Freitag, 20. Januar 2017

Podiumsdiskussion: "Grüne" Energie - auf Kosten der Menschenrechte Siemens-Projekte in der Westsahara, Honduras und Mexiko


Dienstag, 31. Januar, 19 Uhr
EineWeltHaus München, Schwanthalerstr. 80, Großer Saal

Mit:
Erik Hagen (Direktor, Western Sahara Resource Watch)

Tomás Gómez (Generalkoordinator, Rat indigener und Basisorganisationen von Honduras - COPINH)

Cristina Valdivia (Mexiko-Referentin,
Öku-Büro)

Christian Russau (Moderation, Dachverband Kritische Aktionäre)
 

Transnationale Unternehmen, wie der Münchner Weltkonzern Siemens, setzen zunehmend auf Projekte zur Gewinnung „Grüner“ Energie. Sie dienen vordergründig dem Klimaschutz und der „Entwicklung“ im globalen Süden, stoßen aber immer wieder auf den erbitterten Widerstand der betroffenen Bevölkerung. Völkerrechtsverletzungen werden zementiert, Gemeinden gespalten, indigene Rechte missachtet, Aktivist*innen kriminalisiert, bedroht und ermordet.  Im Vorfeld der Siemens Hauptversammlung am 1. Februar 2017 in München analysieren und diskutieren internationale Referent*innen die Auswirkungen von Solar-, Wasserkraft- und Windkraft-Projekten mit Siemens-Beteiligung in der von Marokko besetzten Westsahara, in Honduras und in Mexiko und fragen nach der Wirksamkeit von Menschenrechtsstandards für das Agieren transnationaler Konzerne.

Veranstalter:  Dachverband Kritische Aktionäre, fdcl, GegenStrömung, HondurasDelegation, medico international, Ökumenisches Büro für Frieden und Gerechtigkeit, Pro Regenwald

Freitag, 13. Januar 2017

„WIR LEBEN IN EINER DIKTATUR“



INTERVIEW MIT MARTÍN FERNÁNDEZ VON DER BEWEGUNG FÜR WÜRDE UND GERECHTIGKEIT (MADJ) ÜBER DIE VERNETZUNG SOZIALER BEWEGUNGEN

Im November fand in Tegucigalpa ein Gipfeltreffen von Gemeinden und Basisorganisationen statt, an dem mehr als 700 Delegierte aus rund 400 Gemeinden teilnahmen. Die Plattform der sozialen und Basisbewegungen von Honduras (PMSPH) hatte dazu aufgerufen, sich gemeinsam mit den Auswirkungen extraktivistischer Projekte und dem Widerstand dagegen auseinander zu setzen. Die Gemeinden sind von Infrastrukturprojekten wie Tagebau, Wasserkraftwerken, aber auch von riesigen Ölpalmen-Plantagen bedroht. Aktuell gibt es in Honduras 714 extraktivistische Projekte, für mehr als ein Drittel des honduranischen Territoriums hat der Staat Bergbau- und andere Konzessionen vergeben. LN interviewte Martín Fernández, der für die Bewegung für Würde und Gerechtigkeit (MADJ) an dem Treffen teilnahm.

Martín Fernández (Foto: Daniela Dreißig)
Welches waren die Ziele des Gipfels und zu welchen Ergebnissen ist man gekommen?
Der Gipfel war ein Erfolg, es waren Gemeinden aus 16 der insgesamt 18 Departments in Honduras vertreten. Ein zentrales Ziel war, einen Überblick über die Ausbreitung der extraktivistischen Projekte zu erhalten und zu erfahren, welche Regionen und Orte besonders betroffen sind und sich diesen Entwicklungen entgegenstellen. Wir kommen aus ganz verschiedenen Organisationen und Gemeinden und arbeiten nun zusammen. Unsere gemeinsame Analyse war gleichzeitig ein gemeinsamer Beginn der Zusammenarbeit. Wir diskutierten Strategien, wie wir dem Extraktivismus angemessen begegnen können. Diese Diskussionen haben uns sehr motiviert, da sie gleichzeitig eine nationale Vernetzung bedeuteten. Wir haben konkrete Erfahrungen ausgetauscht und erkannt, dass wir verschiedene Widerstandsmethoden gegen diese Projekte anwenden und insbesondere auch Alternativen entwickeln sollten. Der Regierung wurde deutlich gemacht, dass sie im ganzen Land auf eine aktive Bevölkerung trifft, die sich gegen diese Projekte - gegen diese Plünderung ihrer natürlichen Ressourcen - wehrt. In Gegenden, wo es diese Arbeit noch nicht gibt, soll sie zum Beispiel durch unsere Organisation unterstützt werden.

Welche Regionen sind von solchen Projekten am meisten betroffen?
Beinahe alle Regionen sind von diesen Projekten betroffen. Es gibt keine Region im Land, die nicht unter den verheerenden Auswirkungen des Extraktivismus leidet. Santa Barbara im Westen und der Süden sind besonders stark vom Bergbau betroffen, die Territorien der indigenen Gemeinden vom Bau von Wasserkraftwerken. Auf dem Gebiet der Lenca gibt es Bergbaukonzessionen und eine große Zahl Unternehmen ist dort aktiv, wie auch im Department Atlántida. Heutzutage sind wir als Land nicht mehr in der Lage, die Produktion von Lebensmitteln für die Bevölkerung sicher zu stellen. Das liegt unter anderem an der enormen Expansion der Ölpalm-Plantagen, besonders in den fruchtbarsten und produktivsten Regionen des Landes. Und hierbei geht es nicht nur um die Ernährungssicherheit, die Plantagen kontaminieren die Böden und laugen sie aus. Es wurde nachgewiesen, dass die Anlagen zur Extraktion der Palmfrüchte nicht den vorgeschriebenen Sicherheitsstandards entsprechen und dass es keine Kontrolle über die Abfallprodukte gibt. Der Einsatz von Pestiziden und Kunstdünger erhöht auch die Kontamination.

Gab es eine Reaktion der honduranischen Regierung oder ein Angebot zum Dialog nach dem Gipfel?
In den großen Medien wurde über das Treffen nicht berichtet, aber in den alternativen, unabhängigen Medien. Unsere Botschaft ist bei der Regierung angekommen, sie kann diese Mobilisierung nicht ignorieren. Der Extraktivismus ist ein Problem im ganzen Land, wir signalisieren der Regierung, dass wir uns gemeinsamen erhoben haben. Aber die Regierung wird einer Diskussion über Extraktivismus immer ausweichen. Er ist kein Geschäft für unser Land, sondern für die wenigen, die dieses Land regieren. Die strukturelle Korruption macht einen Dialog unmöglich, denn er wäre ein Angriff auf das eigene Kapital. Die Regierung ist in dieser Struktur fest verankert. Der gewöhnliche Politiker bildet eine Einheit mit den Unternehmern. Eine Annäherung der Regierung an die sozialen Bewegungen ist sehr kompliziert, da es skrupellose Leute sind, wenn es um das Management von öffentlichen Gütern geht.

Wie sieht die Arbeit von MADJ im Norden ganz konkret aus?
Die Begleitung der Gemeinden im Norden des Landes begann nach der Gründung des MADJ 2008. Besonders im ersten Jahr war diese Arbeit sehr schwierig. Es gab ein großes Problem mit Falschinformationen. Den Bewohnern der Gemeinden wurde über die Projekte, die in ihrem Umfeld entwickelt wurden, immer etwas vorgemacht. Sie erfuhren frühestens etwas Konkretes, wenn sich die Unternehmen in den Regionen fest installierten und begannen, Bäume zu fällen, Straßen in unwegsame, bergige Gebiete zu bauen und sie bereits die Auswirkungen in den eigenen Kommunen spürten, zum Beispiel bei der Trinkwasserversorgung. Das Wasser für die Projekte kommt aus den höher gelegenen Flussbecken. Einige der kommunalen Wasserversorger wurden durch die Arbeiten an den Wassereinzugsgebieten ernsthaft beeinträchtigt, einige wurden mit Erde bedeckt und damit war die Wasserversorgung nicht mehr gewährleistet. Das war ein böses Erwachen für die Gemeinden, denn manche verloren von einem auf den anderen Tag ihre Wasserversorgung. In dieser Zeit begannen die Aktivisten unserer Bewegung, die Umweltzerstörungen und die gesundheitsschädlichen Auswirkungen auf die Bevölkerung anzuzeigen. Wir befragten die Unternehmen und ihre Geschäftsführer, wie sie die Genehmigungen für ihre Projekte erhalten hatten. Und in vielen, nein in allen Projekten in Atlántida hatten sie in dieser Zeit ihre Lizenzen illegal erhalten. Die Gemeinden wurden nie befragt und vielerorts wurden Unterschriften gefälscht. Oftmals haben sie die Bevölkerung zusammengerufen, sie zu einem Mittagessen eingeladen und dafür Unterschriften gefordert. Die Unterschriftenlisten wurden dann so ausgelegt, als hätte sich die ansässige Bevölkerung mit diesen Projekten einverstanden erklärt. Dies zog eine Reihe von Anzeigen nach sich. Wir gingen in die Gemeinden und baten auch bei den Behörden, die die Lizenzen erteilten, um Informationen. Es gab eine Unmenge an solchen Projekten. Auf nationaler Ebene begannen wir Gemeinden zu sensibilisieren und darüber aufzuklären, wie diese Unternehmen agieren. Die großen Wasserkraftwerkbetreiber wollen die Bevölkerung glauben machen, dass sie für sie Energie produzieren.

Können Sie ein konkretes Beispiel für ein Wasserkraftwerk nennen?
Aktuell gibt es fünf dieser Projekte in Atlántida, bei denen weder die Gemeindeverwaltung noch die Bewohner Nutznießer sind. Ein Beispiel ist das Unternehmen Genera, das ein Wasserkraftwerk in La Masica betreibt. Im Jahr 2015 verdiente es ungefähr 89 Millionen Lempira (3,8 Millionen Dollar). Von diesem Betrag zahlte Genera gerade mal 7.000 Dollar an die Gemeindeverwaltung, und das für eine Laufzeit von 20 Jahren. Das ist ungeheuerlich und ein Raub öffentlicher Güter! 
In der honduranischen Verfassung und in allen untergeordneten Gesetzen steht, dass die Flüsse öffentlich sind. Es ist eigentlich nicht möglich, dass ein Unternehmen einen öffentlichen Raum für sich beansprucht und ihn privatisiert. Es gibt das Gesetz zum Schutz der Umwelt, die Gesundheits- und die Gemeindegesetzgebung – all diese Gesetze sind sehr nützliche Instrumente, um den Spekulationen, zum Beispiel in der Energieversorgung, ein Ende zu setzen. 

Das klingt sehr optimistisch, vor allem in Anbetracht des neuen Strafgesetzbuches. Darin ist ja ein neuer Straftatbestand aufgenommen, der insbesondere Protestaktionen verbietet, wenn davon ein Wasserkraftwerk betroffen ist; auch wenn die Proteste sich eigentlich für den Schutz des verfassungsmäßigen Rechts auf Wasser einsetzen. 
Das neue Strafgesetzbuch ist noch ein Entwurf, den der honduranische Kongress noch nicht verabschiedet hat. Von unserem Standpunkt aus interpretieren wir diese Gesetzesinitiative eher als Wegbereiter für weiteres Landgrabbing. Denn wer kontrolliert heute in diesem Land die Gemeingüter? Die nationalen und transnationalen Unternehmen. Besonders der genannte Artikel im Strafgesetzbuch schafft eine gewisse juristische Unsicherheit. Es gibt keine klare Aussage, was das Delikt sein soll, von wem es verübt wird, es ist mehr eine Leerstelle, als dass es präzise juristische Aussagen gibt. Und außerdem ist der Artikel verfassungswidrig, denn er verstößt gegen das Recht, seine Meinung zu äußern und sich frei zu bewegen. Er verstößt auch gegen alle anderen bereits verabschiedeten Gesetzgebungen, die ich genannt habe. Sicher ist nur, dass wir in einer Diktatur leben.

// Interview Daniela Dreißig, erschienen in Lateinamerika Nachrichten Nr.511 (Januar 2017)

Donnerstag, 12. Januar 2017

Studenten der Nationalen Universität für Landwirtschaft in Catacamas // Olancho (in spanischer Sprache)


Am 18. November 2016 wurde die Nationale Universität für Landwirtschaft (UNA) in Catacamas // Olancho durch ungefähr 1.500 Student*innen besetzt. Sie protestieren wegen der prekären Situation in der sie leben, die schlechte Bildung, die sie an der staatlichen Universität erhalten, gegen sexuelle Belästigung und sexuellen Missbrauch, gegen die Missachtung ihrer Rechte und gegen den Machtmissbrauch von Seiten des Rektors Marlon Escoto und weiterer Angestellter der UNA.

UNA-Reforma ist die Vereinigung, in der sich die Student*innen organisiert haben und ihre Proteste und Aktionen koordinieren. Sie hat die Pflege der landwirtschaftlichen Nutztiere und der Anbauflächen übernommen, die sie für ihre Selbstversorgung der Universität nutzen.

Am 9. Dezember 2016 sprach die HondurasDelegación mit zwei Studenten der UNA-Reforma. 

Dienstag, 10. Januar 2017

Universitätsbesetzung gegen Korruption in Honduras

 Daniela Dreißig in amerika21.de
Besetzung der Universität in Catacamas Quelle: Privat
Tegucigalpa. In Honduras hat der bisherige Bildungsminister Marlon Escoto am vergangenen Freitag nach langen Querelen seinen Posten aufgegeben. Über den Kurznachrichtendienst Twitter teilt er mit, dass er fortan nur noch als Rektor an der Nationalen Landwirtschaftlichen Universität (UNAG) arbeite. Dem Schritt vorausgegangen waren studentische Proteste an der staatlichen Universität in Catacamas. Die Studierenden der UNAG halten die Universität seit 53 Tagen besetzt.

"Einige Studiengänge können durch fehlende Ausstattung in den Laboratorien und durch unqualifizierte Dozentinnen und Dozenten nicht mehr unterrichtet werden", sagte Katherin Castillo, eine der Sprecherinnen der Studierenden, gegenüber amerika21. Das Problem von sexueller Belästigung und sexuellem Missbrauch von Studentinnen müsse thematisiert werden, so Castillo: "Wir fordern eine Untersuchungskommission und tiefgreifende Reformen, die sowohl akademische Normen als auch interne administrative und personelle Regeln festlegen." In einem Kommuniqué bekräftigten die Studierenden am Wochenende ihre Dialogbereitschaft.

Escoto hat sich 2016 zum dritten Mal als Rektor der UNAG wählen lassen, obwohl er nicht zwei öffentlichen Ämter gleichzeitig bekleiden darf. Zudem war sein Wirken von zahlreichen Skandalen überschattet. So wurde bekannt, dass Verträge mit Familienangehörigen von Escoto und anderen führenden Universitätsvertretern abgeschlossen wurden, die sowohl wichtige universitäre Posten als auch Mietverträge für die studentischen Unterkünfte umfassen. 17 Dozentinnen und Dozenten, die sich mit den Protesten dagegen solidarisierten, wurden entlassen.

Die rund 2.000 Stipendiaten der Hochschule müssen in desolaten Unterkünften hausen. Die Tageszeitung El Heraldo berichtete, dass die Unterkünfte in der Regenzeit regelmäßig unter Wasser stehen, in der Trockenzeit seien die Bewohner den hohen Temperaturen sowie Ungeziefer ausgesetzt; die sanitären Anlagen seien unhygienisch und es gebe zeitweise kein Wasser.

Während der Besetzung und der Proteste waren die Studierenden Angriffen von Universitätsangestellten ausgesetzt. Nach Berichten von Augenzeugen wurden Zäune niedergerissen, Verwaltungsräume mit Verträgen und Studienregistrierungen wurden von Angestellten der UNAG verwüstet, eine Studentin wurde mit einem Messer angegriffen.
Die Vorgänge dürften auch in Deutschland für Aufmerksamkeit sorgen. Im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit (EZ) kommt dem honduranischen Bildungssystem große Aufmerksamkeit zu. Auf der spanischsprachigen Website der deutschen Botschaft in Honduras heißt es dazu, der inzwischen zurückgetretene Bildungsminister Escoto gehe "entschlossen und erfolgreich gegen die existierenden Schwachstellen wie den Gehaltszahlungen fiktiver Lehrer, die Einstellung von nicht qualifizierten Lehrern und andere Fälle von Korruption vor."

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