PRESSEMITTEILUNG

München, 6. April 2021
In Honduras beginnt heute die Hauptverhandlung gegen den CEO des
Energieunternehmens Desarollos Energéticos (DESA) Roberto David Castillo
Mejía. Castillo wird beschuldigt, den Mord an der international
bekannten Menschenrechtsverteidigerin Berta Cáceres in Auftrag gegeben
zu haben. Cáceres wurde in der Nacht vom 2. auf den 3. März 2016 in
ihrem Haus von einem Killerkommando erschossen. Vier Täter sowie drei
Mittelsmänner, darunter ein Major der honduranischen Armee und ein
DESA-Manager, wurden im Dezember 2018 zu 50 bzw. 30 Jahren und sechs
Monaten Haft verurteilt.
Die honduranische Staatsanwaltschaft wirft David Castillo vor,
Auftraggeber des Mordes an Berta Cáceres zu sein. Eine Reihe von Chat-
und Telefonprotokollen weist seine Beteiligung und die Verbindung des
Mordes mit dem Widerstand von Cáceres, ihrer Organisation COPINH und
betroffener indigener Lenca-Gemeinden gegen das Wasserkraftwerk „Agua
Zarca“ nach.
„Wir solidarisieren uns mit Bertas Familienangehörigen und mit COPINH
und schließen uns den weltweiten Forderungen nach Wahrheit,
Gerechtigkeit, Reparationen und Garantien für die Nicht-Wiederholung des
Verbrechens an“, so Andrea Lammers, Honduras-Referentin des
Ökumenischen Büros für Frieden und Gerechtigkeit in München. „Gerade
jetzt, wo Honduras eine veritable Staatskrise erlebt und vor Gerichten
in New York endgültig klar wird, dass es sich um einen autokratischen
Narco-Staat handelt, dessen Institutionen eng mit dem organisierten
Verbrechen verwoben sind, muss das Gericht die Chance ergreifen und
zeigen, dass es willens ist, ein unabhängiges rechtsstaatliches
Verfahren nach internationalen Standards zu gewährleisten. Als nächstes
müssen zügig Ermittlungen gegen die weiteren Auftraggeber des Mordes und
die Mitwissenden und Komplizen in Militär und Staatsführung eingeleitet
werden.“
Hintergrundinformation:
Das Wasserkraftwerk „Agua Zarca“ am Fluss Gualcarque im Westen von
Honduras gelangte auch in Europa in den Schlagzeilen, weil es von
europäischen Entwicklungsbanken mitfinanziert wurde, nachdem bereits
mehrere lokale Kraftwerksgegner*innen getötet worden waren und weil das
Siemens Joint-Venture Voith Hydro dem Kunden DESA allen Warnungen zum
Trotz Turbinen dafür liefern wollte.
Der Prozess gegen DESA-Direktor Castillo war innerhalb von 13 Monaten
elfmal verschoben worden, weil seine Verteidigung im Vorverfahren
Rechtsmittel einlegte. Einige davon sind bis heute nicht abschließend
beurteilt. Die Nebenklage fürchtet, dass auch die Hauptverhandlung sehr
rasch wieder abgebrochen werden könnte. Andererseits ist das Gericht
Beobachter*innen zufolge unter Zeitdruck, denn Anfang Mai steht der
nächste Haftprüfungstermin für Castillo an, der seit 2. März 2018 in
Untersuchungshaft sitzt.
Berta Cáceres Angehörige und ihre Organisation COPINH sind überzeugt,
dass Castillo nicht der einzige Auftraggeber des Mordes war. Die
Prozessakten, so ihr Argument, deuten darauf hin, dass er zwischen den
Mittelsmännern, die das Killerkommando koordinierten und den
eigentlichen Auftraggebern aus den Reihen des Aufsichtsrates der DESA
vermittelte. Von Ermittlungen gegen diese, Mitglieder der mächtigen
Unternehmerfamilie Atala Zablah, ist bisher nichts bekannt.
DESA-Finanzvorstand Daniel Atala Midence ist allerdings als Zeuge im nun
beginnenden Prozess geladen.
Bevor er die Führung des Unternehmens DESA übernahm, war David
Castillo leitender Angestellter beim staatlichen Energieunternehmen
ENEE. Zuvor hatte er als Berater des Geheimdienstes der honduranischen
Armee gearbeitet; seine Ausbildung erhielt er an der Militärakademie der
Vereinigten Staaten in West Point (USA). Gegen Castillo läuft noch ein
weiterer Prozess im Korruptionsfall „Fraude sobre el Gualcarque“ (Betrug
am Gualcarque-Fluss), den die internationale Mission gegen Korruption
und Straflosigkeit MACCIH aufgedeckt hatte.
Links:
Bericht der Internationalen Expert*innengruppe (GAIPE) zur Causa Berta Cáceres (mit Chatprotokollen): https://gaipe.net/english/
Violence, Corruption & Impunity inthe Honduran Energy Industry: A profile of Roberto David Castillo Mejía:
http://www.dplf.org/en/resources/violence-corruption-impunity-honduran-energy-industry-profile-roberto-david-castillo-mejia
Website der Prozess-Beobachtungsmission Misión de Observación Causa Berta Cáceres: https://www.observacionbertacaceres.org/
Website des Consejo Cívico de Organizaciones Populares e Indígenas en
Honduras (Ziviler Rat der populären und indigenen Organisationen in
Honduras) COPINH: https://copinh.org/