Von den vier afroindigene Aktivisten fehlt weiter jede Spur. Ofraneh und
Angehörige fordern sorgfältige Ermittlungen und Suche nach den
Verschwundenen
Von Jutta Blume amerika21
Tegucigalpa. Ein Jahr nach dem gewaltsamen
Verschwindenlassen von vier Männern aus der afroindigenen
Garífuna-Gemeinde Triunfo de la Cruz haben Demonstrierende am Dienstag
erneut Aufklärung und Gerechtigkeit gefordert.
Der Gemeindevorsteher Alberth Sneider Centeno sowie die Mitglieder
der Garífuna-Organisation Ofraneh, Gerardo Tróchez, Milton Martínez und
Suami Mejía waren am 18. Juli 2020 am frühen Morgen von rund 30
bewaffneten Männern, die sich als Polizisten zu erkennen gaben, aus
ihren Häusern geholt worden und sind seither verschwunden.
"Wir fordern, dass sie uns unsere Brüder zurückgeben!" sagte Miriam
Miranda, Koordinatorin von Ofraneh vor dem Gebäude der
Generalstaatsanwaltschaft in Tegucigalpa, begleitet von Sprechchören:
"Lebendig wurden sie uns genommen, lebendig wollen wir sie wieder
haben!"
Hunderte von Garífuna waren in die Hauptstadt gereist, um Antworten
von den honduranischen Ermittlungsbehörden einzufordern. "Von vier oder
fünf verschiedenen Staatsanwaltschaften hat jede ihre eigene Version",
so Miranda. Aus diesem Grund fordert Ofraneh nun die Berufung eines
Sonderstaatsanwalts für gewaltsames Verschwindenlassen. Bereits im
Februar riefen die Organisation und die Angehörigen der Verschwundenen
ein Garífuna-Komitee zur Ermittlung und Suche der Verschwundenen von
Triunfo de la Cruz (Sunla) ins Leben (amerika21 berichtete).
Die honduranischen Behörden haben bislang abgelehnt, das Komitee in
die Ermittlungen einzubinden, was gegen die international verbrieften
Rechte der Angehörigen von Opfern des gewaltsamen Verschwindenlassens
verstößt. Im Juni forderten über 200 nationale und internationale
Organisationen den honduranischen Staat in einem offenen Brief auf, mit
Sunla zusammenzuarbeiten, doch auch hierauf gab es keine Antworten.
Mit der Demonstration vor der Staatsanwaltschaft wiederholten die
Garífuna ihre Forderung nach einer sorgfältigen, unabhängigen und
professionellen Suche und Ermittlungen sowie der Einbindung der
Angehörigen der Opfer. Außerdem drängten sie erneut auf die Umsetzung
der Urteile des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte
zugunsten der Gemeinden Triunfo de la Cruz und Punta Piedra aus dem Jahr
2015.
Laut diesem Gerichtsurteil müssen den Gemeinden ihre angestammten
Territorien zurückgegeben werden, die von gemeindefremden Personen
illegal angeeignet wurden. Das Urteil verpflichtet den Staat auch, Leben
und körperliche Integrität der Führungspersonen aus Triunfo de la Cruz
und Punta Piedra zu schützen.
Doch anstatt dass den Garífuna Gerechtigkeit zuteil werde, würden sie
weiter juristisch verfolgt, erklärte Miriam Miranda. In Trujillo wurden
in den letzten Monaten drei Garífunaaktivist:innen willkürlich
festgenommen und nur gegen Meldeauflagen wieder freigelassen. Gegen 29
weitere Personen, die die Landrechte der afroindigenen Gemeinschaft
verteidigen, liegen Haftbefehle vor.
"Die Regierung muss davon absehen, die nationale Strafgesetzgebung
als Instrument der Einschüchterung gegen Personen einzusetzen, die die
Menschenrechte verteidigen", forderte kürzlich Mary Lawlor,
Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für die Situation von
Menschenrechtsverteidiger:innen, bezugnehmend auf die Kriminalisierung
von Garífuna in Honduras.