„Exemplarisch für die direkte
Beteiligung staatlicher Organe an schwersten
Menschenrechtsverletzungen steht die Entführung des Bauernführers
und Journalisten Juan Chinchilla am 8. Januar 2011. Chinchilla wurde
zwei Tage lang von Militärs, Polizisten und Paramilitärs gefangen
gehalten und gefoltert, bevor er durch Zufall und nicht zuletzt dank
internationaler Proteste entkommen konnte“, so heißt es im
Abschlussbericht der HondurasDelegation vom 6. Februar 2011. Der Fall
Chinchilla ist ein Beispiel dafür, dass internationale Solidarität
nicht nur langfristig, sondern auch spontan Wirkung zeigen kann. In
einem Interview sprach Juan Chinchilla nach seiner gelungenen Flucht
über seine Folterer: „Sie waren besorgt über den Druck auf
nationaler und internationaler Ebene. Sie verfolgten die Nachrichten
über Internet und über Radio. Das war auch der Grund, warum sie
beschlossen, mich an einen anderen Ort zu bringen. Ich glaube auch,
dass dieser ganze Druck dazu beigetragen hat, dass mir nichts
Schlimmeres passiert ist. Ich bin allen Personen und nationalen und
internationalen Organisationen unendlich dankbar,
die sich engagiert haben, sowie den Medien, die über meine
Entführung berichtet haben.“
Auch
nach der Ermordung von Berta Cáceres in der Nacht vom 2. auf den 3.
März 2016 ist es die internationale Solidaritätsgemeinschaft, die
weltweit zu Protesten aufruft, das Verbrechen anprangert und Bertas
Organisation COPINH dabei unterstützt, in Honduras Druck auf die
Behörden auszuüben. Ereignisse
und Aussagen wie diese waren und sind der Grund, warum sich die
HondurasDelegation 2010 gegründet hat, warum sie weiterhin aktiv ist
und wächst.
Angefangen hatte alles mit Rundreisen
von honduranischen Menschenrechtsverteidiger*innen durch verschiedene
deutsche Städte, initiiert vom Münchner Ökumenischen Büro für
Frieden und Gerechtigkeit, einige Monate nachdem der gewählte
Präsident Manuel Zelaya aus dem Amt geputscht und außer Landes
gebracht worden war. Sie berichteten von anhaltender Repression,
politischen Morden, willkürlichen Verhaftungen, Folterungen und
Einschränkungen der unabhängigen Medien. Bertha Oliva von der
Menschenrechtsorganisation COFADEH (Comité de Familiares de
Detenidos Desaparecidos en Honduras) betonte damals: „In diesem
Moment sind internationale Anklage, Solidarität und Präsenz
wichtig, um die Welt zu informieren und Druck auf die Regierung
auszuüben.“ Diesen Forderungen wollten wir – eine Gruppe aus
Mittelamerika-Aktiven und Journalist*innen, die das Öku-Büro
zusammen gebracht hatte – nachkommen. Der Ansatz war schnell klar:
Eine Delegation sollte nach Honduras fahren und nach der Rückkehr
alle medialen Kanäle nutzen, um über die Situation zu berichten.
Die
HondurasDelegation und CADEHO sind ein loser Zusammenschluss ohne
Vereinsstruktur, ausschließlich getragen von ehrenamtlichen
Mitgliedern. Derzeit hat die HondurasDelegation 15
aktive Mitglieder und wird von einer Reihe Einzelpersonen
unterstützt. Die Zusammenarbeit mit anderen Gruppen, Kollektiven,
NRO und Kultureinrichtungen hat sich in den letzten Jahren
kontinuierlich erweitert. Die HondurasDelegation ist zu einer
Referenz geworden, deren Expertise bis hin zu politischen
Entscheidungsträger*innen nachgefragt und geschätzt wird. Die
HondurasDelegation hat die Gründung des europäischen
Honduras-Solidaritätsnetzwerkes initiiert.
Unsere
Arbeit besteht aus:
- Durchführung und mediale Auswertung der Delegationsreisen nach Honduras.
- Organisation von Rundreisen in Deutschland und Europa von honduranischen Menschenrechtsaktivist*innen
- Begleitung von honduranischen Aktivist*innen
- Durchführung von Veranstaltungen
- Veröffentlichung von Publikationen, Dokumentationen und journalistischen Beiträgen in Printmedien, Radio und Online
- Straßen- und Protestaktionen
- Lobbyarbeit
Schwerpunktthemen
sind:
- territoriale Kämpfe der indigenen und Basisbewegungen
- Extraktivismus
- Straflosigkeit und Menschenrechtsverletzungen
- Presse- und Meinungsfreiheit
Die Delegationen nach und aus Honduras
motivieren uns immer wieder für unsere Arbeit. Sie verschaffen uns
direkte Eindrücke und Informationen, durch sie können wir
bestehende Kontakte vertiefen und neue knüpfen. Ebenso wichtig für
den Austausch, aber auch um der europäischen Öffentlichkeit die
Lage in Honduras zu verdeutlichen, sind Besuche von Vertreter*innen
der honduranischen sozialen Bewegungen bei uns.
Neben der Kritik an der neoliberalen
Politik des Ausverkaufs richtet die HondurasDelegation den Blick
bewusst auf die Verantwortung deutscher (und europäischer)
Unternehmen und Institutionen. Zu erwähnen sind die Demonstration
vor dem Hauptsitz der Friedrich
Naumann Stiftung gegen die organisatorische und
propagandistische Unterstützung der Putschisten; die
Pressekonferenz zur Beteiligung der Münchner Flughafengesellschaft
am Bau des geplanten Großflughafens in Honduras; die bei
Aktionärshauptversammlungen von Siemens in den letzten Jahren
geäußerte Kritik, durch die die Beteiligung am Agua Zarca
Wasserkraftwerk angeprangert wurde.
Projekte wie Agua Zarca wären ohne die
finanzielle und technische Unterstützung aus dem Ausland nicht
denkbar. Die Europäische Union unterstützt seit Jahren mit
verschiedenen Programmen finanziell den honduranischen Sicherheits-
und Justizsektor, beides staatliche Sektoren, die notorisch für ihre
Korruption und die Missachtung von Menschenrechten bekannt sind.
Insofern stellt sich die Frage, welche (Mit)Verantwortungen die
deutschen und europäischen Unternehmen und Institutionen für
Menschenrechtsverletzungen in Honduras tragen.
Der Mord an Berta Cáceres war für uns
alle - wie für solidarische Menschen weltweit - ein besonderer
Tiefpunkt. Zum einen, weil viele von uns Berta persönlich getroffen
oder gekannt hatten, zum anderen, weil der Mord an einer so
prominenten Aktivistin als Signal an alle sozialen Bewegungen in
Honduras so verstanden werden muss, dass sich niemand mehr sicher
fühlen kann.
Nach wie vor sind Präsenz vor Ort und
Berichterstattung zentral. Die jahrelange
Solidaritätsarbeit hat gezeigt, wie wichtig sie ist, damit die
Ereignisse in Honduras nicht völlig unbemerkt von der
Weltöffentlichkeit stattfinden. Die Arbeit wird weitergehen, mit
neuen Ideen und Impulsen, mit Engagement und Enthusiasmus.
La
lucha sigue!