sicherheitsgründen.

Berta Cáceres ist die Generalkoordinatorin des COPINH, dem Zivilen Rat der Basis und indigenen Organisationen von Honduras , in dem die indigenen Gemeinden der Lenca organisiert sind. Die Organisation, die 1993 gegründet wurde, verteidigt die natürlichen Ressourcen der Lenca gegen transnationale Großprojekte, zum Beispiel Staudämme und Minen. Auch wenn dieser Kampf nie einfach war, haben sich die Bedingungen nach dem Putsch 2009 deutlich verschlechtert. 

Berta Cáceres auf einer Versammlung. 
Foto: HondurasDelegation 
Berta, der 2012 der Schalompreis der Universität Eichstätt überreicht wurde, versteht sich als Verteidigerin der Menschenrechte und als politisch Verfolgte. Derzeit werden zwei juristische Verfahren gegen sie geführt. In der ersten Verhandlung im September diesen Jahres wurden sie und zwei Mitstreiter von COPINH, Aureliano Molina und Tomas Gomez, wegen Anstiftung einer Straßenblockade in der Gemeinde Rio Blanco angeklagt. In Rio Blanco soll ein Staudamm gebaut werden, gegen den sich die indigenen Bewohner_innen entschieden wehren (siehe vorangegangener Reisebericht). Neben der Räumung der Straßensperre in Rio Blanco und Bewährungsauflagen für Aureliano und Tomasito, wurde gegen Berta Vorbeugehaft angeordnet. Derzeit gibt es noch keinen Vollstreckungsbefehl, der aber jederzeit ausgestellt werden kann. Deshalb vermeidet es Berta zur Zeit sich öffentlich zu zeigen. 

 
Im zweiten Verfahren, das heute in Santa Barbara verhandelt wird, geht es um eine Waffe, die am 24. Mai 2013 auf der Ladefläche des Pick-up von COPINH gefunden wurde. Sie wurde wegen illegalem Waffenbesitz angezeigt. Allerdings gab es keine richtige Untersuchung zu der Waffe, wie sie uns erzählte, und so scheint die Anklage wenig standhaft zu sein. Auch die Staatanwaltschaft hat angeboten, die Anklage fallen zu lassen, aber nur, wenn Berta den Staat um Verzeihung bitte. Da eine Entschuldigung aber einem Schldeingeständnis gleichkäme, lehnte Berta ab. Ein weiteres Angebot bestand darin, dass sie 5000 Lempira, etwa 200 Euro, zahlen solle um die entstandenen Kosten für den Prozess zu decken. Da sie auch dieses Angebot ablehnte, wurde für den heutigen Tag eine „Versöhnungsverhandlung“ angesetzt.

Die Zentrale von COPINH, das Centro Utopia, liegt nahe der Stadt La Esperanza. Eine große Antenne sendet das Radio der Organisation La Voz Lenca, die Stimme der Lenca. Wir sind zu Besuch und bekommen Tortillas, Bohnen und Hühnchen, ein klassisches honduranisches Gericht, und warmen Kaffee. Die Stimmung ist ruhig und friedlich, ganz im Gegensatz zu den Berichten, die wir zu hören bekommen. Die juristische Verfolgung von Berta ist noch lange nicht alles.

Centro Utopia.
Foto: HondurasDelegation
Als Berta am 30. Oktober mit ihrem Auto in die Hauptstadt Tegucigalpa unterwegs ist, bemerkt sie, dass sie von einem weißen und einem ockerfarbenen Auto verfolgt wird. Spätestens als sie eine SMS erhält ist klar, dass es sich keinesfalls um eine diskrete Überwachung handeln soll. Wie gut sie aussähe beim Auto fahren, schreibt ausgerechnet der Chef der privaten Sicherheitsfirma des Unternehmens DESA – dem Unternehmen, dass den Staudamm in der Gemeinde Rio Blanco bauen will. Und dies ist nicht die einzige zweideutige Nachricht, die sie in diesen Tagen erhält. Ein anderes mal fragt der Chef der Sicherheitsfirma, wann sie denn wieder zur Straßensperre käme, er würde sie schon vermissen. An diesen Nachrichten sähe man sehr gut, dass es etwas anderes sei, als Frau politische verfolgt zu werden, sagt Berta.

Auch Bertas Familie ist betroffen. „Wir haben es hier mit Leuten zu tun, die keinen Skrupel haben“, erklärt sie, deshalb habe sie lieber drei ihrer vier Kinder außer Land gebracht. Vor ihrem Haus, wo sie mit ihrer 81-jährigen Mutter wohnt, patroullieren Tag und Nacht Polizisten. „Sie wissen, wie sie einen brechen können“, sagt Berta, „sie zielen auf das, was einem am liebsten ist.“
Und dass die Verteidigerin indigener Rechte mit allen Mitteln gebrochen werden soll, steht außer Frage. Zur Zeit läuft eine Medienkampagne, die sie und COPINH in den Schmutz ziehen soll. Außerdem wird versucht in der Gemeinde Rio Blanco Zweifel zu sähen. Vertreter des Unternehmens DESA behaupteten gegenüber der Gemeinde, Berta hätte sich bestechen lassen und Geld im Tausch für die Räumung der Straßensperre angenommen.

Mit großen Sorgen sieht Berta den Präsidentschaftswahlen entgegen, die kommenden Sonntag stattfinden sollen. Sie befürchtet eine starke Repressionswelle gegen Aktivist_innen der Landkämpfe und sozialen Bewegungen wenn die internationale Aufmerksamkeit wieder nachlässt. Ihnen sei von einem Informanten eine Liste mit Personen und Organisationen zugespielt worden. Diese seinen kategorisiert als Objekte, die 'demobilisiert, zerschlagen und neutralisiert' werden sollen. „Das lässt Spielraum für viele Interpretationen, aber wir sind dadurch auf jedem Fall bedroht, sowohl als Personen, wie auch als Organisation.“, betont Berta. Es gäbe eine Liste mit Aktivist_innen der sozialen Bewegungen und der Partei LIBRE, die ermordet werden sollen, von Auftragskillern, wie Berta erklärt. Wenig überraschend ist, dass sie selbst ganz oben auf dieser Liste steht.

Ein weiteres Indiz, dass schwierige Zeiten bevorstehen, ist ein Aufruf, der in der Unternehmerelite des Landes zu kursieren scheint. Es ist ein „Aufruf innerhalb der Unternehmen, der Textilfabriken, der privaten Universitäten, ein Aufruf der hohen Führungskräfte dieser nationalen und transnationalen Unternehmen an ihre Kollegen und Eigentümer der Unternehmen, dass sie Benzin, Nahrungsmittel und Wasser zurücklegen sollen, und dass sie bereit sein sollen, weil es hier eine Umwälzung, eine Krise geben wird.“, erklärt Berta. Selbst wenn die neugegründete linke Patei LIBRE gewinnen sollte, wird ihrer Meinung nach die Repression und die Militarisierung des Landes weiter voranschreiten. Zu mächtig sind das Militär und die Oligarchie des Landes. „No se van a quedar con los brazos cruzados“, wiederholt sie mehrere Male, „Sie werden die Hände nicht in den Schoß legen.“

Der Anwalt von Berta verschwindet mit dem Richter hinter einer Tür mit der Aufschrift „Privates Arbeitszimmer“. Nach zehn Minuten erklärt uns der Anwalt, dass die Verhandlung verschoben wurde. Nach wie vor sei seine Mandantin aber nicht bereit, um Verzeihung für etwas zu bitten, was sie sich nicht vorzuwerfen habe. Die Gruppe der Menschenrechtsbeobachter zerstreut sich, bis zur nächsten Versöhnungsverhandlung. Aber ob es da eine Einigung geben wird?