Dienstag, 10. Juli 2012

Von der JournalistInnen-Delegation 2012 - Bericht 3


La Esperanza
„Muuuuuoh, muuuuoh“ - das ist das erste, was ich höre, als ich am ersten Morgen nach unserer Ankunft in La Esperanza aufwache. Wir sind zu dritt in „Utopia“ untergebracht, einem Bildungszentrum der indigenen Organisation COPINH, wenige Kilometer von La Esperanza entfernt. Ringsherum liegen saftig grüne Wiesen, die von hübschen schwarzweißen oder braunen Milchkühen beweidet werden. Mittendrin ein Sendemast: das Signal des Radios La Voz Lenca wird hier verstärkt und weitergeleitet, so dass es bis zur Grenze von El Salvador zu hören ist. 

Außer einem großen, überdachten Versammlungsort unter freiem Himmel, den kürzlich 350 VertreterInnen indigener Gruppen für ein Treffen genutzt haben, gibt es mehrere Schlafsäle und Seminarräume. An diesem Wochenende finden ein Theaterworkshop und ein Krankenpflegekurs statt. Neben dem Innenhof voller blühender Büsche türmen sich Matratzen meterhoch bis zur Decke, dieser Ort wird von zahlreichen Menschen genutzt, das ist zu spüren.
Gekocht wird auf einem traditionellen Holzofen neben dem Haus, die Tortillas für das Frühstück werden direkt auf der heißen Metallplatte geröstet und der Kaffee in großen Töpfen für alle gemeinsam mit Zucker aufgekocht. Neben dem Ofen lauern die Kätzchen auf das, was daneben fällt. Und was diese übriglassen, picken die Hühner auf.
Am späten Samstagvormittag treffen wir in La Esperanza zum ersten Mal die MitarbeiterInnen und RadiomacherInnen von COPINH. Etwas außerhalb der Kleinstadt hat COPINH inzwischen ein eigenes Haus, in dem die Organisation und das Radio gemanagt werden. Das Programm von La Voz Lenca läuft täglich von fünf Uhr morgens bis neun Uhr abends, auch am Wochenende, dann werden allerdings nur Musik und vorproduzierte Textblöcke gesendet. Als wir uns im Studio niederlassen, spielt Oved honduranischen Reggae vom Feinsten von „Sol Caracol“ und anschließend einen Wortbeitrag zum Thema Frauenrechte. Auch die Delegation ist an diesem Morgen ein Thema, Andrea wird spontan zum Zweck unserer Reise interviewt.
Immer wieder erhalten wir Informationen, aus denen die Repression in Honduras deutlich wird – auch wenn sie für uns im Alltag bisher so gut wie gar nicht spürbar ist. Am 1. Juli 2012 hatte die neugegründete Partei LIBRE mit ihrer Kandidatin Xiomara Castro, der Ehefrau des weggeputschten Präsidenten „Mel“ Zelaya, den Auftakt ihrer Präsidentschaftskampagne in Santa Barbara. Ein Theatermacher von den Artistas en Resistencia, den wir treffen, erzählt uns, dass Tausende nach Santa Barbara gekommen sind. Er schätzt, dass es 150.000 Menschen waren, viele von ihnen sind gelaufen, andere gar nicht durchgekommen. Niemals zuvor habe es eine so große politische Versammlung in Honduras gegeben, aber diese sei von den traditionellen Medien einfach totgeschwiegen oder kleingeredet worden. Er zeigt uns die Fotos, die er in Santa Barbara gemacht hat: ein Meer roter Fahnen und wirklich sehr, sehr viele Menschen – seine Version der Geschichte scheint zu stimmen.