Während die Ereignisse um die Wahl und
den von den Parteien LIBRE und PAC vermuteten Wahlbetrug langsam aber
stetig ihren Lauf nehmen, wenden wir uns zwei Themen zu, die wir als
Honduras-Delegation schon zu lange nicht verfolgt hatten. Die
Botschaft der EU in Tegucigalpa ist eine Villa mit recht schönem
Ausblick, die über drei bemannte Sicherheitsschleusen zugänglich
ist. Wir werden empfangen von den beiden Zuständigen für die
Entwicklungszusammenarbeit und vom Botschafter der EU, Ketil Karlsen.
Der Botschafter gibt seiner Erleichterung Ausdruck, dass wir nicht
wegen der Wahlen und der EU-Beobachtungsmission gekommen sind. Wir
wissen nicht genau, ob er unseren offenen Brief an die
EU-Beobachtungsmission gelesen hat, aber seiner Mitarbeiterin ist
anzumerken, dass sie über die Frage nach dem Projekt zur Stärkung
des Sicherheitssektors PASS nicht gerade begeistert ist. Der
Botschafter würde eigentlich gerne mit uns über die Menschenrechte
sprechen, immerhin sind wir ja eine Menschenrechtsdelegation, und er
hat seinerseits auch schon gewisse Anstrengungen in diesem Bereich
unternommen, indem er in einem Brief an die honduranische Regierung
zu den Fällen des Campesino-Rechtsanwaltes Trejo, der Entführung
zweier europäischer Menschenrechtsbeobachter_innen in Nueva
Esperanza und der Bedrohung der COPINH-Direktorin Berta Caceres
Stellung bezog. Angesichts dessen, was wir von den Regierungen
nördlicher Länder kennen, ist das schon eine erfrischende
Information. Unsere Fragen beziehen sich aber auf andere Aktivitäten
der EU.
Wir möchten gerne wissen, wie sich das
Assoziierungsabkommen EU-Zentralamerika (AdA) entwickelt hat, der
Teil zum Handel ist ja bereits im August in kraft getreten. Natürlich
sei es noch viel zu früh um etwas Substantielles zu sagen, meinen
unsere Gesprächspartner, aber im Grunde sei doch in Honduras nicht
viel los für die EU. Die einzige wirkliche Änderung gegenüber den
Handelsbestimmungen des Vorläuferabkommens SGB+ sei die Möglichkeit,
Zucker in die EU einzuführen, von der auch bereits Gebrauch gemacht
werde. Bei den Hauptausfuhrprodukten Kaffee und Krabben sei der
Export gleich geblieben. Wir erfahren, dass für eine Übergangszeit
die Bestimmungen des SGB+ und des AdA parallel gelten werden, und
dass die Importe der EU nach Honduras bedeutungslos seien,
gleichermaßen das Interesse an Investitionen europäischer Konzerne
und der Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen. Honduras sei
dafür einfach zu schlecht aufgestellt, dem Land mangele es an allem,
was für ein gutes Investitionsklima wichtig sei: Ausbildung,
physiche Sicherheit, Rechtssicherheit, Infrastruktur. Auch in der
Wachstumsbranche erneuerbare Energie seien europäische Unternehmen
kaum beteiligt, mit Ausnahme des Windparks Cerro de Hula, an dem
Siemens beteiligt sei. Die Minen seien in kanadischer, die
Staudammprojekte in lokaler und chinesischer Hand.
Ob diese Informationen so stimmen? Aus
anderer Quelle erfahren wir, dass die EU sehr wohl ein Interesse an
der strategischen Ressource Wasser hat, die in Honduras reichlich
vorhanden ist. Unsere Gesprächspartner sind aber offensichtlich auch
nicht in der Stimmung, ausgerechnet uns gegenüber über die
wirtschaftlichen Interessen der EU zu berichten.
Auch für die beiden weiteren Achsen
des AdA, dem politischen Dialog und der Entwicklungszusammenarbeit,
erwarten die EU-Vertreter_innen keine großen Neuerungen. Diese
Arbeitsfelder bestehen ja bereits, und mit dem endgültigen
Inkrafttreten des AdA würden sie nur „miteinander in Kohärenz
gebracht“.
Im Bereich des politischen Dialogs
erwähnt der Botschafter das Abkommen FLEGT zum Schutz der Wälder
und die Initiative EITI für Transparenz in Bezug auf die Finanzen
von Minenprojekten.
Wir wenden uns dem PASS zu, einem
Projekt europäischer Entwicklungszusammenarbeit, in dessen Rahmen 44
Mio Euro im Zeitraum 2007-13 für die Stärkung des honduranischen
Sicherheitssektors ausgegeben werden. Auf Staatsanwaltschaft und
Polizei entfielen dabei € 9 Mio im Zeitraum 2008-September 2014
(sic). Davon seien bereits € 7,5 Mio ausgegeben, und zwar für
Ausrüstung in den Bereichen Tatortsicherung, Forensik,
Alkoholtester, Geschwindigkeitsmesser, Warnwesten, Sicherheit von
Richtern und Staatsanwält_innen, Kommunikation. Vanessa Valladares,
verantwortlich für die Durchführung des Programms, erwähnt
ungefragt, dass keine zur Repression geeignete Ausrüstung gekauft
werden darf. Des weiteren umfasse das Programm ein
Ausbildungsprogramm „entre pares“, d.h. Europäische
Polizist_innen bilden honduranische aus, europäische
Staatsanwält_innen honduranische usw. Dabei ginge es um die Bereiche
Beweissicherung, Behandlung von Personen, Verkehrsunfälle,
allgemeine Ausbildung. Valladares und ihr Vorgesetzter, Laurent
Sillano, sind sichtlich genervt bei der Beschreibung des Programms
und verweisen immer wieder auf die ausführliche Dokumentation des
Programms auf dessen Webseite. Wir wollen wissen, ob sie zufrieden
sind. Natürlich, antwortet Sillano, aber das Programm sei aufgrund
der Entwicklungen auf der honduranischen Seite immer wieder gestört
worden: Zuerst durch den Putsch, wo sämtliche
Entwicklungszusammenarbeit suspendiert wurde. Dann durch die
angekündigte Reform der Polizei, wobei aber die Empfehlungen der
zuständigen Kommission wiederum nicht umgesetzt worden seien, und
zuletzt habe man über die Stärkung der kommunitären Polizei
gesprochen, dann aber die Militärpolizei eingeführt. Da habe man
sich jeweils anpassen müssen. Der Botschafter greift ein: Natürlich
könne man PASS nicht als Erfolg bewerten, da die Straflosigkeit
ebensowenig wie die Gewalt im Lande gesunken sei. Das sei aber nicht
dem Programm, sondern den fatalen äußeren Umständen geschuldet.
Das sehen wir ganz ähnlich und wollen deshalb wissen, warum man
nicht das Programm gestoppt habe, bis die Reform („depuración“)
der Polizei abgeschlossen gewesen sei. Das sei technisch nicht
möglich, und hätte bei dem Finanzvolumen des Projekts auch keine
sanktionierende Kraft gehabt, bekommen wir zur Antwort. Unsere
Gesprächspartner sind bereits ziemlich unruhig. Das Programm gehe ja
noch bis September 2014, dann wolle man mit einem weiteren Programm
zur Stärkung der Justiz namens Eurojusticia weitermachen. Ob es ein
Nachfolgeprojekt geben solle, das wolle man erst nach dessen
Abschluss 2017 entscheiden.
Unserer Einschätzung nach hätte
dieses Projekt nach dem Putsch 2009 nicht wieder anlaufen dürfen.
Die honduranische Polizei ist in Dutzende schwere
Menschenrechtsverletzungen nach dem Putsch verwickelt, eingeschlossen
Folter und Exekutierungen. In der seitdem stark polarisierten
honduranischen Gesellschaft sprechen unzählige Beispiele dafür,
dass die Polizei die Interessen der Oligarchie gegen die sozialen
Bewegungen verteidigt. Die Straflosigkeit der weit über 200
politischen Morde ist nicht der mangelnden Ausrüstung oder Kompetenz
der Staatsanwaltschaften und Polizei geschuldet, sondern deren
Unterordnung unter die Interessen der Machtcliquen um
Großgrundbesitzer und Drogenhändler.
Das wissen auch die Mitarbeiter_innen
von der EU-Botschaft. Obwohl wir sie mit diesen Bedenken gar nicht
konfrontiert haben, verlässt Vanessa Valladares den Raum ohne sich
zu verabschieden.