Samstag, 25. März 2023

„Wir geben nicht auf, bis der Fluss wieder Gemeingut ist“

Bericht eines Besuchs bei Umweltverteidiger*innen im Norden von Honduras

von Rita Trautmann, erschienen in NaturFreunde Berlin

Die NaturFreunde und das Menschenrechtskollektiv Cadeho unterstützen ländliche Gemeinden im Norden von Honduras, die vom Verlust ihres Lebensraums durch Wirtschaftsprojekte – vor allem in der Stromerzeugung – bedroht sind. Die Arbeit der Umweltverteidiger*innen ist gefährlich, denn Menschen, die sich in Honduras aktiv für den Erhalt ihrer Ressourcen einsetzen, werden eingeschüchtert, kriminalisiert oder gar ermordet. Rita Trautmann ist im März 2023 in den Norden von Honduras gereist, um sich ein eigenes Bild von der Situation zu machen und sich über die Entwicklung des Projekts zu informieren. Hier berichtet sie von ihren Eindrücken.

„Was nützt uns ein Wasserkraftwerk, wenn unsere Gemeinde trotzdem kein Strom bekommt?“ Magda Diaz stellt diese rhetorische Frage und schaut dabei in die Runde der Versammelten. Sie ist eine energische Frau, die in der Gemeinde Jilamito beim Schutz der natürlichen Ressourcen eine führende Rolle spielt. Heute haben sich Bewohner*innen von Jilamito im Norden von Honduras versammelt, um mir ihre Situation zu erläutern. Ich bin mit den Kolleg*innen von FundAmbiente (Mitglied der Naturfreunde International) unterwegs, um mir persönliche Eindrücke zu dem vom Entwicklungsministerium finanzierten Projektes zur Stärkung von Basisorganisationen in ländlichen Gemeinden zu verschaffen.

 

Umweltaktivisten am Fluss Jilamito, der durch ein illegales Wasserkraftwerk bedroht ist
Foto: NaturFreunde 

Ölpalmen, Viehweiden und kleinbäuerliche Landwirtschaft

Um nach Jilamito zu gelangen, biegen wir von der wichtigsten Verkehrsstraße, die im nördlichen Landesteil verläuft, ab und folgen einer Schotterpiste. Der Pick-up schaukelt über die Schlaglöcher. Wir sind am Ort des seit sechs Jahren bestehenden Protestcamps verabredet. Unterwegs füllt sich die Ladefläche des Pick-ups, da die Weiler, die zur Gemeinde gehören, weit verstreut sind. Die Straße schlängelt sich eine Anhöhe zwischen grünen Hügeln herauf. Bewaldet sind nur noch die Hügelkuppen. Große Teile des Waldes mussten Ölpalmenplantagen und Viehweiden weichen, an denen wir vorbeikommen.

Zwischendrin sind die Felder der Einwohner*innen, die im landwirtschaftlichen System der Milpa angelegt sind. Bei diesem jahrhundertealten Anbausystem bilden Mais, Bohnen und Kürbisse eine gute Symbiose. Die Bohnen liefern Stickstoff und ranken am Mais hoch und die Blätter der Kürbispflanze beschatten den Boden, um diesen vor Austrocknung und Erosion zu schützen.

Für die meisten Menschen in Jilamito ist Landwirtschaft überlebenswichtig.  Doch zum Überleben benötigen sie neben Land noch eine andere Ressource: Wasser.

Für den Schutz des Flusses

Am Versammlungsort angekommen, sind es Magda und Mitglieder des lokalen Wasserkomitees, die uns gleich zum Fluss Jilamito führen. Mittlerweile steht die Sonne hoch oben und die Luft ist feucht. Zum Glück ist es nur ein kurzer Fußmarsch bis zum Fluss. „Das Wasser ist so sauber, dass wir es als Trinkwasser benutzen“ erklärt Calixto vom Wasserkomitee und schöpft Wasser aus dem Fluss. „Als hier begonnen wurde ein Wasserkraftwerk zu bauen, war das Wasser verschmutzt“ führt er weiter aus. 30.000 Personen in den umliegenden Gemeinden hängen von diesem Fluss mit der Trinkwasserversorgung ab. Das war der Grund, weshalb wir uns vor sechs Jahren organisiert haben und für den Schutz des Flusses kämpfen.

Der geplante Bau des Wasserkraftwerkes war von Beginn an durch Intransparenz und Korruption gekennzeichnet. Auf eingelegte Rechtsmittel reagierte die Justiz nicht. So haben sich die Bewohner*innen organisiert. „Auch, wenn die Konzession noch nicht annulliert wurde, so ist zumindest der Bau gestoppt und wir können das Wasser wieder nutzen“, sagt Magda. Sie ist Leidtragende der Kriminalisierung des Protestes, denn ihr Mann ist im Zuge des Widerstands gegen das Kraftwerk 2018 ermordet worden. Doch Magda Diaz strahlt Optimismus aus: „Wir geben solange nicht auf, bis der Fluss wieder Gemeingut ist“, sagt sie.

Regenwolken nahen und wir treten den Rückweg an. Denn am Folgetag wartet eine längere Fahrt auf uns.  

Sauberes Wasser und Energie

Das Dorf Camaguey ist das nächste Ziel meines Projektbesuches in Honduras. Camaguey liegt ca. 30 km von der Fernverkehrsstraße im nördlichen Honduras entfernt. Doch für diese Strecke benötigen wir fast zwei Stunden. Ich kann mich als Beifahrerin entspannen, während sich meine beiden Kolleg*innen von FundAmbiente, Ileana und Santos, die sich beim Fahren abwechseln, stark konzentrieren müssen. Der Weg ist staubig und steinig, es gibt steile Anfahrten und drei Flüsse müssen mit dem Auto durchquert werden.

Das Klima ist tropisch feuchtheiß und die Vegetation ist üppig. Diese Region ist eine der wasserreichsten Gegenden in Honduras. Das kleine Dörfchen Camaguey ist ein Beispiel dafür, wie ein Fluss neben der Trinkwasserversorgung auch für Strom sorgen kann. 

Ein Flusskraftwerk

„Am besten wir gehen gleich zum Flusskraftwerk, das sind nur fünf Minuten“ begrüßt uns Panchito, ein ca. 60-Jähriger Mann. Er und weitere Mitglieder der Kraftwerkskooperative haben uns bereits erwartet.

In der Mittagshitze geht es bergauf und bergab. Wir durchqueren den Fluss, dessen Wasser eine angenehme Kühle hat. Auf der anderen Seite gehen wir am Flussufer entlang. Aus den angekündigten fünf Minuten sind inzwischen 30 Minuten geworden. Doch dann hören wir schon Geräusche eines Wasserfalls. Ein letzter steiler Abstieg und wir stehen an einem Fluss mit türkisblauem Wasser und einem malerischen Wasserfall.

Unterhalb des Wasserfalls befindet sich die Wasserentnahmestelle für das kleine Kraftwerk. Ein Rohr ist in den Fluss einbetoniert und leitet einen geringen Teil des Flusswassers durch eine Leitung bis ins Dorf, wo die Turbine und der Generator stehen.

„Es ist nur wenig Wasser, was wir entnehmen“, erläutert Panchito. „Dadurch bleibt für unsere Trinkwasserversorgung und die der weiterunten gelegenen Dörfer genügend Wasser und das Wasser wird nicht verschmutzt.“

Selbstorganisierte Stromversorgung

Selbstorganisierte Energieerzeugung - Turbine und Generator Foto: NaturFreunde

Zurück im Dorf schauen wir uns die Turbine und den Generator an. Beides befindet sich in unmittelbarer Nähe zu den Wohnhäusern, so kann die Anlage leichter überprüft werden. „Die meiste Arbeit bestand beim Aufbau der Strommasten. Alles wurde in Gemeinschaftsarbeit gemacht“, berichtet Panchito nicht ohne Stolz. Kleine Probleme gäbe es derzeit mit Rechtstatus als gemeinnützige Kooperative, so bekommen Santos und Ileana gleich eine Aufgabe mit auf den Weg, denn eines solche Beratung gehört zur Arbeit von FundAmbiente. 

Das Kraftwerk mit einer Kapazität von vier Kilowatt versorgt derzeit 16 Haushalt mit knapp 100 Personen, häufig wird nicht der ganze Strom verbraucht. Einmal in der Woche wird die Anlage für die Wartung abgeschaltet. Die Wartung übernehmen die Kooperativenmitglieder.

Santos hebt die Bedeutung dieser Kooperative hervor: „Für andere Gemeinden ist das ein gutes Beispiel, wie eine umweltfreundliche und selbstorganisierte Energieversorgung aussehen kann.“ Vor allem für Dörfer, die nicht ans staatliche Stromnetz angeschlossen sind, ist eine solche kleine Kraftwerksanlage ideal.

Angeregt durch dieses Beispiel tauschen wir uns auf dem Rückweg über ähnliche Projekte aus.

Samstag, 18. März 2023

Film + Gespräch: „The Illusion of Abundance“


Dokumentarfilm mit anschließendem Gespräch / Presentación de documental y discusión

span/engl/port mit dt. UT




30. März 2023
19:00
MOVIEMENTO Kino
Kottbusser Damm 22
10967 Berlin

https://www.theillusionofabundance.earth/

*** español abajo ***

Drei Frauen, drei Länder, drei Kämpfe: Die Dokumentation „The Illusion of Abundance“ erzählt die Geschichten von mutigen Aktivistinnen aus Peru, Honduras und Brasilien im Kampf gegen die globale Umweltzerstörung. Sie erheben unnachgiebig ihre Stimmen, wenn transnationale Unternehmen im Namen des Profits den Verlust von Umwelt und Menschenleben in Kauf nehmen.

Dienstag, 28. Februar 2023

UN-Hochkommissariat für Menschenrechte in Honduras besorgt wegen anhaltender Gewalt in Bajo Aguán

 Von  amerika21

Protest gegen die Gewalt: "Bajo Aguán trauert". Sieben Bauern und 
Umweltaktivisten wurden dort in diesem Jahr getötet QUELLE: @KELSITAJC

Tegucigalpa/Tocoa.
 Das Büro des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte in Honduras (Oacnudh) drängt Präsidentin Xiomara Castro, angesichts der jüngsten Morde an Bauernaktivisten und ihren Familien das Abkommen zur Beilegung des Konfliktes in der Region Bajo Aguán umzusetzen.

Laut dem vor einem Jahr vereinbarten Abkommen sollen Kommissionen eingesetzt werden, die die Eigentumsrechte um die strittigen Ländereien klären. Darüber hinaus sollen die Menschenrechtsverletzungen gegen die Bäuer:innen durch eine weitere Kommission unter Beteiligung der honduranischen Menschenrechtskommissarin Blanca Izaguirre und des Oacnudh untersucht werden. Solange die Landtitel nicht geklärt seien, könnten sie die Bauernkooperativen unter Aufsicht des Agrarinstituts bewirtschaften, so heißt es weiter in dem Abkommen.

Dienstag, 21. Februar 2023

Kongress in Honduras wählt Obersten Gerichtshof

 Von  amerika21

Die Wahl des neuen Obersten Gerichtshofes ist wegweisend im Kampf gegen Korruption und Straflosigkeit QUELLE: CRITERIO

Tegucigalpa. Der Nationalkongress von Honduras hat mit den Stimmen von 117 der 128 Abgeordneten 15 Richter:innen für den Obersten Gerichtshof gewählt. Sie wurden noch in derselben Sitzung für die nächsten sieben Jahre vereidigt. Die frisch Gewählten ernannten die von der Regierungspartei Libre aufgestellte Rebeca Ráquel Obando zur Präsidentin.

Freitag, 17. Februar 2023

Präsidentin von Honduras will mit Steuerreform gegen die Belastung der Ärmsten vorgehen

Gesetz soll Steuergerechtigkeit schaffen. Geschäftsleute bestreiten die vorgelegten Zahlen, sind aber nicht gegen eine Überprüfung von Regeln und Schlupflöchern

Freitag, 10. Februar 2023

Privatstädte - Labore für einen neuen Manchesterkapitalismus / Das Beispiel Honduras

Lesung mit Andreas Kemper und Jutta Blume

am 09.03.2023 um 20.00 Uhr 
Gneisenaustr. 2a, 2. Hinterhof
U Mehringdamm


Totalitär-kapitalistische Ideologien und Netzwerke haben sich eines der ärmsten und autoritärsten Länder Lateinamerikas ausgesucht, um dort ihre Version einer ›Brave New World‹ zu realisieren: Honduras. Hier sollen Privatstädte entstehen, in denen Unternehmen mit eigener Gesetzgebung, eigenen Gerichten und privaten Sicherheitsorganen herrschen. Ginge es nach Unternehmern wie Titus Gebel, soll aber nicht nur in Honduras Demokratie »durch den Geldbeutel ersetzt« werden. Eigenen Worten zufolge möchte er noch zu seinen Lebzeiten solche Privatstädte auch in Deutschland sehen. Bereits 2009 wurden unmittelbar nach dem Putsch in Honduras die Weichen für die Übertragung lokaler Staatsgewalt an Privatunternehmen gestellt, um das Land zu einem Experimentierfeld – vor allem auch deutscher – Investor*innen zu machen. In Honduras waren drei solcher Investorenstädte vereinbart, denen weitgehende Autonomie in
Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung zugesprochen wurde. Das Gesetz über diese Privatstädte hebelte die Souveränität des Staates aus, erlaubte Enteignungen der lokalen Bevölkerung und stellte sie vor die Wahl, sich ihren neuen Herren zu unterwerfen und für sie zu arbeiten oder ihre angestammte Heimat zu verlassen.

Das Buch „Privatstädte – Labore für einen neuen Manchesterkapitalismus“ von Andreas Kemper wirft einen detailscharfen Blick auf diese manchesterkapitalistischen Netzwerke in Europa und den USA, berichtet aber ebenso auch von den massiven Protesten in immer mehr honduranischen Gemeinden, die sich gegen ihre Enteignung und Vertreibung wehren.

Die seit 2022 amtierende Regierung hat das Privatstadtgesetz aufgehoben. Zumindest ein Privatstadtunternehmen klagt dagegen vor einem internationalen Schiedsgericht und fordert eine Entschädigung in Milliardenhöhe.

Jutta Blume ist Autorin. Schon in ihrem Roman ‚Die Aktivistin‘ (2019) wird Honduras zur Kulisse der Geschichte um eine imaginäre Privatstadt. Zeitgleich beginnt in Honduras der Bau der ersten reale Privatstadt „Próspera“ auf der Insel Roatán. An der honduranischen Nordküste gibt es seit langem Widerstand gegen die Privatstädte, vor allem seitens der afro-indigenen Garífuna. Im August dieses Jahres war Jutta Blume mit einer Delegation in Honduras vor Ort und hat u.a. mit den Menschen in Roatán gesprochen. Sie berichtet, was seit dem Regierungswechsel in
Honduras geschehen ist.

Veranstalter: 



Samstag, 4. Februar 2023

Landverteidiger aus Triunfo de la Cruz tot aufgefunden

 Von  amerika21

Protest gegen die Morde an Gemeindemitgliedern, die um Erhalt und Rückgewinnung von angestammten Territorien in Honduras kämpfen QUELLE: MIDIA AVISPA

Triunfo de la Cruz. Ricardo Arnaúl Montero, Aktivist des honduranischen Landverteidigungskomitees Garífuna-Gemeinde Triunfo de la Cruz, ist tot aufgefunden worden. Die genauen Umstände sind noch unklar.

Montero war zusammen mit anderen Mitgliedern des Komitees für Schutz und Sicherheit eines wiedergewonnenen Territoriums innerhalb der Gemeinde zuständig. Die Organisation der afro-indigenen Garífunah in Honduras, Ofraneh, geht davon aus, dass er ermordet wurde.

Donnerstag, 19. Januar 2023

"Autonomie und gemeinschaftliche Selbstverwaltung gegen den entfesselten Kapitalismus"

 Gespräch mit Miriam Miranda, Generalkoordinatorin der Organisation der afro-indigenen Garífuna in Honduras, Ofraneh

Mittwoch, 18. Januar 2023

Kritik an Verlängerung des Ausnahmezustands in Honduras

 Regierung habe eine militaristische Auffassung von Sicherheit, vernachlässige die Gewaltprävention und stigmatisiere verarmte Jugendliche. Hohes Risiko von Menschenrechtsverletzungen durch Sicherheitskräfte

Samstag, 14. Januar 2023

Zwei Umweltschützer aus Guapinol erschossen

 Von  amerika21

Die Gemeinde Guapinol trauert um die getöteten Umweltaktivisten Aly Domínguez und Jairo Bonilla