Sonntag, 21. Juni 2015

Massive Proteste gegen Korruption und Straflosigkeit in Honduras


Vizepräsidentin des Parlaments unter anderem wegen Betrugs unter Verdacht. Breite Bewegung fordert Rücktritt von Präsident Hernández
Tegucigalpa. Seit rund drei Wochen protestieren zehntausende Honduraner in den Städten und Gemeinden gegen die offensichtliche Veruntreuung von Geldern aus dem Sozialversicherungsinstitut (IHSS) durch hochrangige Funktionäre verschiedener Institutionen als auch der Regierungspartei. Seit vergangenen Donnerstag steht nun auch die Vizepräsidentin des Parlaments, Lena Gutiérrez der Nationalen Partei, wegen Betrugs, Straftaten gegen die Gesundheit und Fälschung öffentlicher Dokumente unter Verdacht.

Die Protestierenden fordern den Rücktritt von Präsident Juan Orlando Hernández und die Schaffung einer Internationalen Kommission gegen Straflosigkeit in Honduras (CICIH). Aktivisten dieser Bewegung betonen, dass sie von keiner politischen Partei geführt werde. Sie würden so lange demonstrieren, bis die Verantwortlichen bestraft würden.



Erste Verlautbarungen über Korruption wurden mit den Berichten über fehlende Medikamente, Ausstattung und Personal in den öffentlichen Krankenhäusern 2013 geäußert. Seit bekannt wurde, dass Schecks unter anderem an Scheinfirmen ausgestellt wurden, gerieten immer mehr einflussreiche Personen aus Wirtschaft und Politik unter Korruptionsverdacht. Vergangenen Freitag wurden ein Teilhaber und der Rechtsvorsteher der Firma Dimesa, Shucri Kafie und Juan A. Madrid, verhaftet. Dimesa verkaufte medizinische Ausstattung zu überhöhten Preisen an öffentliche Krankenhäuser.

Das gesamte Ausmaß des Korruptionsskandals ist noch nicht abzuschätzen, beinahe täglich gibt es neue Indizien. Die Rede ist von mehr als 300 Millionen US-Dollar, die dem IHSS gestohlen wurden und mehr als 2.800 Toten, die durch fehlende Medikamente und Ausstattungen in den Krankenhäusern verstarben. Globo TV berichtet, dass Gelder aus dem IHSS über Scheinfirmen an die Nationale Partei unter anderem zur Finanzierung ihres Wahlkampfes 2013 weiter geleitet wurden. Präsident Hernández streitet indessen jegliche Kenntnisse über den Ursprung dieser Gelder ab.

Neben den Protesten der Bevölkerung meldet sich die Koalition gegen die Straflosigkeit (CCI), eine Allianz aus mehr als 35 Organisationen der Zivilgesellschaft, zu Wort. Sie fordert den Rücktritt des Staatsanwaltes Oscar Chinchilla und seines Stellvertreters Rigoberto Cuéllar. Ihnen wird unter anderem vorgeworfen, Gelder angenommen zu haben, um die Untersuchungen im Fall der Veruntreuung im IHSS zu behindern. Der mit den Ermittlungen beauftragte Staatsanwalt Roberto Ramírez musste aufgrund von Morddrohungen Ende Mai Honduras verlassen. Die Institutionen des Justizsystems müssen geordnet werden "und dies muss mit der Staatsanwaltschaft beginnen, weil wir glauben, dass dort die hauptsächlichen Versäumnisse bei der Untersuchung und der Verfolgung all jener für Korruption und Menschenrechtsverletzungen verantwortlichen Personen liegen", betont López Lone, Vertreter der ICC.

Ein weiterer Schritt in der notwendigen Reform des honduranischen Justizsystems wäre ein Mechanismus, der es den Bürgerinnen und Bürgern erlaubt, den Ausschuss zu prüfen, der die 15 neuen Richter des Obersten Gerichtshofes dieses Jahr ernennen wird. Jari Dixon, Abgeordneter der Oppositionspartei Libre, äußerte sich bereits im vergangenen Jahr skeptisch zur Gewaltenteilung in Honduras: "Das ganze System wird von der Regierung kontrolliert, der Oberste Gerichtshof, die Staatsanwaltschaft und der Nationalkongress, in dem die Mehrheit der Entscheidungen klar in der Exekutive getroffen werden."