Donnerstag, 18. November 2021

Vor den Wahlen eskaliert die politische Gewalt in Honduras

 Thomas Raabe in amerika21

Anstieg der Morde an Kandidat:innen vor den allgemeinen Wahlen am 28. November. Regierung negiert Zusammenhang. UN-Entwicklungsprogramm aktiviert Frühwarnsystem für Wahlkonflikte

Tegucigalpa. Darío Juárez, Kandidat für den stellvertretenden Bürgermeister der Liberalen Partei (PLH) in Concordia im Departamento Olancho, ist am Montag ermordet worden. Von den Tätern fehlt jede Spur. Am Wochenende zuvor waren bereits Elvir Casaña von der linken Partei Freiheit und Neugründung (Libre) in San Luís, Departamento Santa Bárbara, und Francisco Gaitán, amtierender und erneut kandidierender Bürgermeister der PLH von Cantarranas, während einer politischen Versammlung erschossen worden.

Nach dem Mord an Gaitán wendete sich David Castro, amtierender Bürgermeister von Cedros, an die USA, um Schutz für sich und seine Familie zu erbitten. Er sei Bedrohungen ausgesetzt und beende all seine politischen Aktivitäten.

Bei einer Wahlkampfveranstaltung attackierte ein Unbekannter mit einer Machete Sympathisanten der Nationalen Partei (PNH) und verletzte dabei zwei Anwesende schwer. Auch in San Jeronimo im Departamento Copán wurden während eines Events der PLH auf drei Personen geschossen, wobei Luis Gustavo Castellanos verstarb, die beiden anderen wurden schwer verletzt.

Die Kandidat:innen aller politischer Parteien befinden sich in den letzten Tagen ihres Wahlkampfes. Am 28. November werden ein Präsident oder eine Präsidentin, Abgeordnete des Nationalen Kongresses und Bürgermeister:innen und Gemeinderät:innen gewählt.

Innenminister Julian Pacheco gab sich zuversichtlich und verkündete, dass die jüngsten Morde an Kandidaten nichts mit den Wahlen zu tun hätten. Zumindest stünden die meisten Attacken, den vorläufigen Untersuchungen zu Folge, nicht im Zusammenhang mit den Wahlen.

Die Wahlbeobachtungsmission der Europäischen Union (EU), die sich seit einigen Tagen im Land befindet, und das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte in Honduras äußerten sich indes besorgt über die jüngsten Morde. Sie verurteilten die Gewalt und riefen zu friedlichen Wahlen auf. Das UN-Hochkommissariat stellte die Morde eindeutig in den Kontext der bevorstehenden Wahlen.

Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) aktivierte am Montag mit Unterstützung der EU das Frühwarnsystem (SAT) für Wahl- und Geschlechterkonflikte. "Es soll vor dieser Art von Ereignissen warnen und den honduranischen Behörden ermöglichen, Maßnahmen zu ergreifen", sagte der Wahlberater des UNDP, Ivan Esquiva, gegenüber der Nachrichtenagentur Efe.

Auch Migdonia Ayestas, Leiterin der Beobachtungsstelle für Gewalt der Nationalen Autonomen Universität Honduras gab an, dass die Zahl der Morde, die in Verbindung mit politischer Gewalt stehen, dieses Jahr auf mindestens 30 gestiegen sei. Im Vergleich zu den Wahlen im Jahr 2017 haben die politisch motivierten Morde zugenommen. Damals sind im Vorfeld der Wahlen zwölf Personen getötet worden. Besonders Anhänger:innen der PLH und Libre seien Opfer der jüngsten Vorfälle.

Der Kongress reagierte mit der Ankündigung eines Dekretes, das das Tragen von Waffen zehn Tage vor und nach den Wahlen verbietet.

Die Wahlkampagne der seit elf Jahren regierenden PNH ist in den letzten Wochen geprägt von Hass und Hetze gegenüber der Kandidatin Xiomara Castro von Libre. Ihr wird große Nähe zu Venezuela vorgeworfen und bei ihrem Sieg die Errichtung des Kommunismus in Honduras beschworen. Darüber hinaus sind beim Wahlkampf der PNH Transparente zu sehen, auf der Castro mit einem Messer auf eine Schwangere zugeht. Libre hat das Thema des medizinischen Schwangerschaftsabbruchs in ihrem Wahlkampf aufgegriffen, da dieser in Honduras absolut verboten ist. Castro ist die Ehefrau des 2009 durch einen Putsch gestürzten Präsidenten Manuel Zelaya. Die Partei Libre wurde 2011 durch die breite Widerstandsbewegung gegen den Militärputsch gegründet.

"Die Bevölkerung von Honduras hat in den letzten Jahren einen gravierenden Rückschritt in Bezug auf die Menschenrechte erlebt, was in vielen Fällen zur Flucht aus dem Land geführt hat. Der Regierungswechsel könnte eine einmalige Gelegenheit sein, diese Situation umzukehren, indem die strukturellen Ursachen von Gewalt, Ungleichheit und Diskriminierung angegangen werden", kommentierte Erika Guevara Rosas, Direktorin für Amerika von Amnesty International die anstehenden Wahlen.