Bericht eines Besuchs bei Umweltverteidiger*innen im Norden von Honduras
von Rita Trautmann, erschienen in NaturFreunde Berlin
Die NaturFreunde und das Menschenrechtskollektiv Cadeho unterstützen ländliche Gemeinden im
Norden von Honduras, die vom Verlust ihres Lebensraums durch
Wirtschaftsprojekte – vor allem in der Stromerzeugung – bedroht sind. Die
Arbeit der Umweltverteidiger*innen ist gefährlich, denn Menschen, die sich in
Honduras aktiv für den Erhalt ihrer Ressourcen einsetzen, werden
eingeschüchtert, kriminalisiert oder gar ermordet. Rita
Trautmann ist im März 2023 in den Norden von Honduras gereist, um sich ein
eigenes Bild von der Situation zu machen und sich über die Entwicklung des
Projekts zu informieren. Hier berichtet sie von ihren Eindrücken.
„Was nützt uns ein Wasserkraftwerk, wenn unsere Gemeinde
trotzdem kein Strom bekommt?“ Magda Diaz stellt diese rhetorische Frage und
schaut dabei in die Runde der Versammelten. Sie ist eine energische Frau, die
in der Gemeinde Jilamito beim Schutz der natürlichen Ressourcen eine führende
Rolle spielt. Heute haben sich Bewohner*innen von Jilamito im Norden von
Honduras versammelt, um mir ihre Situation zu erläutern. Ich bin mit den
Kolleg*innen von FundAmbiente (Mitglied der Naturfreunde International)
unterwegs, um mir persönliche Eindrücke zu dem vom Entwicklungsministerium
finanzierten Projektes zur Stärkung von Basisorganisationen in ländlichen
Gemeinden zu verschaffen.
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Umweltaktivisten am Fluss Jilamito, der durch ein illegales Wasserkraftwerk bedroht ist Foto: NaturFreunde |
Ölpalmen, Viehweiden
und kleinbäuerliche Landwirtschaft
Um nach Jilamito zu gelangen, biegen wir von der wichtigsten
Verkehrsstraße, die im nördlichen Landesteil verläuft, ab und folgen einer
Schotterpiste. Der Pick-up schaukelt über die Schlaglöcher. Wir sind am Ort des
seit sechs Jahren bestehenden Protestcamps verabredet. Unterwegs füllt sich die
Ladefläche des Pick-ups, da die Weiler, die zur Gemeinde gehören, weit
verstreut sind. Die Straße schlängelt sich eine Anhöhe zwischen grünen Hügeln herauf.
Bewaldet sind nur noch die Hügelkuppen. Große Teile des Waldes mussten Ölpalmenplantagen
und Viehweiden weichen, an denen wir vorbeikommen.
Zwischendrin sind die Felder der Einwohner*innen, die im
landwirtschaftlichen System der Milpa angelegt sind. Bei diesem jahrhundertealten
Anbausystem bilden Mais, Bohnen und Kürbisse eine gute Symbiose. Die Bohnen liefern
Stickstoff und ranken am Mais hoch und die Blätter der Kürbispflanze beschatten
den Boden, um diesen vor Austrocknung und Erosion zu schützen.
Für die meisten Menschen in Jilamito ist Landwirtschaft
überlebenswichtig. Doch zum Überleben
benötigen sie neben Land noch eine andere Ressource: Wasser.
Für den Schutz des
Flusses
Am Versammlungsort angekommen, sind es Magda und Mitglieder
des lokalen Wasserkomitees, die uns gleich zum Fluss Jilamito führen.
Mittlerweile steht die Sonne hoch oben und die Luft ist feucht. Zum Glück ist
es nur ein kurzer Fußmarsch bis zum Fluss. „Das Wasser ist so sauber, dass wir
es als Trinkwasser benutzen“ erklärt Calixto vom Wasserkomitee und schöpft
Wasser aus dem Fluss. „Als hier begonnen wurde ein Wasserkraftwerk zu bauen,
war das Wasser verschmutzt“ führt er weiter aus. 30.000 Personen in den
umliegenden Gemeinden hängen von diesem Fluss mit der Trinkwasserversorgung ab.
Das war der Grund, weshalb wir uns vor sechs Jahren organisiert haben und für
den Schutz des Flusses kämpfen.
Der geplante Bau des Wasserkraftwerkes war von Beginn an
durch Intransparenz und Korruption gekennzeichnet. Auf eingelegte Rechtsmittel
reagierte die Justiz nicht. So haben sich die Bewohner*innen organisiert.
„Auch, wenn die Konzession noch nicht annulliert wurde, so ist zumindest der
Bau gestoppt und wir können das Wasser wieder nutzen“, sagt Magda. Sie ist Leidtragende
der Kriminalisierung des Protestes, denn ihr Mann ist im Zuge des Widerstands
gegen das Kraftwerk 2018 ermordet worden. Doch Magda Diaz strahlt Optimismus
aus: „Wir geben solange nicht auf, bis der Fluss wieder Gemeingut ist“, sagt
sie.
Regenwolken nahen und wir treten den Rückweg an. Denn am
Folgetag wartet eine längere Fahrt auf uns.
Sauberes Wasser und
Energie
Das Dorf Camaguey ist das nächste Ziel meines
Projektbesuches in Honduras. Camaguey liegt ca. 30 km von der
Fernverkehrsstraße im nördlichen Honduras entfernt. Doch für diese Strecke
benötigen wir fast zwei Stunden. Ich kann mich als Beifahrerin entspannen, während
sich meine beiden Kolleg*innen von FundAmbiente, Ileana und Santos, die sich
beim Fahren abwechseln, stark konzentrieren müssen. Der Weg ist staubig und
steinig, es gibt steile Anfahrten und drei Flüsse müssen mit dem Auto
durchquert werden.
Das Klima ist tropisch feuchtheiß und die Vegetation ist
üppig. Diese Region ist eine der wasserreichsten Gegenden in Honduras. Das
kleine Dörfchen Camaguey ist ein Beispiel dafür, wie ein Fluss neben der
Trinkwasserversorgung auch für Strom sorgen kann.
Ein Flusskraftwerk
„Am besten wir gehen gleich zum Flusskraftwerk, das sind nur
fünf Minuten“ begrüßt uns Panchito, ein ca. 60-Jähriger Mann. Er und weitere
Mitglieder der Kraftwerkskooperative haben uns bereits erwartet.
In der Mittagshitze geht es bergauf und bergab. Wir
durchqueren den Fluss, dessen Wasser eine angenehme Kühle hat. Auf der anderen
Seite gehen wir am Flussufer entlang. Aus den angekündigten fünf Minuten sind
inzwischen 30 Minuten geworden. Doch dann hören wir schon Geräusche eines
Wasserfalls. Ein letzter steiler Abstieg und wir stehen an einem Fluss mit
türkisblauem Wasser und einem malerischen Wasserfall.
Unterhalb des Wasserfalls befindet sich die
Wasserentnahmestelle für das kleine Kraftwerk. Ein Rohr ist in den Fluss
einbetoniert und leitet einen geringen Teil des Flusswassers durch eine Leitung
bis ins Dorf, wo die Turbine und der Generator stehen.
„Es ist nur wenig Wasser, was wir entnehmen“, erläutert
Panchito. „Dadurch bleibt für unsere Trinkwasserversorgung und die der
weiterunten gelegenen Dörfer genügend Wasser und das Wasser wird nicht
verschmutzt.“
Selbstorganisierte
Stromversorgung
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Selbstorganisierte Energieerzeugung - Turbine und Generator Foto: NaturFreunde |
Zurück im Dorf schauen wir uns die Turbine und den Generator
an. Beides befindet sich in unmittelbarer Nähe zu den Wohnhäusern, so kann die
Anlage leichter überprüft werden. „Die meiste Arbeit bestand beim Aufbau der
Strommasten. Alles wurde in Gemeinschaftsarbeit gemacht“, berichtet Panchito
nicht ohne Stolz. Kleine Probleme gäbe es derzeit mit Rechtstatus als
gemeinnützige Kooperative, so bekommen Santos und Ileana gleich eine Aufgabe
mit auf den Weg, denn eines solche Beratung gehört zur Arbeit von
FundAmbiente.
Das Kraftwerk mit einer Kapazität von vier Kilowatt versorgt
derzeit 16 Haushalt mit knapp 100 Personen, häufig wird nicht der ganze Strom
verbraucht. Einmal in der Woche wird die Anlage für die Wartung abgeschaltet.
Die Wartung übernehmen die Kooperativenmitglieder.
Santos hebt die Bedeutung dieser Kooperative hervor: „Für
andere Gemeinden ist das ein gutes Beispiel, wie eine umweltfreundliche und
selbstorganisierte Energieversorgung aussehen kann.“ Vor allem für Dörfer, die
nicht ans staatliche Stromnetz angeschlossen sind, ist eine solche kleine
Kraftwerksanlage ideal.
Angeregt durch dieses Beispiel tauschen wir uns auf dem
Rückweg über ähnliche Projekte aus.