Tegucigalpa. Die Proteste aufgrund des Korruptionsskandals in Honduras gewinnen weiterhin an Stärke. Am 29. Juni
blockierten
Aktivisten sozialer Organisationen über mehrere Stunden die
Verbindungsstraße Guatemala-Honduras bei Copan und riefen dazu auf, den
Widerstand und seine Aktionsformen auszuweiten.
Die Regierung von Präsident Juan Orlando Hernández gerät zunehmend
unter Druck. Die Demonstrierenden fordern unter anderem seinen Rücktritt
und die Einsetzung einer internationalen Kommission gegen die
Straflosigkeit. Am 1. Juli erließ die Staatsanwaltschaft Haftbefehle
gegen die Abgeordnete und Vizepräsidentin des Kongresses,
Lena Gutiérrez
und 15 weitere Personen. Gutiérrez von der regierenden Nationalen
Partei werden Betrug, Delikte gegen die öffentliche Gesundheit und
Dokumentenfälschung vorgeworfen.
Am Wochenende beteiligten sich erneut tausende Personen an den
landesweiten Fackelmärschen. Dem Hungerstreik, der am 22. Juni vor dem
Präsidentenpalast begann, schlossen sich im Laufe der Woche weitere
Personen an, unter ihnen sieben
Tolupan-Indigene. Zwei der Hungerstreikenden wurden indes aufgrund ihres kritischen Gesundheitszustandes in ein Krankenhauses eingeliefert.
Präsident Hernández, dem eine direkte Verwicklung in den
Korruptionsskandal vorgeworfen wird, begann diese Woche mit seinem
angekündigten "sozialen Dialog". Unter anderem traf er sich mit
Vertretern der kommerziellen Medien des Landes, der Kirchen und der
Regierung nahestehenden Institutionen und Organisationen. Über die
Mehrheit der Ergebnisse dieser Gespräche wurde bisher von
Regierungsseite nicht informiert. Die Vereinten Nationen und die
Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) kündigten ihre Bereitschaft
an, in dem Dialog zu vermitteln.
Der überwiegende Teil der Zivilgesellschaft lehnt das Dialogangebot
des Präsidenten ab und sieht darin eine Taktik zur Schwächung der
Proteste und zur Verhinderung einer wirklichen
Aufklärung
des Korruptionsskandals. "Der Dialog, der nötig ist, um die
Gesellschaft zu versöhnen und die Institutionalität wieder herzustellen,
kann nicht von denen einberufen und geleitet werden, die als Teil des
Problems infrage gestellt oder identifiziert werden und direkte Förderer
der Krise oder ihre direkten Verantwortlichen sind", erklärten mehrere
Intellektuelle des Landes in einem
offenen Brief.
Derweil nimmt die Repression gegen die "Opposition der Empörten", wie
sich die Protestierenden nennen, weiter zu. Am 27. Juni erklärten
Miguel Briceño und Ariel Varela nach einem
Übergriff
durch einen Polizeibeamten, der zur Besinnungslosigkeit von Briceño
führte, ihren Hungerstreik für beendet. Die beiden jungen Männer hatten
ihre Aktion direkt vor dem Präsidentenpalast gestartet und wurden
sofort nach dem Aufbau ihres Zeltlagers von Sicherheitskräften durch
Absperrgitter abgeschirmt. Briceño wurde am 30. Juni ohne rechtliche
Grundlage vorübergehend
verhaftet.
Die Hungerstreikenden und Unterstützer im Zeltlager in Tegucigalpa
beklagen Drohungen und psychische Folter durch Polizei und
Militäreinheiten. Gegen das Verhalten der Sicherheitskräfte und die
damit verbundene Einschränkungen der Meinungsfreiheit haben sie und
mehrere Organisationen am 3. Juli eine
Verfassungsklage vor dem obersten Gerichtshof eingereicht.
Seit Bekanntwerden der Verwicklung der regierenden Nationalen Partei
und hoher Regierungsfunktionäre in den Korruptionsskandal um das
Sozialversicherungsinstitut (IHSS) demonstrieren in Honduras
zehntausende Menschen landesweit gegen die Korruption und die Regierung
Hernández. Durch die Veruntreuung von mehr als 300 Millionen US-Dollar
aus dem IHSS brach das honduranische Gesundheitssystem zusammen.
Fehlende Medikamente und Ausstattungen in den Krankenhäusern werden für
den Tod von mehr als 2.800 Menschen verantwortlich gemacht.
Die "Opposition der Empörten"
ruft indes zu weiteren landesweiten Protesten für die kommenden Tage auf.