Ermittlungen sollen klären, ob Gelder der FMO für illegale Aktivitäten verwendet wurden, möglicherweise sogar für die Finanzierung des Auftragsmordes
Amsterdam. Die halbstaatliche niederländische Entwicklungsbank FMO soll Millionentransfers für den Bau des umstrittenen Wasserkraftwerks Agua Zarca im westlichen Hochland von Honduras geleistet haben, ohne ausreichend zu überprüfen, an wen das Geld ging und was damit passierte.
Nach Ansicht der niederländischen Rechtsanwälte Wout Albers und Ron Rosenhart Rodrígue deuten zahlreiche Indizien darauf hin, dass beträchtliche Summen für illegale Aktivitäten verwendet wurden, möglicherweise sogar für Finanzierung des Auftragsmordes an der Umwelt- und Menschenrechtsaktivistin Berta Cáceres.
Cáceres hatte sich mit der indigenen Organisation COPINH und betroffenen Gemeinden gegen den Bau des Wasserkraftwerks eingesetzt und die Entwicklungsbank bereits 2013 in einem Brief vor einer Unterstützung des Projektes gewarnt.
Der zweifelhafte Ruf des honduranischen Unternehmens Desarollos Energéticos S.A. (Desa) und Hinweise auf eine irreguläre Vergabe der Konzession für Agua Zarca waren schon damals bekannt. Zudem waren bereits mehrere Kraftwerksgegner:innen getötet worden, darunter 2013 die Führungsperson der indigenen Lenca vor Ort, Tomás García. Dies hatte zum Ausstieg des chinesischen Staudamm-Konzerns Sinohydro geführt. Die FMO unterzeichnete 2014 dennoch einen Kreditvertrag über 15 Millionen US-Dollar und verteidigte das Projekt weiter.
Der Konflikt verschärfte sich und Cáceres wurde in der Nacht vom 2. auf den 3. März 2016 in ihrem Haus erschossen. Der Desa-Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzende, David Castillo, wurde kürzlich zu 22 Jahren und sechs Monaten Haft wegen Mittäterschaft an dem Mord verurteilt. Vier Auftragsmörder und drei Mittelsmänner, darunter der Desa-Manager Sergio Rodríguez, verbüßen seit 2018 langjährige Haftstrafen.
Angehörige von Caceres und COPINH fordern seit Jahren Ermittlungen gegen die Auftraggeber des Verbrechens. Chatprotokolle aus dem Prozess gegen Castillo deuten daraufhin, dass sie bei den Miteigentümern und Aufsichtsratsmitgliedern der Desa zu finden sein könnten, die alle aus der mächtigen Unternehmer- und Bankiersfamilie Atala stammen.
Bertha Zúniga, Cáceres‘ Tochter und Nachfolgerin an der Spitze des COPINH hat nun am 28. Juni bei der Staatsanwaltschaft in Amsterdam Anzeige gegen die FMO erstattet, ebenso gegen deren Spitzenmanager Nanno Kleiterp (Ehrenpräsident der Europäischen Institutionen für Entwicklungsfinanzierung), Jürgen Rigterink (erster Vizepräsident der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung) und Linda Broekhuizen (ehemalige Interimsgeschäftsführerin der FMO), sowie weitere Führungskräfte. Die FMO ist zu 51 Prozent im Besitz des niederländischen Staates.
COPINH hatte bereits im Mai 2018 ein zivilrechtliches Verfahren gegen die FMO eingeleitet, in dem es unter anderem um Schadensersatz für die Organisation und die betroffenen indigenen Gemeinden geht. Die FMO strebte eine gütliche Einigung an und antwortete im Mai 2019 auf die Zivilklage mit einem 676-seitigem Dokument mit 151 Anhängen.
Aus der Analyse dieser Unterlagen durch das niederländische Anwaltsbüro Global Justice Association ergibt sich in Kombination mit US-Dokumenten und Hinweisen aus dem Prozess gegen Castillo der Verdacht auf eine mögliche Verbindung zu illegalen Aktivitäten rund um den Kraftwerksbau.
Die US-amerikanische Investigativ-Webseite The Intercept veröffentlichte kurz vor der Bekanntgabe der Strafanzeige Kopien und eine ausführliche Analyse der Überweisungen, die FMO getätigt hat. Demnach gab die Bank in mindestens vier Fällen Gelder an Concasa frei, ein Bauunternehmen Castillos. Dies habe eigentlich auffallen müssen, da ein anderes Unternehmen als Zahlungsempfänger angegeben war. Die Zahlung erfolgte jeweils über ein Offshore-Konto bei der Deutschen Bank in New York.
Zwei Tage vor dem Auftragsmord an Cáceres wurden nach einer Anforderung des Desa-Finanzchefs Daniel Atala Midence gut 1,7 Millionen US-Dollar freigegeben. In einer WhatsApp-Nachricht, die aus dem Prozess gegen Castillo bekannt ist, teilte dieser kurz darauf dem Koordinator des Killerkommandos mit, dass die Zahlung bevorstehe, weil "der von uns angeforderte Kredit verfügbar ist".
Es ist nicht bekannt, so der Intercept-Bericht, ob sich Castillo damit auf die an Concasa überwiesene Summe bezog. Bekannt ist jedoch, dass es zuvor per Chat Klagen über fehlendes Geld für die Auftragsmörder und ihre Logistik gegeben hatte. Die Webseite zitiert Anwalt Wout Albers mit den Worten: "Nach der Zahlung, die von der FMO genehmigt und von der Deutschen Bank als Offshore-Bank durchgeführt wurde, hatten sie es."
Zwei von The Intercept befragte US-Rechtsanwältin:innen halten für denkbar, dass auch die Deutsche Bank Sorgfaltspflichten verletzt habe könnte. Schließlich sei Honduras in den USA offiziell als "besorgniserregend" in Sachen Geldwäsche und finanzielle Straftaten eingestuft worden.
Auf Anfrage von amerika21 teilte die Deutsche Bank in New York mit, man gebe keinen Kommentar zu dem Fall ab.
Die Bauarbeiten für das Wasserkraftwerk Agua Zarca wurden 2016 nach dem Mord an Cáceres eingestellt. Die FMO und die weiteren Finanzgeber, der Finnische Fonds für industrielle Zusammenarbeit Ltd und die Zentralamerikanische Bank für Wirtschaftsintegration, zogen sich 2017 aus dem Projekt zurück.
Die 50-jährige Konzession am Gualcarque-Fluss besteht jedoch weiter. Soweit bekannt, liegen die Rechte nun beim Vermögensverwalter Swiss International Wealth Management AG im schweizerischen Zug.