Freitag, 24. August 2018

Fall Berta Cáceres in Honduras: Sie wollen keinen juristischen Präzedenzfall schaffen




Sowohl der Copinh als auch die Angehörigen der getöteten indigenen Anführerin versichern, dass bis jetzt kein Wille gezeigt wurde, die Auftraggeber des Verbrechens zu ermitteln

Während das Datum des Prozessbeginns heranrückt, nehmen die Versuche zu, die Glaubwürdigkeit von Zeugen und unabhängigen Untersuchungen zu unterminieren. Das Recht auf Land und die
Gemeingüter zu verteidigen bleibt äußerst gefährlich.

Vom 10. bis zum 28. September wird in Honduras die öffentliche mündliche Verhandlung gegen acht Personen stattfinden, die beschuldigt werden, den Mord an der Anführerin der indigenen Lenca, Berta Cáceres, vorbereitet und durchgeführt zu haben. Unter ihnen befinden sich ehemalige wie aktive Militärangehörige und Personen aus dem Vorstand des Unternehmens Desarrollos Energéticos S.A. (Desa), das die Konzession für den Bau des Wasserkraftprojekts Agua Zarca innehat.

Jahrelang hat der Rat der Volks- und Indigenenorganisationen von Honduras (Consejo Cívico de Organizaciones Populares e Indígenas de Honduras, Copinh) – die Organisation, deren Koordinatorin Cáceres war – beharrlich dafür gekämpft, Desa und die staatliche chinesische Baufirma Sinohydro an der Umsetzung des Projektes zu hindern. Die betroffenen Gemeinden wurden niemals zu dem Bauvorhaben befragt, das schwere Umweltfolgen nach sich ziehen würde, insbesondere für den Gualcarque-Fluss, der dem Volk der Lenca heilig ist.

Der lange Konflikt hat zu Zusammenstößen und Spaltungen geführt. Die Region um Río Blanco, Intibucá wurde mehrfach militarisiert und Mitglieder der dortigen Lenca-Gemeinden wurden verfolgt und unterdrückt. Sie wurden Opfer von Attentaten, ihr Kampf wurde kriminalisiert und gerichtlich verfolgt. Die Angriffe auf Copinh hinterließen eine Bilanz von mehreren verletzten und getöteten Aktivisten.
Im Kontext der Verteidigung des Territoriums und der Gemeingüter, der Verfolgung und Repression wurde Berta Cáceres in der Nacht vom 2. auf den 3. März 2016 durch ein bewaffnetes Kommando ermordet.


Sonntag, 19. August 2018

Flughafen München GmbH: Geschäfte mit fragwürdigem Partner in Honduras



Nahe der Hauptstadt von Honduras wird der neue Flughafen in Kooperation mit der Munich Airport International gebaut Quelle: laprensa.hn
München/Tegucigalpa. Die Munich Airport International, ein Tochterunternehmen der Flughafen München GmbH (FMG), berät eine honduranische Firma beim Bau eines neuen Flughafens. Dieses Geschäft darf nach Auffassung von Menschenrechtsaktivisten wie auch der Fraktion der Grünen im Bayerischen
Landtag nicht stattfinden, denn dem Eigentümer der Flughafengesellschaft in Honduras werden schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Am Montag informierten der Landtagsabgeordnete der bayerischen Grünen, Christian Magerl, sowie das Ökumenische Büro für Frieden und Gerechtigkeit bei einer Pressekonferenz über das aus ihrer Sicht zweifelhafte Geschäft. Die Aussagen liegen Amerika21 vor.

Samstag, 11. August 2018

Mit Militär gegen Umweltschutz


Seit dem 1. August 2018 ist ein Protestcamp von Angehörigen der Gemeinde Guapinol / Landkreis Tocoa im Department Colón errichtet worden. Sie wehren sich gegen Bergbauaktivitäten verschiedener Unternehmen u.a. Inversiones Los Pinares von Lenir Pérez und Ana Facussé.

Protestcamp in Guapinol Foto: Radio Popular del Aguán

Lenir Perez und Ana Facussé gehören zu einer der einflussreichsten Familien Honduras`, die seit mehr als 20 Jahren einen der blutigsten Landkonflikte im Bajo Aguán verantwortlich sind.  

Bereits im Juni 2018 forderten die betroffenen Gemeinden vom Bürgermeister Adan Funéz und seinen Stadträt*innen eine offene Bürger*innenversammlung (cabildo abierto), auf der über zahlreichen Bergbaukonzessionen und- aktivitäten abgestimmt werden sollte. Funéz lehnte eine solche Bürger*innenversammlung rigoros ab, obwohl das honduranische Gesetz ihnen eine Mitbestimmung garantiert. 


MIT MILITÄR GEGEN UMWELTSCHUTZ 

erschienen in Lateinamerika Nachrichten (527 - Mai 2018)


Offener Brief zu den Permanenten Aggressionen gegen die Gemeinde Azacualpa und die begleitenden Organisationen


Angehörige der Gemeinde Azacualpa im Landkreis La Union und Mitglieder begleitender Menschenrechtsorganisationen wie u.a. der Bewegung für Würde und Gerechtigkeit (span. MADJ) der Verband der Nichtregierungsorganisationen von Honduras (span. ASONOG) sind seit geraumer Zeit einer Diskreditierungskampagne im Department Copán ausgesetzt. ASONOG dokumentierte in einem Kommuniqué die gewalttätigen Übergriffe gegen Mitglieder der Gemeinden Anfang August 2018. Dazu wurden die Beschäftigten des Minenunternehmens Minerales de Occidente S. A. (MINOSA) zu Protesten mobilisiert, die gegen die Gemeinden, die sich der Ausbeutung des Berges El Cementerio widersetzen. In lokalen und nationalen Sendern als auch in einigen Printmedien. 

Der Berg El Cementerio in der Gemeinde Azacualpa / Landkreis La Unión Foto: MADJ
Dies ist ein weiteres Indiz, dass sich in Lateinamerika die Militärdiktaturen in Diktaturen der Unternehmen gewandelt haben, so Miguel Urbina, Anwalt und Mitglied der unabhängigen internationalen Expertengruppe (GAIPE) in einer öffentlichen Veranstaltung in Berlin. Staatliche Funktionen würden durch Unternehmen ersetzt, sie bauen Schulen, Gesundheitszentren und Straßen und dies begünstige deren Entwicklungsmodell, so Urbina weiter. 

Von Seiten des honduranischen Justizsystems wurde im August 2017 der Angriff auf die Menschenrechtsverteidiger Martín Fernández und Oscar Martínez von MADJ schlichtweg nicht nachgegangen. Als weiteres Beispiel ist der Angriff der Nationalen Polizei im September 2017 auf die vier Menschenrechtsverteidiger*innen Maria Tomasa Morales, Carlos del Cid, Ariel Díaz und Hedme Castro zu nennen. In diesem Fall sind die drei verantwortlichen Polizeioffiziere frei gesprochen worden. Dies ist eine klare Aussage über die Schutz- und Rechtlosigkeit von Journalist*innen und Menschenrechtsaktivist*innen in Honduras.  


Im folgenden der Offene Brief, der an den Gemeinderat La Unión, an den Präsident des Obersten Gerichtshofes, der Ministerin für Menschenrechte und den Nationalen Kommissar für Menschenrechte gerichtet ist. 


Donnerstag, 9. August 2018

Pressekonferenz: Zu den Geschäften der Flughafen Gesellschaft München in Honduras

Wann? 13. August 2018    11 Uhr

Wo? Bayerischer Landtag, PK-Zimmer AB 211

mit? Dr. Christian Magerl, MdL, Freising // Andrea Lammers, Honduras-Referentin des Ökumenischen Büros München // Daniel Langmeier, Honduras Forum Schweiz, ehemaliger Menschenrechtsbeobachter   PROAH

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Geschäfte mit zweifelhaften Potentaten und deren Handlangern sollten für  landeseigene Unternehmen selbstverständlich tabu sein. Die Flughafen  Gesellschaft München (FMG), an der der Freistaat Bayern 51 Prozent der  Anteile hält, tut über ihre internationale Tochtergesellschaft MAI allerdings genau dies: Unter anderem berät sie in Honduras, einem Land,  dem die Vereinten Nationen eine „schwere Menschenrechtskrise“ bescheinigen, eine Gesellschaft zum Bau eines neuen Flughafens. Deren  Geschäftsführer Lenir Perez zeichnet nach Informationen der Landtags-Grünen selbst für erhebliche Menschenrechtsverletzungen verantwortlich. Dies hinderte FMG-Chef Michael Kerkloh indes nicht daran, dem undurchsichtigen Manager im April seine Aufwartung zu machen und zu einem medienwirksamen Auftritt auf der Flughafenbaustelle zu verhelfen.

Der Freisinger Grünen-Abgeordnete und Flughafenexperte Dr. Christian Magerl ist gemeinsam mit Andrea Lammers (Ökubüro München) und dem Menschenrechtler Daniel Langmeier den Honduras-Geschäften der FMG nachgegangen und hat dabei auch Details über deren Geschäftspartner zutage gefördert. Diese stellen wir im Rahmen einer Pressekonferenz vor, bei der Daniel Langmeier auch von eigenen Erfahrungen mit den Methoden des Lenir Perez berichten wird.


KONTAKT
Holger Laschka
Pressesprecher, Leiter Kommunikation
Bündnis 90/Die Grünen
im Bayerischen Landtag
Maximilianeum
81627 München
Tel. 089/4126-2734
Fax 089/4126-1762
Mobil 0175-2968635

Gericht ordnet Baustopp für Wasserkraftwerk „Los Planes“ an

Betroffene befürchten illegalen Weiterbau - Tiroler Turbinenbauer Geppert Hydropower reagiert nicht auf Anfragen

Nach einer Woche Untätigkeit der Gemeindeverwaltung in Tela errichteten die Bewohner*innen von Pajuiles vor dem Rathaus ein zweites Protestcamp. Bildquelle: MADJ
SAN PEDRO SULA (oekubuero – 7.8.2018) Ein Verwaltungsgericht in San Pedro Sula hat am 30. Juli 2018 einen Baustopp für das Wasserkraftwerk "Los Planes" angeordnet. Das Kraftwerk am Fluss Mezapa im Norden von Honduras steht aufgrund von massiven Umweltschäden und der Verseuchung des Trinkwassers von über 20.000 Menschen in der Kritik. Das österreichische Unternehmen Geppert Hydropower will Turbinen für „Los Planes“ liefern. Es ist zu befürchten, dass der honduranische Vertragspartner von Geppert, HIDROCEP, versuchen wird, trotz des Gerichtsurteils weiterzubauen. Wir haben Geppert Hydropower das Urteil zugeschickt und um eine Stellungnahme zu einem möglichen Lieferstopp gebeten, jedoch – wie bereits auf unseren Offenen Brief vom 21. Juni 2018 – keine Antwort erhalten. Die Betroffenen vor Ort müssen also wohl weiter davon ausgehen, dass die Tiroler Turbinen trotz Gerichtsurteil im August zur Baustelle gebracht werden.

Das Verwaltungsgericht in San Pedro Sula hat am 30.Juli 2018 in Sachen  der Amparo-Klage  gegen die Gemeindeverwaltung von Tela ein Urteil erlassen und angeordnet, die Bauarbeiten an dem Wasserkraftwerk „Los Planes“ des Unternehmens HIDROCEP einzustellen. Ein Amparo ist eine spezielles, vor allem in Lateinamerika gebräuchliches Rechtsmittel. Es wird u.a. benutzt, wenn staatliche Stellen ihrer Verpflichtung zum Schutz von Grundrechten nicht nachkommen.

Die Klage war am 7. Mai 2018 von Anwälten der Umweltorganisation MADJ in Vertretung des „Verwaltungsausschusses für Wasser und Abwasser“  der  Ortschaft Pajuiles eingereicht worden, nachdem die Gemeindeverwaltung von Tela „offenkundig, andauernd und straflos gegen das Menschenrecht auf  Wasser, Gesundheit und das Recht, Anträge einzureichen, verstoßen hat“, so eine Mitteilung des MADJ vom 2. August 2018.  Das Verfahren wurde nötig, weil die Gemeindeverwaltung acht Monate lang – seit dem 20. September 2017 – auf den Antrag, die  Bauarbeiten einzustellen, überhaupt nicht reagiert hatte. Sie behauptete, die Akte verloren zu haben und forderte nur, dass der Antrag noch einmal gestellt werde.

Das Urteil des Verwaltungsgerichtes verpflichtet nun die Gemeindeverwaltung von Tela, laut Mitteilung des MADJ:

1. den Baustopp für „Los Planes“ anzuordnen.

2. den Arbeitern des Unternehmens HIDROCEP, Privatpersonen, Polizeiangehörigen, Militärs und jeglichen weiteren Personen zu  verbieten, ihre Notdurft am Fluss Mezapa zu verrichten, wodurch koliforme  Fäkalbakterien das Wasser verseuchen.

3. Die Ermittlungsbehörden werden verpflichtet, auf die Einhaltung des Amparo-Schutzes zu achten und bei Nichteinhaltung nach rechtsstaatlichen Grundsätzen gegen die Gemeindeverwaltung vorzugehen.

MADJ betont, dass die Gemeindeverwaltung von Tela bei weiterem Nichtbefolgen der gerichtlichen Anordnungen mit strafrechtlichen Konsequenzen zu rechnen hat. Die Anwälte stellten persönlich sicher, dass die Gemeindeverwaltung mit Unterschriften und Stempeln bestätigte, dass sie das Gerichtsurteil des Verwaltungsgerichtes auch wirklich erhalten hat.
Ob sie ihrerseits Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen wird, ist nicht bekannt. Aufgrund der Größe der bereits angerichteten Schäden und der schweren Rechtsverletzungen, die auch schon zu (vom honduranischen Staat nicht umgesetzten) Anordnungen der Interamerikanischen Menschenrechtskommission führten, ist jedoch klar, dass der Baustopp im Sinne des Schutzes elementarer Rechte der Bevölkerung sofort umzusetzen ist, so MADJ-Anwalt Victor Fernández gegenüber dem deutsch-österreichischen Netzwerk HondurasDelegation.

Das Protestcamp der von Umwelt- und Gesundheitsschäden durch den Kraftwerksbau betroffenen Ortschaften des Sektors Pajuiles besteht nun seit über 500 Tagen. Mehr als 20.000 Menschen sind durch die Verschmutzung ihres Trinkwassers aus dem Fluss Mezapa geschädigt.

Donnerstag, 2. August 2018

Gerechtigkeit für Berta

 Andrea Lammers erschienen in Lateinamerika Nachrichten (529/530)
Neben den Vorbereitungen auf den Strafprozess bereitet COPINH eine Zivilklage gegen die niederländische Entwicklungsbank FMO vor

Zwischen dem  10.  und dem 28. September 2018 soll laut honduranischer  Justiz der Prozess gegen acht Angeklagte im Mordfall Berta Cáceres beginnen. Nach monatelangen Verzögerungen beeilt sich das Gericht, das Verfahren bis Ende November über die Bühne zu bringen. Dann nämlich müssten die überwiegend seit Mai 2016 in Untersuchungshaft sitzenden Häftlinge auf freien Fuß gesetzt werden. Bertas Organisation COPINH und ihre Familie fordern weiter die vollständige Aufklärung der kriminellen Strukturen hinter dem Mord.


Berta Cáceres war Generaldirektorin des Zivilen Rats der indigenen und Basisorganisationen von Honduras (COPINH), als sie am 2. März 2016 wegen ihres Kampfes gegen den Bau des Wasserkraftwerks Agua Zarca erschossen wurde. Im Mai 2018 reisten nun Bertas Töchter Bertha und Laura mit Francisco Sánchez, Mitglied der Leitung des COPINH, und Víctor Fernández als Verteidiger der Nebenklage durch mehrere europäische Länder, um Defizite der bisherigen Ermittlungen aufzuzeigen, die internationalen Dimensionen des Falles deutlich zu machen und eine Muster-Klage gegen eine europäische Entwicklungsbank, die niederländische halbstaatliche FMO, anzukündigen. Unterstützt wurde die Delegation von dem guatemaltekischen Juristen Miguel Ángel Urbina, der Mitglied der internationalen Expertengruppe Grupo Asesor Internacional de Personas Expertas (GAIPE) gewesen war (siehe LN 522).

Miguel Urbina, Francisco Sánchez und Laura Zúniga, im ECCHR in Berlin Quelle: CADEHO
Urbina stellte bei Gesprächen in Berlin klar, dass die GAIPE sich in ihrem Bericht, ganz wie eine offizielle Untersuchungskommission, die ja von der honduranischen Regierung nicht zugelassen wurde, ausschließlich auf belegbare Taten und Strukturen beschränkt habe. Ein Hauptproblem des aktuellen Verfahrens sei, dass die Anwälte der Nebenklage (COPINH und Bertas Familie) wie auch die Anwälte der Angeklagten nicht die vollständige Akteneinsicht  erhielten, die ihnen als Prozessbeteiligten zustehe. Die Rechte der Nebenklage seien von Anfang an verletzt worden. Kritikwürdig sei aber auch die Anklage an sich: Es fehle der Punkt „Bildung einer kriminellen Vereinigung“. Als solche habe Desarollos Energéticos (DESA) aber gehandelt, indem das Unternehmen seit 2012 Diffamierungskampagnen, Drohungen und Angriffe gegen die Gegner*innen des Kraftwerks Agua Zarca und COPINH organisiert habe. Anwälte seien angeheuert worden, um Berta Cáceres und weitere Leitungspersonen des COPINH zu kriminalisieren, Staatsanwälte und Richter seien bestochen, ein Auftragsmörder sei geschützt worden. Die honduranische Justiz weigere sich jedoch, die existierende Gesetzgebung im Sinne des Palermo-Abkommens auf die DESA anzuwenden. Sie verfolge damit ausschließlich die kriminellen Banden der so genannten Maras, nicht aber kriminell operierende Unternehmen.

Der Mordfall Berta Cáceres weise alle Charakteristika eines „Verbrechens gegen die Menschlichkeit“ auf. Die honduranische Gesetzgebung entspreche jedoch nicht den internationalen Standards, wie sie das Rom-Statut vorgibt, sodass im bevorstehenden Prozess die Anklage nur auf „Mord“ laute, und nicht, wie es korrekt wäre, auf „außergerichtliche Hinrichtung“, also ein Staatsverbrechen. Internationalen Standards widerspreche auch, so Urbina weiter, dass die Angeklagten keinerlei Rechtssicherheit hätten. So habe GAIPE herausgefunden, dass einer der mutmaßlichen Auftragsmörder, bei dem die angebliche Tatwaffe gefunden wurde, höchstwahrscheinlich gar nichts mit dem Mordfall zu tun habe.
Die Delegation kritisierte heftig, dass als mutmaßlicher Auftraggeber des Mordes bisher nur der Geschäftsführer der DESA, David Castillo, verhaftet wurde. Castillo sei ganz klar Angestellter gewesen und habe keine endgültigen Entscheidungen getroffen. Allein die begrenzten Ermittlungen der GAIPE hätten ergeben, dass mindestens eine Person aus der Ebene ober­halb der Geschäftsführung mutmaßlicher Auftraggeber des Mordes gewesen sei. Gegen diese Person und das Netzwerk hinter ihr werde jedoch nicht vorgegangen. Castillo, ein früherer Offizier des militärischen Geheim­dienstes, wurde in einer spektakulären, medien­­wirksamen Aktion genau am zweiten Todes­tag von Berta Cáceres, dem 2. März 2018, verhaftet. Mit einem Prozess gegen ihn wird – wenn überhaupt – erst für 2020 gerechnet.

Der Präsident des indigenen Rates der Region Río Blanco, Francisco Sánchez  berichtete, dass die Bauarbeiten für das Wasserkraftwerk Agua Zarca zwar eingestellt worden seien, die DESA aber weiter vor Ort präsent sei und dafür sorge, dass die für den Bau des Kraftwerks  absichtlich geschürte tiefe Spaltung der Gemeinden bestehen bleibe. Es gebe weiter Drohungen und einzelne Aktionen, wie das Niederbrennen von Bohnenpflanzungen. Auch Auftragsmörder­*innen seien noch immer in der Gegend.

Laura Zúñiga Cáceres betonte, es seien die Opfer gewesen, die den Prozess vorangetrieben hätten, obwohl der Staat alles getan habe, um sie immer wieder beiseite zu schieben. Bertas Familie und COPINH forderten Garantien für  die Nicht-Wiederholung derartiger Verbrechen. Diese Garantien seien nicht gegeben, solange die Auftraggeber*innen des Mordes und die Strukturen, die das Verbrechen ermöglicht haben nicht angetastet würden, solange Menschen­rechts­verteidiger*innen in Honduras nicht geschützt und die Selbstbestimmungsrechte indigener und bäuerlicher Gemeinden nicht respektiert würden: „Die gleichen Faktoren, die Berta und COPINH so verwundbar gemacht haben, werden immer weiter reproduziert. Und sogar die Missachtung der Rechte der Gemeinden wird nun auch noch legalisiert.“ Bertas Tochter kritisierte die Unterstützung  der Europäischen Union für das marode und korrupte honduranische Justizsystem mit Programmen wie EUROJUSTICIA, die teuer seien, aber keine positive Wirkung erkennen ließen.

Noch schwerer wiegen die Vorwürfe gegen europäische Entwicklungsbanken. Miguel Urbina: „Es gab eine Allianz zwischen dem internationalen Finanzsystem, dem Unternehmen und der Regierung. Die DESA hatte in einem bestimmten Moment kaum eigene Geldmittel. Das einzige Kapital, das sie besaß, war ihr politisches Kapital.“ Die niederländische FMO sei zu einem Zeitpunkt in die Finanzierung von Agua Zarca eingestiegen, als klar war, dass der DESA das Geld auszugehen drohte  und gleichzeitig die Berichte über Menschenrechtsverletzungen – einschließlich Morden – schon lange nicht mehr auszublenden waren. In Amsterdam kündigte COPINH deshalb eine zivilrechtliche Klage gegen die niederländische Entwicklungsbank FMO wegen unterlassener Sorgfaltspflichten an. Ein weiterer Geldgeber, die Zentralamerikanische Bank für Wirtschaftsintegration (span. BCIE, engl. CABEI) hat sich im Gegensatz zu FMO, Finnfund und dem Turbinenlieferanten Voith Hydro (einem Siemens-Joint-Venture, siehe LN 513) immer noch nicht aus dem Projekt Agua Zarca zurückgezogen. Spanien ist Teilhaber dieser multilateralen Entwicklungsbank. Gelder an sie fließen auch über die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau und die Österreichische Entwicklungsbank.

Während die Anwälte der Nebenklage sich auf den Prozess vorbereiten und internationale Expert*innen an Strategien tüfteln, um nach und nach die größeren Dimensionen des Falls in verschiedenen Ländern justiziabel zu machen, kursiert in Honduras seit einigen Monaten eine als seriöses Buch getarnte Schmäh­schrift: Berta Cáceres – Las intimidades de un conflicto. Sie versucht auf ebenso plumpe wie kuriose Weise von den Verstrickungen der DESA abzulenken. Eine kursorische erste Lektüre des über 100-seitigen Pamphlets zeigt die Grundzüge der Dramaturgie. Zunächst wird über viele Seiten das Bild einer bösen, wilden Frau (ungezogenes Mädchen, Guerillakämpferin, Verführerin) aufgebaut, um dann einen dramatischen Wandel einzuleiten: Ein Jahr vor ihrer Ermordung  einigt sich die geläuterte Berta friedlich mit DESA-Geschäftsführer David Castillo. Der hilft ihr großzügig aus privaten Finanznöten, bezahlt den Krankenhausaufenthalt ihrer Mutter und die DESA finanziert fortan stillschweigend COPINH mit. So bewirkt der tapfere Held, dass die ehedem gefährliche Organisation nur noch eine symbolische Protestfassade aufrechterhält, die den guten Unternehmensinteressen nicht mehr schadet. Und ganz nebenbei sind Geschäftsführer und Unternehmen von jedem möglichen Tatmotiv gereinigt. Ende gut, alles gut. Nicht ganz. Ein paar mögliche Motive des  „wirklichen, bisher vollkommen unbekannten Mörders“ muss der Autor dann doch noch anbieten: Neben der sattsam bekannten und nun wieder aufgewärmten Hypothese „Verbrechen aus Leidenschaft“ und dem „gewöhnlichen Raubmord“ fallen zwei zusätzliche Varianten auf: eine Verschwörung honduranischer Militärs, die aber so undurchsichtig und geheimnisvoll ist, dass sie nicht aufgeklärt werden kann; und, ganz handfest, das Abwälzen aller Verantwortung auf einen einzigen Bösewicht – den mitangeklagten Ex-Sicher­heits­chef der DESA, Douglas Bustillo. Er habe aus Rache das Mordkomplott eingefädelt, weil die geläuterte Berta bei der DESA seinen Rausschmiss wegen Disziplinlosigkeit erwirkt habe.

Ab September wird sich  zeigen, ob das Gericht zulässt, dass Teile dieser abgeschmackten Telenovela auf offener Bühne weitergespielt werden. Sicher ist schon jetzt, dass der nicht sehr subtile Subtext des Drehbuchs, nämlich die Diffamierungs- und Hetzkampagne gegen honduranische und internationale Menschenrechtsverteidiger*innen, kritische Medien, Anwält*innen, COPINH und befreundete Organisationen sich weiter in realen Aktionen entfalten wird.