Die Elite hat eine Hass- und Angstkampagne geführt, die zögerliche Wähler:innen entmutigen soll, für das progressive Bündnis von Xiomara Castro zu stimmen
Was das Kräfteverhältnis angeht, könnte man sagen, dass das Oppositionsbündnis gute Chancen hätte. Neben der linken Partei Libertad y Refundación (Libre) und der konservativ-liberalen Partei Salvador de Honduras (PSH) haben sich auch Führungspersönlichkeiten der liberalen Partei (PLH) und der unabhängige Kandidat Milton Benítez dem Bündnis angeschlossen. In diesem Bündnis sind auch Teile der Privatwirtschaft eingebunden, die sich von Präsident Juan Orlando Hernández distanziert haben.
Der herrschenden Elite, eine Mafia von korrupten Drogenhändlern, ist es gelungen, einige Themen in ihre Kampagne aufzunehmen, wie die Abtreibung unter Berücksichtigung der drei Gründe, Fragen der territorialen und bäuerlichen Bewegungen, Konzessionen. In Wirklichkeit hat sie jedoch kein Programm. Sie hat den drohenden Kommunismus und die Frage der Abtreibung mit recht harschen Botschaften thematisiert. Sie hat eine Hass- und Angstkampagne geführt, die darauf abzielt, zögerliche Wähler:innen zu entmutigen, für das Wahlbündnis unter Führung von Xiomara Castro, Präsidentschaftskandidatin von Libre, zu stimmen.
Mit dem Wahlbündnis hält Castro einen Vorsprung vor Nasry Asfura, Kandidat der regierenden Parteil (PNH), der vorher in den Umfragen immer vor Castro lag. In der jüngsten Umfrage sprachen sich jedoch 38 Prozent der Befragten für Castro mit ihrem Wahlbündnis und nur 21 Prozent für Asfura aus. Es dürfte für die PNH schwieriger sein diese Wahl zu gewinnen.
Es gibt das Szenarium, dass das Regime mit Nasry Asfura an der Spitze fortgesetzt wird, entweder durch eine rechtmäßig gewonnene Wahl oder durch Wahlbetrug. Letzteres würde die institutionelle Krise weiter verschärfen. Die honduranische Verfassung sieht vor, dass die Zuständigkeit für den Fall, dass der Nationale Wahlrat (CNE) nicht in der Lage ist, ein Ergebnis zu veröffentlichen, auf den Nationalkongress übergeht. Es ist ungewiss, welche Position der Nationale Wahlrat am 28. haben wird.
Ein weiteres Szenarium wäre der Triumph der Opposition. Die PNH verliert, weil sie aufgrund einer Reihe von Blockaden, die dieses Regime hinterlassen hat, keine Mehrheit im Kongress mehr haben wird. Dies eröffnet die Möglichkeit, Demokratie zu etablieren, und leitet grundlegende Reformen ein, um den Verfall der Rechtsstaatlichkeit und der öffentlichen Freiheiten umzukehren. Wir können auf die 1990er Jahre zurückblicken, wo wir eine Art demokratischen Frühling erlebten, als das Militär den zivilen Kräfte untergeordnet wurde, der Wehrdienst und eine Reihe repressiver Organe abgeschafft wurden, beispielsweise der Geheimdienst.
Mehr als 70 Prozent der Bevölkerung sind arm. Es wird zur Vorwahlzeit immer wieder beobachtet, dass Beutel mit Lebensmitteln oder Zinkbleche für Dächer in der Vorwahlzeit durch die Regierungspartei verteilt wurden, was einem Stimmenkauf gleichkommt. Was konnten Sie zu diesen Unregelmäßigkeiten beobachten?
Leider hat sich diese Praxis institutionalisiert. Beispielsweise wurde im Oktober eine einzigartige Anleihe der Zentralamerikanischen Bank für wirtschaftliche Integration (BCIE) genehmigt, die ich als Bono Centenario bezeichne. Das ist ein Darlehen in Höhe von 70 Millionen Dollar, also ca. 1,6 Milliarden Lempiras für 170.000 Familien. Das sind 7.000 Lempiras pro Haushalt, die direkt in bar ausgeteilt werden.
Dies ist ein außerordentlicher Missbrauch öffentlicher Mittel. Ein Prozess, der weit von den gleichberechtigten internationalen Standards entfernt ist.
Ich möchte jedoch betonen, dass die Politik der Sozialhilfe dauerhaft betrieben wird und somit nicht nur auf die Wahlperiode zurückzuführen ist. Dabei hat die PNH eine soziale Basis aufgebaut, die von den Familienvorständen geleitet wird und in den Dörfern angesiedelt ist. Sie haben eine nationale und lokale Struktur, die dafür sorgt, dass diese Art von Projekten ständig diejenigen erreicht, die als der PNH gleichgesinnt gelten oder nach Wegen suchen, sie für sich zu gewinnen.
Aktuell herrscht wegen der anhaltenden Gewalt gegen Kandidat:innen oder ihre Familien, mit mehr als 30 Ermordeten, ein Klima der Angst. Der Wahlkampf führte zu einer starken Polarisierung. Das Innenministerium gab nun bekannt, dass die Polizei ab November eine Gehaltserhöhung von 900 Lempiras erhalten wird. Im Jahr 2017 haben die Streitkräfte mit brutaler Gewalt die Demonstrant:innen vorgegangen. Wie werden sich Polizei und Militär verhalten?
Ja, das ist alarmierend. Und es sind nicht nur 900 Lempiras. Es ist auch von einem Bonus die Rede, die sie wegen ihrer Anstrengungen im Wahlprozess erhalten werden.
Mir liegt ein Aktenvermerk der Nationalen Direktion für Prävention und kommunale Sicherheit vom 17. November 2021 vor, der über die logistische Ausrüstung der Polizei in Comayagua Auskunft gibt. Die Rede ist von 400 Tränengasgranaten, 100 Gasgranaten für Gewehre, 300 Gummigeschosse. Ich stelle mir vor, dass dies landesweit geliefert wird.
Es zeigt also, dass eine Konfrontation angestrebt wird. Sie bereiten sich auf ein Szenario wie im Jahr 2017 oder Schlimmeres vor.
Die Menschenrechte sind ernsthaft bedroht, vor allem weil die bürgerlichen Freiheiten durch die jüngste Reform des Strafgesetzbuchs, in dem friedliche Proteste praktisch nicht mehr möglich sind, gefährdet sind. Wenn also zwei oder mehr Personen eine öffentliche Straße blockieren oder ein öffentliches Gebäude besetzen, so wird dies als widerrechtliche Aneignung öffentlicher Verkehrswege eingestuft und mit zehn Jahren Gefängnis bestraft. Und das beinahe ohne die Notwendigkeit, dies zu beweisen, einfach weil sie verhaftet wurden.
In den zwölf Jahren seit dem Putsch ist das Militär eine der Säulen dieser autoritären Regierungen und es kam zu einer Remilitarisierung der Gesellschaft. Weder Risse noch demokratisch-konstitutionelle Strömungen sind im Militär zu sehen. Es scheint ein homogener Block zu sein, der das Regime unterstützt. Falls es zu einem erneuten Wahlbetrug kommt, werden die bewaffneten Kräfte keine andere Rolle als 2017 spielen.
Nach der Stimmenabgabe im Jahr 2017 fiel das Computersystem für mehr als 30 Stunden aus, und mit dem Neustart war plötzlich der Wahltrend geändert. Experten der Georgetown University haben dies untersucht und stellten fest, dass massiv Stimmen zugunsten der PNH ins System eingegeben wurden. Wie sicher ist das aktuelle Computersystem zur Übertragung der Ergebnisse?
Die Regierungspartei hat alles in ihrer Macht stehende getan, um das Inkrafttreten eines neuen Wahlgesetzes zu verhindern. Es wurde erst im Mai dieses Jahres genehmigt, so dass die Vorwahlen im März 2021 ohne Wahlgesetz stattfanden.
Der Plan war, die Ergebnisse von allen 18.000 Wahllokalen an das System zu übermitteln. Mit der Verzögerung bei der Auftragsvergabe an ein Unternehmen, das den Dienst erbringen soll, kam ein Plan B auf. Der besagt nun, dass die Protokolle nicht mehr von den einzelnen Wahllokalen, sondern von den mehr als 5.000 Wahlzentren, die mehrere Wahlurnen zusammenfassen, in das System übermittelt werden. Vor einigen Tagen wurde zum ersten Mal die Übermittlung vorläufiger Wahlergebnisse getestet, bei der es jedoch zu einer Reihe von technischen Problemen kam.
Vor vier Jahren erklärte Heide Fulton, die Geschäftsträgerin der US-Botschaft, Juan Orlando Hernández nach mehr als drei Wochen der Ungewissheit zum Sieger. Welche Rolle wird die Regierung unter Präsident Joe Biden spielen?
29 US-Kongressmitglieder haben sich an das US-Außenministerium gewandt und fordern eine neutrale glaubwürdige und beobachtende Rolle für die Einhaltung der Menschenrechte der honduranischen Bevölkerung und ein transparentes Ergebnis sowie den Willen der Bürger:innen an der Wahlurne zu respektieren. Der Druck ist groß, den es 2017 nicht gab. Tatsächlich gibt es derzeit keinen offiziellen Botschafter oder Botschafterin.
Die Zeichen sind verwirrend, denn die USA befindet sich in Bezug auf ihre Hegemonie in ihrem Hinterhof oder Zentralamerika in einer unangenehmen Lage. Nicaragua vollzog praktisch einen vollständigen Bruch mit Washington. Präsident Nayib Bukele in El Salvador hat eine autonome Position, die sehr eng mit seinen Beziehungen zu China verbunden ist. Seine Politik gefällt der US-Regierung nicht und fordert sie heraus. Auch in Guatemala ist es mit Präsident Alejandro Gianmattei kompliziert, da sie Juan Sandoval, den übrig gebliebenen Ankläger der UN-Kommission gegen Straflosigkeit, verteidigten, der strafrechtlich verfolgt würde, wäre er nicht in die USA gegangen.
Und Honduras wird kontrolliert durch eine korrupte Elite, die auf diversen US-Listen mit korrupten hohen Funktionär:innen Zentralamerikas erscheinen. Jedoch zeigt sie sich unbeeindruckt davon, hat sich neu ausgerichtet und agiert in einem untergeordneten Verhältnis als Juniorpartner von transnationalen Unternehmen. Sie hat sich jedoch auch den Weisungen Washingtons untergeordnet. Sie schuf ein Umfeld, in dem sich der Drogenhandel ausbreiten konnte, der mit dem Staatsstreich 2009 an Kraft gewann. Diese Elite hat ihr Kapital mit staatlicher Korruption und staatlichen Mitteln bezogen, wie die Internationale Mission gegen Korruption und Straflosigkeit in Honduras dokumentiert. Ich weiß nicht, auf wie viel Kontinuität die US-Administration mit der Nationalen Partei noch setzen wird.