Lesung mit Andreas Kemper und Jutta Blume
am 09.03.2023 um 20.00 Uhr
Gneisenaustr. 2a, 2. Hinterhof
U Mehringdamm
Totalitär-kapitalistische Ideologien und Netzwerke haben sich eines
der ärmsten und autoritärsten Länder Lateinamerikas ausgesucht, um dort
ihre Version einer ›Brave New World‹ zu realisieren: Honduras. Hier
sollen Privatstädte entstehen, in denen Unternehmen mit eigener
Gesetzgebung, eigenen Gerichten und privaten Sicherheitsorganen
herrschen. Ginge es nach Unternehmern wie Titus Gebel, soll aber nicht nur in Honduras
Demokratie »durch den Geldbeutel ersetzt« werden. Eigenen Worten zufolge
möchte er noch zu seinen Lebzeiten solche Privatstädte auch in
Deutschland sehen. Bereits 2009 wurden unmittelbar nach dem Putsch in
Honduras die Weichen für die Übertragung lokaler Staatsgewalt an
Privatunternehmen gestellt, um das Land zu einem Experimentierfeld – vor
allem auch deutscher – Investor*innen zu machen. In Honduras waren drei
solcher Investorenstädte vereinbart, denen weitgehende Autonomie in
Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung zugesprochen wurde. Das
Gesetz über diese Privatstädte hebelte die Souveränität des Staates aus,
erlaubte Enteignungen der lokalen Bevölkerung und stellte sie vor die
Wahl, sich ihren neuen Herren zu unterwerfen und für sie zu arbeiten
oder ihre angestammte Heimat zu verlassen.
Das Buch „Privatstädte – Labore für einen neuen Manchesterkapitalismus“ von Andreas Kemper
wirft einen detailscharfen Blick auf diese manchesterkapitalistischen
Netzwerke in Europa und den USA, berichtet aber ebenso auch von den
massiven Protesten in immer mehr honduranischen Gemeinden, die sich
gegen ihre Enteignung und Vertreibung wehren.
Die seit 2022 amtierende Regierung hat das Privatstadtgesetz
aufgehoben. Zumindest ein Privatstadtunternehmen klagt dagegen vor einem
internationalen Schiedsgericht und fordert eine Entschädigung in
Milliardenhöhe.
Jutta Blume ist Autorin. Schon in ihrem Roman ‚Die
Aktivistin‘ (2019) wird Honduras zur Kulisse der Geschichte um eine
imaginäre Privatstadt. Zeitgleich beginnt in Honduras der Bau der ersten
reale Privatstadt „Próspera“ auf der Insel Roatán. An der
honduranischen Nordküste gibt es seit langem Widerstand gegen die
Privatstädte, vor allem seitens der afro-indigenen Garífuna. Im August
dieses Jahres war Jutta Blume mit einer Delegation in Honduras vor Ort
und hat u.a. mit den Menschen in Roatán gesprochen. Sie berichtet, was
seit dem Regierungswechsel in
Honduras geschehen ist.
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