Mittwoch, 11. Januar 2012

Mel Zelaya ein Leisetreter?

Gestürzter Honduras-Präsident will wieder an die Macht, doch seine Unterstützer sind nicht einig
Interview erschienen bei neues Deutschland 

Betty Matamoros
Fast zwei Jahre nach seinem Sturz durch einen Putsch kehrte der ehemalige honduranische Präsident José Manuel (Mel) Zelaya im Mai 2011 in seine Heimat zurück. Auf Vermittlung der Präsidenten Kolumbiens und Venezuelas hatte Zelaya mit der gegenwärtigen honduranischen Regierung einen Kompromiss geschlossen - das Abkommen von Cartagena. Danach soll die Widerstandsbewegung gegen den Putsch (Frente Nacional de Resistencia Popular - FNRP) als politische Partei an künftigen Wahlen teilnehmen können. Zelaya gründete daraufhin die Partei Freiheit und Wiederversöhnung (LIBRE), als deren Präsidentschaftskandidatin im Jahre 2013 Zelayas Frau, Xiomara Castro, antreten soll. Doch in der breit gefächerten Bewegung ist dies umstritten. Mit der FNRP-Aktivistin Betty Matamoros sprach für »nd« Kathrin Zeiske.



nd: Bewerten Sie das Abkommen von Cartagena als Erfolg für die Widerstandsbewegung gegen den Putsch in Honduras?
Mel Zelaya hat das Abkommen unterschrieben, um seine Rückkehr in die Wege zu leiten. Er hatte jedoch mit der Bewegung weder Rücksprache gehalten noch sie in die Entscheidung einbezogen. Das hat die FNRP durchgeschüttelt, denn das Abkommen betraf immerhin ihre eigene Zukunft, darunter die Integration in das Parteiensystem. Viele Gruppen in der Bewegung haben sich gegen eine Parteigründung ausgesprochen. In 12 von 18 Bundesstaaten hat die FNRP eine Parteigründung abgelehnt. Im Gegensatz dazu sprach sich die gewählte Führungsriege für die neue Partei aus und stellte sich hinter Zelaya.

Warum kritisieren Basisorganisationen die Parteigründung?
Die FNRP soll die sozialen Bewegungen in ihren Kämpfen unterstützen und sie vereinen, das ist ihre Hauptaufgabe. Die Vorbereitung auf Wahlen wird jedoch viel politische Energie verpuffen lassen. Angesichts der schwierigen Lage im Land müssen wir aber in Aktion bleiben, statt uns in Diskussionen aufzureiben. LIBRE darf lediglich der parteipolitische Arm der FNRP sein, die Partei kann die Bewegung als soziales Bündnis nicht ersetzen. Unsere Mittel sind weder Wahlen noch Waffen, unser Mittel ist der soziale Kampf. Der muss im Vordergrund stehen und Grundlage für alle weiteren politischen Projekte sein.

Ist angesichts der Parteigründung mit einer Spaltung der Bewegung zu rechnen?
Nein, eine Spaltung ist nicht in Aussicht. Auch wenn die FNRP-Führung und ihre Basisorganisationen gerade politisch auseinanderdriften, gibt es keine Diskussion über einen Austritt. Auseinandersetzungen sind gesund, schließlich will die FNRP kein monolithischer Block sein, sondern verschiedene Strömungen vereinen. Spannungen müssen wir aushalten, denn der Prozess ist das Ziel.

Wer wird die neue Partei LIBRE dominieren?
Bei parteiinternen Wahlen werden letztendlich die Liberalen profitieren, die sich nach dem Putsch von ihrer Partei getrennt hatten und Zelaya gefolgt sind. Sie bilden heute den rechten Flügel der Demokratiebewegung. Sie sind politikerfahren und wissen, wie man sich inszeniert, um Stimmen zu gewinnen.

Abgesehen von internen Spannungen, wie stehen die Chancen dafür, dass die Demokratiebewegung mittels der Wahlen 2013 die Macht in Honduras übernimmt?
Die Liberale Partei dominiert dieses Land seit 100 Jahren. Sie vertritt sehr konservative Werte und hat sich durch Korruption fest verankert. Sie wird ihre Besitzstände hart gegen eine neue Partei verteidigen. Vor allem aber bleibt zu fragen, wie Wahlen zu gewinnen sind, wenn die Oberste Wahlbehörde fest in Hand der ehemaligen Putschisten ist. Wer einen Putsch unternimmt, schreckt auch vor Wahlbetrug nicht zurück.

Die massenhafte Unterstützung, mit der viele nach der ersehnten Rückkehr Mel Zelayas gerechnet hatten, ist ausgeblieben. Warum?
Die FNRP hat riesige Mobilisierungspotenziale, aber Mel nutzt sie nicht. Er tritt gerade leise, denn seine oberstes Ziel ist, dass LIBRE vom Wahlausschuss offiziell ins Parteienregister eingeschrieben wird. Er hofft, durch Wahlen so schnell wie möglich wieder die Macht zu erlangen. Also macht er das Spiel mit und legitimiert das Regime Porfirio Lobos, während die FNRP es zu delegitimieren versucht. Wie können wir mit einem Regime, das uns umbringt, einen Dialog führen? Eine Versöhnung ist nicht in Aussicht, denn in Honduras handelt es sich um Staatsterrorismus.

Ist die Demokratiebewegung noch auf der Straße präsent?
Unbedingt, die Basis hat sich längst von der Führung unabhängig gemacht. Sie organisiert Demonstrationen und Aktionen zu allem, was ihr wichtig erscheint. Durch den Putsch sind die Leute aufmerksam geworden, in der Widerstandsbewegung haben sie gelernt, ihre eigenen Interessen zu erkennen und zu vertreten. Und die Menschen sind deprimiert. Arbeitslosigkeit, Armut, Kriminalität und Chancenlosigkeit haben seit dem Putsch dramatisch zugenommen. Politische Gewalt ist hinzugekommen.

Das Abkommen von Cartagena hat auch die Verbesserung der fatalen Menschenrechtslage zum Ziel. Hat es Fortschritte gegeben?
Leider nein. Die Demokratiebewegung ist schutzlos dem Antiterrorismusgesetz ausgesetzt. Die politischen Morde sind ein stiller Krieg gegen uns, die staatliche Seite aber schreibt sie der alltäglichen Gewalt im Lande zu. Im militarisierten Aguántal wurden über 50 Bauern ermordet. Auch kritischer Journalismus ist in diesem Land tödlich geworden; seit dem Putsch wurden 17 Journalisten umgebracht. Frauenmorde und Hassmorde an Transsexuellen richten sich gegen Aktivistinnen, spiegeln aber auch die Rechtswende im Land wieder.