Dienstag, 9. Februar 2021

Honduras 2020 - Hurrikans, Covid19 und Korruption

 

Tres Reyes im Landkreis Pimienta wurde im November durch den über die Ufer getretenen Fluß Ulúa zerstört. Foto Sean T. Hawkey 




Honduras ist eines der anfälligsten Länder gegenüber dem Klimawandel. Dürren und  Überschwemmungen sind jährlich wiederkommende Phänomene, doch dieses Jahr kamen zwei verheerende Hurrikans dazu. Die Bevölkerung leidet unter der anhaltenden politischen Krise seit dem Militärputsch im Jahr 2009, an der uferlosen Korruption der Funktionär*innen und nun auch an der Covid19-Pandemie. Auffällig dabei ist ein fehlendes Krisenmanagement.

Von Daniela Dreißig erschienen in Tierra y Libertad - Nr. 82 - Winter / Frühjahr 2021

Hurrikans verwüsten den Norden  

Im November 2020 suchten innerhalb von zwei Wochen die Hurrikans Eta und Iota Honduras heim. Enorme Niederschläge, die die Stürme begleiteten, verwüsteten den gesamten Norden des Landes. Auf Fotos und Videos in den sozialen Netzwerken sind über die Ufer getretene Flüsse, eingestürzte Brücken und schlammbedeckte Landstriche zu sehen, voll mit Habseligkeiten der Menschen, die einst dort lebten. Viele von den Fluten Überraschte harrten tagelang auf Dächern aus und campierten unter Brücken. Die Bilanz Mitte Dezember: 98 Tote, 4,1 Millionen direkt Betroffene und 216.000 Hektar zerstörte Anbauflächen. Zwei Wochen nach Durchzug von Iota waren noch immer 184.626 Menschen ohne Kontakt zur Außenwelt und 89.076 Menschen lebten in Herbergen. 

Ein Bericht der NGO CESPAD unterstreicht, dass Frauen und Mädchen am meisten von der klimatischen, sozialen und humanitären Notlage nach dem Durchzug der Hurrikans betroffen seien. Sie machen einen Großteil der in Herbergen unter gebrachten Bevölkerung aus. Es gäbe hunderte von Aussagen, die von Missbrauch und sexueller Belästigung berichten. Bei der Einrichtung und Versorgung der beherbergten Menschen wurde die Genderperspektive und Vulnerabilität der Frauen und Mädchen nicht berücksichtigt. Visitación Padilla, eine honduranische Frauenorganisation, ruft zu einer permanenten Bewachung der Herbergen auf, um die Frauen und Mädchen vor Übergriffen zu schützen.
Tierra y Libertad sprach Ende November mit Victor Fernández, Anwalt und politischer Koordinator der Breiten Bewegung für Würde und Gerechtigkeit (MADJ). Er lebt in der Industriestadt San Pedro Sula, die zum Katastrophengebiet gehört. Die MADJ unterstützt ländliche Gemeinden in den stark betroffenen Departments Atlántida, Cortés, Santa Barbara und Yoro. „Es gibt Gebiete im unteren Teil des Sulatals, wo keine staatliche Hilfe angekommen, geschweige denn die Regierung präsent ist.“ Auf den Mittelstreifen der Boulevards erstrecken sich kilometerlang provisorische Behausungen aus Brettern und Plastikplanen. „Diese Plätze sind zu rechtsfreien Räumen geworden, geprägt von Missbrauch, wobei Jungen, Mädchen und Frauen die Hauptlast der Gewalt tragen“, so Fernández weiter.

Tatenlosigkeit und Korruption   

Aus Angst vor Veruntreuung von Spenden aus der internationalen Gemeinschaft baten honduranische NGO‘s, die Spenden nicht über staatliche Stellen koordinieren zu lassen. Fernández sieht das Problem einerseits darin, dass die internationale Gemeinschaft traditionell die staatlichen Institutionen als Brücke nutze. Dazu habe das Regime die Regelung getroffen, dass alle Hilfe ausschließlich über sie kanalisiert werde. Anderseits könne die Zivilgesellschaft logistisch keine optimale Versorgung übernehmen.
„Das Regime hat die Berufung, jedes Mal wenn solche Ereignisse [Naturkatastrophen] über Honduras hereinbrechen, Straftaten zu begehen. Von ihm und seinen Partnern wird das [die Veruntreuung von öffentlichen Geldern] beinahe immer erwartet.“ Der Rechtsexperte Joaquin Mejía resümiert die Tatenlosigkeit des Regimes als schwere Verletzung nationalen und internationalen Rechts, indem es die Bevölkerung nicht rechtzeitig gewarnt, nicht für ihre Sicherheit gesorgt und letztendlich die Flutopfer sich selbst überlassen habe.

María und Isaac aus Chamelecón leben seit den Hurrikans unter einer Brücke. Foto: Sean T. Hawkey

Was jedoch während und nach den Überschwemmungen auch sichtbar wird, ist die Solidarität der Bevölkerung. Auf eigene Initiative organisiert sie Rettungsmaßnahmen von Eingeschlossenen und die Lebensmittelversorgung der Betroffenen. Fernández betont, dass dieses Modell der Solidarität jedoch keine Alternative zum Staat darstelle. „Das kriminelle Management der Nationalen Partei [Regierungspartei] ist offensichtlich. In Wirklichkeit ist sie eine straffällige Mafia, die vermeidet, durch das Justizsystem verfolgt zu werden. Jedoch geben die Überschwemmungen auch Anlass, zur Kritik und zu Mobilmachungen zurückzukehren, um die Unverfrorenheit dieses Regimes abzuschütteln“, betont Fernández weiter.

Fehlendes Krisenmanagement 

Die Fluten sind auf ein Land getroffen, das durch die Corona-Pandemie und die uferlose Korruption der Regierung und seiner Funktionäre wirtschaftlich in die Knie gezwungen wurde. Ab Mitte März wurde der Ausnahmezustand mit strikten Ausgangssperren verhängt, um die Ausbreitung der Corona-Infektion einzudämmen. Von den Restriktionen sind besonders diejenigen betroffen, die ihre spärlichen Einkünfte im informellen Sektor beziehen und denen schlichtweg der tägliche Lebensunterhalt wegfiel. Sie bilden 70 Prozent der Bevölkerung. Auf die folgenden Hungerproteste reagierte die Polizei mit Tränengas und Inhaftierungen.

Durch die Pandemie zeigte sich aber auch ein schlecht ausgestattetes Gesundheits-system, das nicht in der Lage ist, die Covid-19 Erkrankten zu versorgen. Darüber hinaus wurde das medizinische Personal nicht ausreichend mit Hygieneschutzmitteln ausgestattet, obwohl dem Regime bisher von internationalen Institutionen 3,7 Milliarden US-Dollar zur Eindämmung der Pandemie bereitgestellt wurden. Zu Recht fragt die honduranische Bevölkerung nach dem Verbleib der Gelder.
Bereits im März zahlte die honduranische Regierungsstelle INVEST-H, die für die Vergabe von Verträgen an private Unternehmen zuständig war, mehr als 47 Millionen US-Dollar für sieben mobile Krankenhäuser. Dabei beauftragte sie eine Vermittlerfirma, ohne vorherige Vertragsunterzeichnung und ohne Garantien oder Strafen bei eventuellen Lieferungsverzögerungen. Erst im Juli wurden zwei mobile Krankenhäuser geliefert, jedoch mit gebrauchter, teils kaputter Ausrüstung, die nicht zur adäquaten intensivmedizinischen Versorgung von Covid19-Erkrankten verwendet werden kann. Im Oktober kamen dann noch zwei weitere Krankenhäuser, die ebenfalls in einem maroden Zustand waren.

Während ein Großteil der Bevölkerung nicht weiß, wie er überleben soll, veruntreuen Regierungsbeamte skrupellos Steuergelder. Nach Berechnungen des Nationalen Antikorruptionsrates liegt der jährliche Verlust zwischen 2,073 und 2,487 Milliarden US-Dollar. Demnach wäre das schädlichste Phänomen die uferlose Korruption im Land. Jedoch dürfte für die beschuldigten Abgeordneten und Funktionär*innen das Jahr 2020 ein gutes Jahr gewesen sein, denn sie wurden durch das honduranische Justizsystem frei gesprochen. Es bleibt abzuwarten welche weiteren Auswirkungen die Überschwemmungen, die anhaltende Korruption, Gewalt und Perspektivlosigkeit für die honduranische Bevölkerung haben wird. Tausende von Honduraner*innen stehen bereit, ihrem Land den Rücken zu kehren.

 

Quellen:

https://www.acaps.org/country/honduras/crisis/complex-crisis

https://twitter.com/elpulsohn/status/1330853469977260032

https://honduras.un.org/es/105947-informe-de-cepal-eta-e-iota-tuvieron-un-impacto-de-mas-de-45-mil-millones-de-lempiras-en

http://cespad.org.hn/2020/12/17/emergencia-eta-iota-una-crisis-con-rostro-de-mujer/

https://radioprogresohn.net/joaquin-mejia/la-responsabilidad-de-max-gonzalez-ante-la-respuesta-y-prevencion-de-los-desastres-provocados-por-los-huracanes-eta-e-iota/

https://presencia.unah.edu.hn/noticias/corrupcion-anual-en-el-pais-supera-en-12-veces-el-presupuesto-destinado-a-la-unah/