Montag, 29. Juli 2013

Internationale MenschenrechtsverteidigerInnen in Honduras von bewaffneten Männer einer Minengesellschaft entführt

Am 25. Juli 2013 waren zwei internationale MenschenrechtsbegleiterInnen französischer und Schweizer Nationalität von PROAH (Proyecto de Acompañamiento Internacional en Honduras)[1] für zweieinhalb Stunden in der Gewalt von bewaffneten Männern in der Comunidad La Nueva Esperanza im Norden von Honduras. Bei den Männern handelte es sich um Angestellte von Lenir Pérez, dem Besitzer der Minengesellschaft Minerales Victoria. Sie befinden sich nun schon seit etwa zwei Monaten in dieser Comunidad von SubsistenzbäuerInnen im Departement Atlántida, terrorisieren die Bevölkerung und bedrohen diese BewohnerInnen, die ihr Land nicht an die Minengesellschaft verkaufen wollen.
Das Festhalten unter Waffengewalt von internationalen MenschenrechtsbeobachterInnen ist ein weiteres Beispiel der Ernsthaftigkeit der Situation in La Nueva Esperanza. Die Bevölkerung ist täglich ihrer Hilflosigkeit ausgesetzt und leidet an Einschüchterungen aufgrund ihres friedlichen Protestes gegen ein Minenprojekt, das gegen ihren Willen und ohne ihre Konsultation beschlossen wurde.[2] Die Bedrohungen haben ein solches Ausmass angenommen, dass schon mehrere BewohnerInnen aus ihren Häuser fliehen mussten.


Konfrontiert mit dieser Situation und Aufgrund von Anfragen von BewohnerInnen aus La Nueva Esperanza, unterstützt PROAH diese mittels Diffusion von Informationen und Eilaktionen auf internationaler Ebene. Zusätzlich besuchten wir die Comunidad mehrmals, um uns selbst ein Bild vor Ort zu machen.
Am 24. Juli verbrachten die zwei Freiwilligen von PROAH die Nacht bei einer Familie in der Comunidad El Zapote, nahe La Nueva Esperanza. Die Familie wurde begleitet aufgrund der Drohungen, welche sie bekamen, damit sie ihr Land an Lenir Pérez verkaufen würden.[3] Am nächsten Morgen um 9 Uhr kamen sieben schwer bewaffnete Männern zum Haus und bedrohten die zwei MenschenrechtsbegleiterInnen mit ihren Gewehren, gefolgt von weiteren 25-30 mit Macheten bewaffneten Männer. Bei diesen handelte es sich um Arbeiter der Minengesellschaft und sie wurden angeführt von einem Mann namens Wilfredo Funes. Dieser sagte zu den MenschenrechtsbegleiterInnen, dass sie zu gehen haben, da sie die Arbeit der Männer aufhalten würden. Die Freiwilligen von PROAH erklärten ihnen, dass sie internationale MenschenrechtsbeobachterInnen seien. In diesem Moment klingelte das Telefon von Wilfredo Funes und er sagte, dass der „Chef“ mit den MenschenrechtsbegleiterInnen sprechen möchte. Als sie fragten, ob es sich um Lenir Pérez handelte, zeigte sich Funes überrascht und fragte: „Warum wisst ihr das?“ Als er dann das Telefon ihnen überreicht, hängte die Person am anderen Ende auf. Weitere bewaffnete Männer (laut Aussagen der Bevölkerung vor Ort hat es insgesamt 12) verfolgten zu dieser Zeit den Besitzer des Hauses und schossen auf ihn. Er kam unverletzt beim Haus an, verfolgt von jenen.
Mehr als eine Stunde später zwang der Anführer der bewaffneten Männer die Freiwilligen von PROAH das Grundstück zu verlassen und drohte mit Gewalt, falls sie nicht gehorchten. Zudem sagte er noch, dass sie „im Wald verschwinden würden“, falls sie jemals wieder da auftauchten. Er zwang sie darauf hin eine halbe Stunde lang Richtung La Nueva Esperanza zu laufen, umzingelt von den mit Gewehren und Macheten bewaffneten Männern, welche die französische Menschenrechtsbegleiterin mit sexuellen Kommentaren einschüchterten. Angekommen bei einen Haus, löschten die Männer die Fotos der MenschenrechtsbegleiterInnen. Danach wurden sie gezwungen in einen Pick-up einzusteigen, mit drei bewaffneten Männer auf der Ladefläche und einem Ingenieur und Wilfredo Funes auf den vorderen Sitzen. Bevor sie freigelassen wurden, drohte ihnen Funes, dass der Bevölkerung von La Nueva Esperanza schlimme Sachen zustossen werden, falls sie über die Ereignisse berichten werden Um 11:30 Uhr wurden sie dann in der Comunidad Nueva Florida freigelassen, nach zweieinhalb Stunden in Gewalt der Männer. Da warteten sie dann eine Stunde auf eine Polizeipatrouille, die sie schliesslich nach Tela brachte.
Ohne Zweifel war der Druck von COFADEH, PROAH und weiteren MenschenrechtsverteidigerInnen, welche die Ereignisse öffentlich anklagten und von den nationalen Autoritäten und dem diplomatischen Korps eine sofortige Intervention forderten, ein entscheidender Faktor in ihrer Freilassung
Es ist wichtig anzumerken, dass am Tag vorher die Freiwilligen von PROAH die Polizisten im Posten Buena Vista, der auf dem Weg zur Comunidad liegt, über ihre Präsenz informiert und sich als MenschenrechtsbeobachterInnen ausgewiesen hatten. Trotzdem fanden sich während der Tat keine Polizisten im Posten vor.
Ein Bewohner von La Nueva Esperanza informierte PROAH, dass in der Nacht nach der Entführung bewaffnete Männer der Minengesellschaft mit Motorrädern durch La Nueva Esperanza fuhren und in die Luft schossen. Zudem musste die Familie, in dessen Zuhause die MenschenrechtsbegleiterInnen die Nacht verbrachten, für ihre Sicherheit wegen aus der Comunidad fliehen.
Am 27. Juli formte sich eine Karawane von 250 nationalen und internationalen AktivistInnen, die La Nueva Esperanza besuchte um ihre Unterstützung auszudrücken.
Dieser Vorfall ist ein weiteres Beispiel für die Verfolgung der BewohnerInnen von La Nueva Esperanza und von MenschenrechtsbegleiterInnen im Allgemeinen. Zwei Anführer der Comunidad, César Alvarenga und Roberto García, Mitglieder der zivilgesellschaftlichen Organisation MADJ (Movimiento Amplio por la Dignidad y la Justicia) profitieren zurzeit von einem speziellen Schutz durch die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte (CIDH)[4], nachdem sie im August 2012 via Textnachrichten Todesdrohungen von Lenir Pérez bekamen.[5] Der guatemaltekische Priester César Espinoza, von der Pfarrei in Arizona, zu der die Comunidad gehört, hat sich schon länger für den Schutz von dieser eingesetzt und wurde auch Opfer von Drohungen im Januar 2013.[6] Es war vor allem wegen den Befürchtungen um ihn und der fehlenden Antwort der Behörden betreffend der Situation in La Nueva Esperanza, dass im Juni dieses Jahres die Diözese von La Ceiba ein Communiqué zu Bergbauaktivitäten in der Region veröffentlichte.[7]
Konfrontiert mit diesen Ereignissen bittet PORAH die internationale und nationale Gemeinschaft die honduranischen Behörden eindringlich aufzufordern:
  • Dass die bewaffneten Männer, welche die Minenarbeiten von Lenir Pérez bewachen, sofort aus dem Gebiet entfernt werden.
  • Dass eine sofortige, gründliche und unbefangene Untersuchung von den berichteten Tatsachen durchgeführt werden, die Resultate veröffentlich werden und die intelektuellen Urheber der Drohungen und Einschüchterungen gegenüber der Bevölkerung, die sich gegen die Mine wehren, und gegenüber weiteren MenschenrechtsverteidigerInnen, und der Entführung von den zwei Freiwilligen von PROAH vor Gericht erscheinen.
  • Dass die nötigen Massnahmen getroffen werden um die Belästigungen und Drohungen gegenüber der gesamten Bevölkerung von La Nueva Esperanza zu stoppen.
  • Dass dringende Massnahmen getroffen werden um die Erklärung über das Recht und die Verpflichtung von Einzelpersonen, Gruppen und Organen der Gesellschaft, die allgemein anerkannten Menschenrechte und Grundfreiheiten zu fördern und zu Schützen zu implementieren, welche von der Generalversammlung der Vereinten Nationen  am 9. Dezember 1998 angenommen wurde.
  • Dass die Umsetzung der angesprochenen Erkärung abgesichert wird, vor allem wenn es um den Schutz des Rechtes jeder Person geht „einzeln, wie auch in Gemeinschaft mit anderen, den Schutz und die Verwirklichung der Menschenrecht und Grundfreiheiten auf nationaler sowie internationale Ebene zu schützen.“
 27. Juli 2013

[1]               PROAH etablierte sich in Honduras am 1. September 2010 aufgrund der systematischen Angriffe auf MenschenrechtsverteidigerInnen. PROAH arbeitet unter der Annahme die fortsetzende Arbeit von MenschenrechtsverteidigerInnen oder deren Organisationen in schwierigen Situationen garantieren zu können. PROAH arbeitet mit der Schweizer Organisation Peace Watch Switzerland zusammen, die Freiwillige für Einsätze nach Honduras und andere Länder schickt. http://www.peacewatch.ch/
[4]              Sogenannte Medidas Cautelares
[6]              Ibid.

Aufrufe bitte an folgende nationalen Autoritäten:
Presidente de La Corte Suprema de Justicia
Jorge Alberto Rivera Avilés
Tel (504) 269-3000  269-3069
cedij@poderjudicial.gob.hn

Junta Interventora del Ministerio Público
Fax (504) 221-5667
Tel (504) 221-5670  221-3099

Secretaría de Justicia y Derechos Humanos
Ministra Abogada Ana Pineda
apineda@sjdh.gob.hn

Director del Instituto Hondureño de Geología y Minas
Lic. Aldo Francisco Santos Sosa
aldofss@yahoo.es

Ministro Secretaría Recursos Naturales
Abogado Rigoberto Cuellar
rigobertocuellar@hotmail.com

Comisionado Regional de Derechos Humanos
Abogado Juan José Arita
jujoa7@hotmail.com

Alcalde Municipal de Tela
Señor David Zaccaro
alcaldiadetela@yahoo.com y muni_tela@yahoo.com

Bitte schicken sie Kopien dieser Eilaktion an ihre Parlamentsabgeordnete zusammen mit Karten, die ihre Besorgnis über die Zuspitzung der Menschenrechtskrise in Honduras ausdrücken. Schicken sie auch Kopien von ihren Karten an die honduranischen Behörden, an die diplomatischen RepräsentantInnen von Honduras in ihren Ländern.