Freitag, 22. Juni 2018

Turbinenlieferant aus Tirol in der Kritik


Geppert Hydropower aus Österreich liefert Turbinen an umstrittenes Wasserkraftwerk in Honduras. Organisationen fordern den Stopp der Lieferungen

München/Tela/Wien. 20 Organisationen und Einzelpersonen aus Österreich und Deutschland weisen in einem offenen Brief an den Turbinenbauer Geppert Hydropower im österreicherischen Tirol auf dessen Mitverantwortung für Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen durch den Bau des Wasserkraftprojektes Los Planes in Honduras hin. Sie fordern den sofortigen Stopp der Lieferung der Turbinen.

Zudem fordern die Organisationen eine Risikoanalyse vorzunehmen und in der Folge die laufenden Verträge mit dem honduranischen Unternehmen Hidroeléctrica Centrales El Progreso (Hidrocep) zu kündigen.
Geppert Hydropower teilte Amerika21 am Donnerstag auf Anfrage telefonisch mit, dass das Unternehmen zu dem offenen Brief derzeit nicht öffentliche Stellung bezieht.

Martin Fernández, Koordinator und Anwalt der hondurianischen Breiten Bewegung für Würde und Gerechtigkeit (MADJ), äußerte nach dem Bekanntwerden der Lieferung der Turbinen, dass Geppert Hydropower dadurch die Umweltschäden am Fluss Mezapa weiter verschärfe. Die Lieferung bestärke außerdem die Straflosigkeit im Falle der verursachten Umweltschäden durch Jason Hawit, Eigentümer von Hidrocep.

Umweltzerstörung - verursacht durch das Unternehmen Hidrocep
In der Vergangenheit sind österreichische Unternehmen durch ihre Beteiligung an menschenrechtsverletzenden Wasserkraftprojekten in Chile und Guatemala wiederholt kritisiert worden.

Der Baubeginn von Los Planes durch Hidrocep hat bisher erhebliche Umweltschäden verursacht. Durch das Fällen von Hunderten von Bäumen kam es zu Erosionen, zur Verschlammung und Kontaminierung des Flusses. Die Trinkwasserversorgung von circa 20.000 Bewohnern ist seitdem nicht mehr gewährleistet. Drohungen, Einschüchterungen und gewaltsame Räumungen des friedlichen Blockadecamps im Sektor Pajuiles sind seit dem letzten Jahr wiederholt vorgekommen. Allein 17 Umweltaktivisten wurden in diesem Konflikt kriminalisiert. Das Justizsystem reagiert ausschließlich auf die Interessen der lokalen Autoritäten und des Unternehmers Hawit. Die Fertigstellung des Wasserkraftwerkes Los Planes ist für August 2018 geplant.

Im Januar 2018 wurde Geovanny Díaz, ein Aktivist des Protestcamps in Pajuiles, im Morgengrauen von Männern in Polizeiuniformen aus seinem Haus gezerrt und an der nahegelegenen Straße mit mehreren Schüssen exekutiert. Díaz hatte auch an politischen Protesten nach den Wahlen zu Jahresbeginn teilgenommen. Die Art seiner Hinrichtung lässt jedoch auf eine gezielte, selektive Liquidierung schließen.

Fünf durch Los Planes betroffene Gemeinden haben durch die Interamerikanische Menschenrechtskommission im Februar 2018 spezielle Schutzmaßnahmen zugesprochen bekommen, die der honduranische Staat jedoch nicht gewährleistet.

Donnerstag, 21. Juni 2018

Offener Brief: Tiroler Turbinenbauer in der Kritik


Geppert GmbH
Ing. Mag. Guntram Geppert
Geppertstraße 6
A-6060 Hall in Tirol

München/Wien, 21. Juni 2018

 OFFENER BRIEF

Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden beim Bau des Wasserkraftwerks „Los Planes“ in Honduras

Sehr geehrter Herr Ing. Mag. Geppert!

Laut Informationen auf Ihrer Homepage liefert „Geppert Hydropower“ Pelton-Turbinen an das Wasserkraftwerk „Los Planes“ in Honduras (Tela, Atlántida) an.

Da dieses Projekt in Verbindung mit schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen steht, appellieren wir an Ihr ethisches Bewusstsein und fordern Sie eindringlich auf

  • die Lieferung der Turbinen sofort zu stoppen
  •  eine sorgfältige Risikoanalyse vorzunehmen und
  • in der Folge die laufenden Verträge mit dem honduranischen Unternehmen „Hidroeléctrica Centrales El Progreso“ (Hidrocep) zu kündigen.

Freitag, 15. Juni 2018

Über die Arbeit der HondurasDelegation


„Exemplarisch für die direkte Beteiligung staatlicher Organe an schwersten Menschenrechtsverletzungen steht die Entführung des Bauernführers und Journalisten Juan Chinchilla am 8. Januar 2011. Chinchilla wurde zwei Tage lang von Militärs, Polizisten und Paramilitärs gefangen gehalten und gefoltert, bevor er durch Zufall und nicht zuletzt dank internationaler Proteste entkommen konnte“, so heißt es im Abschlussbericht der HondurasDelegation vom 6. Februar 2011. Der Fall Chinchilla ist ein Beispiel dafür, dass internationale Solidarität nicht nur langfristig, sondern auch spontan Wirkung zeigen kann. In einem Interview sprach Juan Chinchilla nach seiner gelungenen Flucht über seine Folterer: „Sie waren besorgt über den Druck auf nationaler und internationaler Ebene. Sie verfolgten die Nachrichten über Internet und über Radio. Das war auch der Grund, warum sie beschlossen, mich an einen anderen Ort zu bringen. Ich glaube auch, dass dieser ganze Druck dazu beigetragen hat, dass mir nichts Schlimmeres passiert ist. Ich bin allen Personen und nationalen und internationalen Organisationen unendlich dankbar, die sich engagiert haben, sowie den Medien, die über meine Entführung berichtet haben.“

Auch nach der Ermordung von Berta Cáceres in der Nacht vom 2. auf den 3. März 2016 ist es die internationale Solidaritätsgemeinschaft, die weltweit zu Protesten aufruft, das Verbrechen anprangert und Bertas Organisation COPINH dabei unterstützt, in Honduras Druck auf die Behörden auszuüben. Ereignisse und Aussagen wie diese waren und sind der Grund, warum sich die HondurasDelegation 2010 gegründet hat, warum sie weiterhin aktiv ist und wächst.

Angefangen hatte alles mit Rundreisen von honduranischen Menschenrechtsverteidiger*innen durch verschiedene deutsche Städte, initiiert vom Münchner Ökumenischen Büro für Frieden und Gerechtigkeit, einige Monate nachdem der gewählte Präsident Manuel Zelaya aus dem Amt geputscht und außer Landes gebracht worden war. Sie berichteten von anhaltender Repression, politischen Morden, willkürlichen Verhaftungen, Folterungen und Einschränkungen der unabhängigen Medien. Bertha Oliva von der Menschenrechtsorganisation COFADEH (Comité de Familiares de Detenidos Desaparecidos en Honduras) betonte damals: „In diesem Moment sind internationale Anklage, Solidarität und Präsenz wichtig, um die Welt zu informieren und Druck auf die Regierung auszuüben.“ Diesen Forderungen wollten wir – eine Gruppe aus Mittelamerika-Aktiven und Journalist*innen, die das Öku-Büro zusammen gebracht hatte – nachkommen. Der Ansatz war schnell klar: Eine Delegation sollte nach Honduras fahren und nach der Rückkehr alle medialen Kanäle nutzen, um über die Situation zu berichten.

Die HondurasDelegation und CADEHO sind ein loser Zusammenschluss ohne Vereinsstruktur, ausschließlich getragen von ehrenamtlichen Mitgliedern. Derzeit hat die HondurasDelegation 15 aktive Mitglieder und wird von einer Reihe Einzelpersonen unterstützt. Die Zusammenarbeit mit anderen Gruppen, Kollektiven, NRO und Kultureinrichtungen hat sich in den letzten Jahren kontinuierlich erweitert. Die HondurasDelegation ist zu einer Referenz geworden, deren Expertise bis hin zu politischen Entscheidungsträger*innen nachgefragt und geschätzt wird. Die HondurasDelegation hat die Gründung des europäischen Honduras-Solidaritätsnetzwerkes initiiert.

Unsere Arbeit besteht aus:
  • Durchführung und mediale Auswertung der Delegationsreisen nach Honduras.
  • Organisation von Rundreisen in Deutschland und Europa von honduranischen Menschenrechtsaktivist*innen
  • Begleitung von honduranischen Aktivist*innen
  • Durchführung von Veranstaltungen
  • Veröffentlichung von Publikationen, Dokumentationen und journalistischen Beiträgen in Printmedien, Radio und Online
  • Straßen- und Protestaktionen
  • Lobbyarbeit

Schwerpunktthemen sind:
  • territoriale Kämpfe der indigenen und Basisbewegungen
  • Extraktivismus
  • Straflosigkeit und Menschenrechtsverletzungen
  • Presse- und Meinungsfreiheit

Die Delegationen nach und aus Honduras motivieren uns immer wieder für unsere Arbeit. Sie verschaffen uns direkte Eindrücke und Informationen, durch sie können wir bestehende Kontakte vertiefen und neue knüpfen. Ebenso wichtig für den Austausch, aber auch um der europäischen Öffentlichkeit die Lage in Honduras zu verdeutlichen, sind Besuche von Vertreter*innen der honduranischen sozialen Bewegungen bei uns.

Neben der Kritik an der neoliberalen Politik des Ausverkaufs richtet die HondurasDelegation den Blick bewusst auf die Verantwortung deutscher (und europäischer) Unternehmen und Institutionen. Zu erwähnen sind die Demonstration vor dem Hauptsitz der Friedrich Naumann Stiftung gegen die organisatorische und propagandistische Unterstützung der Putschisten; die Pressekonferenz zur Beteiligung der Münchner Flughafengesellschaft am Bau des geplanten Großflughafens in Honduras; die bei Aktionärshauptversammlungen von Siemens in den letzten Jahren geäußerte Kritik, durch die die Beteiligung am Agua Zarca Wasserkraftwerk angeprangert wurde.

Projekte wie Agua Zarca wären ohne die finanzielle und technische Unterstützung aus dem Ausland nicht denkbar. Die Europäische Union unterstützt seit Jahren mit verschiedenen Programmen finanziell den honduranischen Sicherheits- und Justizsektor, beides staatliche Sektoren, die notorisch für ihre Korruption und die Missachtung von Menschenrechten bekannt sind. Insofern stellt sich die Frage, welche (Mit)Verantwortungen die deutschen und europäischen Unternehmen und Institutionen für Menschenrechtsverletzungen in Honduras tragen.

Der Mord an Berta Cáceres war für uns alle - wie für solidarische Menschen weltweit - ein besonderer Tiefpunkt. Zum einen, weil viele von uns Berta persönlich getroffen oder gekannt hatten, zum anderen, weil der Mord an einer so prominenten Aktivistin als Signal an alle sozialen Bewegungen in Honduras so verstanden werden muss, dass sich niemand mehr sicher fühlen kann.

Nach wie vor sind Präsenz vor Ort und Berichterstattung zentral. Die jahrelange Solidaritätsarbeit hat gezeigt, wie wichtig sie ist, damit die Ereignisse in Honduras nicht völlig unbemerkt von der Weltöffentlichkeit stattfinden. Die Arbeit wird weitergehen, mit neuen Ideen und Impulsen, mit Engagement und Enthusiasmus.

La lucha sigue!

Dienstag, 5. Juni 2018

Aktivisten aus Honduras prangern Straflosigkeit im Fall Caceres an

Von amerika21

Mitglieder der Delegation aus Honduras Miguel Urbina, Francisco 
Berlin/Tegucigalpa. Mit einer Veranstaltung im European Center for Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) ist vergangene Woche eine Delegationsreise von Menschenrechtsverteidigern aus Honduras zu Ende gegangen, die Gerechtigkeit im Mordfall Berta Cáceres in mehreren europäischen Ländern und internationalen Institutionen fordert.


Die Delegation reiste zunächst in die Niederlande, wo Familienangehörige von Cáceres und die indigene Organisation COPINH eine Klage gegen die niederländische Entwicklungsbank FMO einreicht. Die FMO soll wegen ihrer Mitverantwortung beim Bau des Wasserkraftwerkes Agua Zarca haftbar gemacht werden. Trotz mehrmaliger Hinweise auf die Menschenrechtsverletzungen hielt sie an der Finanzierung fest und zog sich erst im Juli 2017 endgültig aus dem Projekt zurück. Cáceres und die in COPINH organisierten Gemeinden hatten sich seit 2013 dem Bau widersetzt. Sie insistieren auf der Einhaltung der Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), die die vorherige, freie und informative Befragung der indigenen Bevölkerung garantiert.
Claudia Müller-Hoff vom ECCHR unterstrich die Notwendigkeit der Klagen gegen transnationale Unternehmen: Sie seien mitverantwortlich an der Menschenrechtssituation vor Ort und ebenso für die Arbeitsbedingungen in ihren Tochter- ­und Zulieferbetrieben im Ausland.

Laura Zúniga, Tochter von Cáceres, wies auf die Unregelmäßigkeiten während der Ermittlungen in dem Mordfall und den mehrmals verschobenen Prozessauftakt der im Mai 2016 Festgenommen hin. Trotz der Verhaftung von David Castillo, Direktor der Betreiberfirma Desarrollos Energéticos S.A. (DESA) im März 2018, fehle noch immer eine umfassende Untersuchung zu den weiteren Auftraggebern des Mordes. Unter den nun neun Inhaftierten befinden sich fünf Auftragsmörder. Castillo und vier weitere sollen direkte Verbindungen zum honduranischen Militär haben. Die Zentralamerikanische Bank für wirtschaftliche Entwicklung, die ebenfalls Agua Zarca finanzierte, habe sich weder zu den Menschenrechtsverletzungen geäußert, noch ihre Beteiligung an dem Projekt aufgekündigt.

Die Situation der Gemeinden in der Region Rio Blanco sei schwierig, so Francisco Sánchez, Mitglied der COPINH-Koordination. Sie seien nach wie vor Verfolgung und Schikanen durch staatliche Sicherheitskräfte ausgesetzt. Landwirtschaftliche Anbauflächen würden zerstört, dazu käme die Präsenz von Auftragsmördern in der Nachbarschaft.

Miguel Urbina, Anwalt und Mitglied der unabhängigen internationalen Expertengruppe (GAIPE) sagte, in Lateinamerika hätten die Militärdiktaturen sich in Diktaturen der Unternehmen gewandelt. Staatliche Funktionen würden durch Unternehmen ersetzt, "sie bauen Schulen und das begünstigt diese Entwicklung." Der Fall Cáceres zeige deutlich eine Allianz zwischen Regierung, Unternehmen und Banken. Mit dem Geldfluss seitens der Banken erhöhe sich auch das Gewaltniveau. Ein GAIPE-Bericht zeichnet die präzise Planung des Mordes nach und zeigt die Bildung der komplexen Struktur, bestehend aus staatlichen und privaten Sicherheitskräften, Unternehmen und Justizpersonal.

Während sich die Delegation in Europa aufhielt, gingen die Diffamierungen von Seiten der honduranischen Wirtschaftselite gegen COPINH und Cáceres weiter. Elsia Paz, Direktorin der Vereinigung Erzeuger Erneuerbarer Energien, äußerte, es gebe weder eine Kriminalisierung von Menschenrechtsverteidigern noch Umweltzerstörung durch Wasserkraftwerke im Land.

Sonntag, 3. Juni 2018

„Freibrief für Folter und illegale Festnahmen“

Freispruch für drei Polizeioffiziere offenbart Schutz- und Rechtlosigkeit von Journalist*innen und Menschenrechtsaktivist*innen in Honduras

Mit Pfefferspray attackiert: Journalistin und Menschenrechtsaktivist*innen Tomy Morales, Ariel Diaz und Carlos del Cid
TEGUCIGALPA (oeku-buero. 2.Juni 2018). Die drei Polizeioffiziere, die im September 2017 Menschenrechtsverteidiger*innen, Studierende und die Journalistin Tomy Morales auf dem Gelände der Nationalen Universität von Honduras (UNAH) mit Pfefferspray attackiert und teils schwer verletzt hatten, wurden am 1. Juni 2018 von einem Gericht in der honduranischen Hauptstadt Tegucigalpa freigesprochen. Sie waren unter anderem wegen Folter, Körperverletzung, illegalen Festnahmen, Amtsmissbrauch und Pflichtverletzung angeklagt gewesen, mussten aber nicht in U-Haft und wurden nicht vom Dienst suspendiert. Morales’ Kollegin Dina Meza, die Präsidentin des honduranischen PEN, kommentierte, das Urteil sei eine Schande und ein Freibrief für weitere Folter und illegale Festnahmen von Menschenrechtsaktivist*innen und Journalist*innen.