Samstag, 1. August 2020

Steht hinter dem Verschwinden von Personen in Honduras ein System?



Angehörige von Ofraneh protestieren gegen das gewaltsame
Verschwindenlassen, Quelle: TSUR
Triunfo de la Cruz. Zwei Wochen nach dem gewaltsamen Verschwinden von Alberth Sneider Centeno, Milton Martínez Álvarez, Suami Mejía García, Gerardo Róchez Cálix und Junior Rafael Juárez Mejía aus Triunfo de la Cruz fehlt von den Männern weiter jede Spur. Der Vorfall ereignete sich nahe einer an der Karibikküste von Honduras gelegenen Garífuna-Gemeinde. Die Garífuna sind Nachfahren westafrikanischer Versklavter und Arawak-Indigener.
 

Centeno ist Präsident der gewählten Gemeindevertretung von Triunfo und wie Martínez, Mejía und Róchez aktiv in der Garífuna-Organisation Ofraneh. Sie engagierten sich für die Rückgabe von Grundstücken, die rechtmäßig zum kollektiven Besitz der Gemeinde gehören. Das Anliegen folgt einem Urteil des Interamerikanischen Gerichtshofs (IAG) aus dem Jahr 2015. Mit Aktionen auf der Straße und in sozialen Medien fordern Ofraneh wie auch weitere Menschenrechtsorganisationen, dass die Entführten ihrer Gemeinde und ihren Familien lebendig zurückgegeben werden.

Dass die fünf jungen Männer am 18. Juli allerdings nicht einfach von Kriminellen entführt wurden, sondern dass hier von gewaltsamem Verschwindenlassen die Rede sein muss, machten Ofraneh, die Koalition gegen die Straflosigkeit, die Breite Bewegung für Würde und Gerechtigkeit (MADJ), das Komitee der Verhaftet-Verschwundenen (Cofadeh) sowie der Jesuitenpater Ismael Moreno in einer gemeinsamen Pressekonferenz deutlich.

Die Verschwundenen waren am frühen Morgen von bewaffneten Männern, die Westen der Ermittlungspolizei (Dirección Policial de Investigación, DPI) trugen, aus ihren Häusern geholt worden. "Sie wurden an einem Tag aus ihren Häusern entführt, an dem eigentlich niemand auf der Straße unterwegs sein sollte. Nur die Vertreter der Staatsgewalt, die Polizei und das Militär, dürfen sich an einem frühen Samstagmorgen auf der Straße bewegen", gibt die Koordinatorin von Ofraneh, Miriam Miranda, zu Bedenken.

Zehn Tage später sei seitens der Ermittlungsbehörden nicht mehr von Polizeiwesten geredet worden, so Miranda. Wenig plausibel sei, dass angeblich Ausweise von Centeno und Martínez fernab der Gemeinde gefunden wurden, obwohl die Entführer die Männer aus dem Bett holten und diese kaum bekleidet waren. Auch nach der mutmaßlichen Entführung seien noch Autos ohne Nummernschilder durch Triunfo gefahren, die die Bewohner in Furcht versetzten.

Gewalt und Einschüchterung sieht Miranda in einem klaren Zusammenhang mit der Weigerung des honduranischen Staates, das einschlägige Urteil des IAG, dass der Gemeinde ihr kollektiver Landbesitz zurückzugeben sei, umzusetzen. Der Staat habe "im Gegenteil seine Allianz mit kriminellen Strukturen aktiviert, um die Führungspersonen der Garífuna-Gemeinden auszuspionieren, zu verfolgen, entführen und verschwinden zu lassen und zu ermorden", schreibt Ofraneh in einer Pressemitteilung. Nach Informationen der Organisation planten die Ermittlungsbehörden, den bisher einzigen verhafteten Verdächtigen wieder auf freien Fuß zu setzen, obwohl es hinreichend Beweise gegen ihn gäbe.

Bertha Oliva, Koordinatorin von Cofadeh, erklärte: "Die Gewalt gegen die Garífuna und ihre Führungspersonen folgt einem System“. Das Ziel, die Garífuna von ihrem Land zu vertreiben, habe einen rassistischen Kontext. Es sei nicht unwahrscheinlich, dass Todesschwadronen für das Verschwinden verantwortlich sind, so die Koordinatorin. "Die Todesschwadronen waren 2009 beim Putsch am Werk, bei der illegalen Wiederwahl [von Juan Orlando Hernández; Anm. d. Verf.], die mit Verschwundenen einherging, sie gingen gegen die Plattform für Bildung und Gesundheit vor und sie sind jetzt aktiv.“ Seit 40 Jahren habe der Staat keine Bestrebungen gezeigt, die Todesschwadronen aufzulösen und Schuldige zu bestrafen, und heute würden sie reaktiviert, beurteilte Olivia die Hintergründe.