Freitag, 15. Juni 2018

Über die Arbeit der HondurasDelegation


„Exemplarisch für die direkte Beteiligung staatlicher Organe an schwersten Menschenrechtsverletzungen steht die Entführung des Bauernführers und Journalisten Juan Chinchilla am 8. Januar 2011. Chinchilla wurde zwei Tage lang von Militärs, Polizisten und Paramilitärs gefangen gehalten und gefoltert, bevor er durch Zufall und nicht zuletzt dank internationaler Proteste entkommen konnte“, so heißt es im Abschlussbericht der HondurasDelegation vom 6. Februar 2011. Der Fall Chinchilla ist ein Beispiel dafür, dass internationale Solidarität nicht nur langfristig, sondern auch spontan Wirkung zeigen kann. In einem Interview sprach Juan Chinchilla nach seiner gelungenen Flucht über seine Folterer: „Sie waren besorgt über den Druck auf nationaler und internationaler Ebene. Sie verfolgten die Nachrichten über Internet und über Radio. Das war auch der Grund, warum sie beschlossen, mich an einen anderen Ort zu bringen. Ich glaube auch, dass dieser ganze Druck dazu beigetragen hat, dass mir nichts Schlimmeres passiert ist. Ich bin allen Personen und nationalen und internationalen Organisationen unendlich dankbar, die sich engagiert haben, sowie den Medien, die über meine Entführung berichtet haben.“

Auch nach der Ermordung von Berta Cáceres in der Nacht vom 2. auf den 3. März 2016 ist es die internationale Solidaritätsgemeinschaft, die weltweit zu Protesten aufruft, das Verbrechen anprangert und Bertas Organisation COPINH dabei unterstützt, in Honduras Druck auf die Behörden auszuüben. Ereignisse und Aussagen wie diese waren und sind der Grund, warum sich die HondurasDelegation 2010 gegründet hat, warum sie weiterhin aktiv ist und wächst.

Angefangen hatte alles mit Rundreisen von honduranischen Menschenrechtsverteidiger*innen durch verschiedene deutsche Städte, initiiert vom Münchner Ökumenischen Büro für Frieden und Gerechtigkeit, einige Monate nachdem der gewählte Präsident Manuel Zelaya aus dem Amt geputscht und außer Landes gebracht worden war. Sie berichteten von anhaltender Repression, politischen Morden, willkürlichen Verhaftungen, Folterungen und Einschränkungen der unabhängigen Medien. Bertha Oliva von der Menschenrechtsorganisation COFADEH (Comité de Familiares de Detenidos Desaparecidos en Honduras) betonte damals: „In diesem Moment sind internationale Anklage, Solidarität und Präsenz wichtig, um die Welt zu informieren und Druck auf die Regierung auszuüben.“ Diesen Forderungen wollten wir – eine Gruppe aus Mittelamerika-Aktiven und Journalist*innen, die das Öku-Büro zusammen gebracht hatte – nachkommen. Der Ansatz war schnell klar: Eine Delegation sollte nach Honduras fahren und nach der Rückkehr alle medialen Kanäle nutzen, um über die Situation zu berichten.

Die HondurasDelegation und CADEHO sind ein loser Zusammenschluss ohne Vereinsstruktur, ausschließlich getragen von ehrenamtlichen Mitgliedern. Derzeit hat die HondurasDelegation 15 aktive Mitglieder und wird von einer Reihe Einzelpersonen unterstützt. Die Zusammenarbeit mit anderen Gruppen, Kollektiven, NRO und Kultureinrichtungen hat sich in den letzten Jahren kontinuierlich erweitert. Die HondurasDelegation ist zu einer Referenz geworden, deren Expertise bis hin zu politischen Entscheidungsträger*innen nachgefragt und geschätzt wird. Die HondurasDelegation hat die Gründung des europäischen Honduras-Solidaritätsnetzwerkes initiiert.

Unsere Arbeit besteht aus:
  • Durchführung und mediale Auswertung der Delegationsreisen nach Honduras.
  • Organisation von Rundreisen in Deutschland und Europa von honduranischen Menschenrechtsaktivist*innen
  • Begleitung von honduranischen Aktivist*innen
  • Durchführung von Veranstaltungen
  • Veröffentlichung von Publikationen, Dokumentationen und journalistischen Beiträgen in Printmedien, Radio und Online
  • Straßen- und Protestaktionen
  • Lobbyarbeit

Schwerpunktthemen sind:
  • territoriale Kämpfe der indigenen und Basisbewegungen
  • Extraktivismus
  • Straflosigkeit und Menschenrechtsverletzungen
  • Presse- und Meinungsfreiheit

Die Delegationen nach und aus Honduras motivieren uns immer wieder für unsere Arbeit. Sie verschaffen uns direkte Eindrücke und Informationen, durch sie können wir bestehende Kontakte vertiefen und neue knüpfen. Ebenso wichtig für den Austausch, aber auch um der europäischen Öffentlichkeit die Lage in Honduras zu verdeutlichen, sind Besuche von Vertreter*innen der honduranischen sozialen Bewegungen bei uns.

Neben der Kritik an der neoliberalen Politik des Ausverkaufs richtet die HondurasDelegation den Blick bewusst auf die Verantwortung deutscher (und europäischer) Unternehmen und Institutionen. Zu erwähnen sind die Demonstration vor dem Hauptsitz der Friedrich Naumann Stiftung gegen die organisatorische und propagandistische Unterstützung der Putschisten; die Pressekonferenz zur Beteiligung der Münchner Flughafengesellschaft am Bau des geplanten Großflughafens in Honduras; die bei Aktionärshauptversammlungen von Siemens in den letzten Jahren geäußerte Kritik, durch die die Beteiligung am Agua Zarca Wasserkraftwerk angeprangert wurde.

Projekte wie Agua Zarca wären ohne die finanzielle und technische Unterstützung aus dem Ausland nicht denkbar. Die Europäische Union unterstützt seit Jahren mit verschiedenen Programmen finanziell den honduranischen Sicherheits- und Justizsektor, beides staatliche Sektoren, die notorisch für ihre Korruption und die Missachtung von Menschenrechten bekannt sind. Insofern stellt sich die Frage, welche (Mit)Verantwortungen die deutschen und europäischen Unternehmen und Institutionen für Menschenrechtsverletzungen in Honduras tragen.

Der Mord an Berta Cáceres war für uns alle - wie für solidarische Menschen weltweit - ein besonderer Tiefpunkt. Zum einen, weil viele von uns Berta persönlich getroffen oder gekannt hatten, zum anderen, weil der Mord an einer so prominenten Aktivistin als Signal an alle sozialen Bewegungen in Honduras so verstanden werden muss, dass sich niemand mehr sicher fühlen kann.

Nach wie vor sind Präsenz vor Ort und Berichterstattung zentral. Die jahrelange Solidaritätsarbeit hat gezeigt, wie wichtig sie ist, damit die Ereignisse in Honduras nicht völlig unbemerkt von der Weltöffentlichkeit stattfinden. Die Arbeit wird weitergehen, mit neuen Ideen und Impulsen, mit Engagement und Enthusiasmus.

La lucha sigue!