Donnerstag, 23. Juni 2016

Berta Cáceres stand auf der Todesliste des honduranischen Militärs, sagt ein früherer Soldat


Verfasst von Nina Lakhan, veröffentlicht am 21.06.2016 TheGuardian y ElDiario

Eine vom US Spezialkräften trainierte Einheit war mit dem Mord an der Umweltaktivistin, die im März umgebracht wurde, beauftragt, so ein ehemaliger Soldat, der nun um sein Leben fürchtet
Berta Cáceres, Mitbegründerin von COPINH © Goldman Environmental Prize
Berta Cáceres, die ermordete Umweltaktivistin, erschien auf einer Todesliste, die an eine von US-Spezialkräften trainierte Einheit des honduranischen Militärs verteilt wurde; Monate vor ihrem Tod, behauptet ein ehemaliger Soldat.

Nach Oberfeldwebel Rodrigo Cruz, 20, wurden Listen mit Namen und Fotos Dutzender von Aktivist*innen sozialer und Umweltbewegungen, an zwei Eliteeinheiten gegeben mit dem Befehl jeden von der Liste zu eliminieren.



Der Kommandant von Cruz` Einheit, ein 24 -Jähriger Leutnant desertierte anstatt die Befehle auszuführen. Cruz – der aus Angst vor Vergeltung darum bat, unter einem Pseudonym genannt zu werden – folgte und floh ins Nachbarland. Mehrere andere Mitglieder der Einheit sind verschwunden und es ist zu befürchten, dass sie tot sind.

„Wenn ich nach Hause gehen würde, würde man mich töten. 10 meiner früheren Kollegen sind vermisst. Ich bin zu 100% sicher, dass Berta Cáceres vom Militär umgebracht wurde.“, sagte Cruz dem The Guardian.

Cáceres, eine führende indigene Lenca-Aktivistin, die 2015 den renommierten Goldman Umweltpreis für ihren Kampf gegen das Staudammprojekt Agua Zarca bekam, wurde im März in ihrem Haus erschossen. Vor ihrer Ermordung hat sie 33 Todesdrohungen angezeigt, die mit ihrer Arbeit im Zusammenhang standen und sie wies internationale Menschenrechtsbeobachter*innen darauf hin, dass ihr Name auf einer Todesliste stand.  

Laut Cruz erschien der Name von Cáceres auf einer Liste, die einer Militärpolizeieinheit der FUSINA (Nationale Streitkraft für Interinstitutionelle Sicherheit) übergeben wurde. FUSINA erhielt im letzten Sommer Trainings von 300 US-Marinesoldaten und FBI Agenten. 

5 Männer wurden wegen des Mordes an Cáceres verhaftet, einschließlich des Majors Mariano Díaz Chávez, Angehöriger der honduranischen Armee. Díaz hatte zuvor an einer gemeinsamen US-amerikanisch-honduranischen Militäroperation im Irak teilgenommen. Laut lokalen Medien war er Graduierter des Tesón-Kurses für Spezialoperationen, bei dem teilweise US-Spezialeinheiten unterrichten. Zum Zeitpunkt der Verhaftung war Díaz Polizeidozent, wurde aber dann unehrenhaft entlassen. 

Annie Bird, Direktorin der Organisation “Rights and Ecology”, die Menschenrechtsverletzungen in Honduras dokumentiert, sagte: “Die Aussagen von Cruz legen nahe, dass Todesschwadronen die politische Opposition zum Ziel haben. Allerdings ist das Justizsystem so defekt und indirekt von in Korruption verwickelten Personen kontrolliert, so dass niemand in Honduras glaubwürdig ermitteln kann.“

„The Guardian” interviewte Cruz mehrere Male per Telefon und Videoanrufe und sprach mit verschiedenen Personen – Akademiker*innen, lokale Führungspersönlichkeiten und Aktivist*innen – die Cruz interviewt haben und seine Identität und seinen Militärhintergrund bestätigt haben. 

Trainiert, um zu töten

Cruz trat im Dezember 2014 in die Armee ein und wurde nach 3-monatiger Grundausbildung ins 7. Bataillon der Militärpolizei versetzt. Diese wurde 2013 geschaffen, um die zivile Polizei, die in Korruption- und Missbrauchsvorwürfen verstrickt war, zu ersetzen. 

Er beendete zwei aufreibende Spezialtrainingslager, einschließlich des Tesón – Kurses, wo er von ausländischen Militärberatern – Amerikanern, Kolumbianern und Dozenten, dessen Sprache Cruz nicht identifizieren konnte - unterwiesen wurde. Im letzten Jahr wurde der Tesón-Kurs heiß diskutiert, nachdem Filmmaterial aufgetaucht ist, dass einen Auszubildenden zeigte, der gezwungen wurde, einen Hundekopf zu essen. 

Während seines Trainings war Cruz zweimal wegen Dehydrierung im Krankenhaus, dennoch beendete er den Kurs im Oktober letzten Jahres. Cruz und weitere 15 Männer aus seinem Bataillon wurden für den Dienst in der Task-Force „Xatruch“ ausgewählt – eine der beiden Streitkräfte, die für spezielle Anti-Drogen und Anti-Gang-Operationen eingesetzt werden. 

Die Task-Force “Xatruch” operiert an der karibischen Küste, die zu einer wichtigen Route der Drogenkartelle für Kokain aus Südamerika in die USA geworden ist. Die zweite Task-Force, FUSINA, ist im ganzen Land aktiv. 

Mitte Dezember versammelte der Kommandant von Cruz seine Untergebenen an einem Dienstagabend nach einem Fußballspiel und zeigte ihnen verschiedene Papiere mit Namen, Fotos, Adressen und Telefonnummern der Zielpersonen. Eine dieser Listen war für ihre Einheit bestimmt, die zweite für FUSINA. 

“Der Leutnant sagte, dass er nicht gewillt war den Befehlen Folge zu leisten, da die Ziele anständige Personen wären, die für ihre Gemeinden kämpfen würden. Er sagte, dass der Befehl von den Chefs des Personals kam und er vom Xatruch-Chef unter Druck gesetzt sei, die Befehle auszuführen.“, sagte Cruz. 

Einige Tage später, verließ der Leutnant die Militärbasis und wurde nicht mehr gesehen. 

Die Todesliste

Es war nicht das erste Mal, dass Cruz die Liste sah. Einige Wochen zuvor waren seinem Kommandanten in Punta Piedra, einer Gemeinde an der karibischen Küste, ähnliche Papiere aus der Westentasche in den Jeep gefallen, den Cruz fuhr. 

“Ich hatte sie nur für 20 oder 30 Sekunden in der Hand, erkannte aber einige Gesichter von Bauernführern aus der Region Bajo Aguán. Ich sagte nichts,“ so Cruz. 

Die Region Bajo Aguán – wo „Xatruch“ stationiert ist – ist Schauplatz einer Reihe von gewaltvollen Landkonflikten zwischen mächtigen Palmölmagnaten und lokalen Farmern. Mehr als 100 Menschen, vorrangig Bauernaktivisten, wurden ermordet, viele von ihnen durch die Hände von staatlichen und privaten Sicherheitskräften. 

Unter den von Cruz auf der Liste gesehenen Namen war auch der von Juan Galindo. Galindo war ein Aktivist, der nach Drohungen die Region verlassen hatte und im November 2014 umgebracht wurde, als er aus dem Exil zurückkehrte, um seine kranke Mutter zu besuchen.  

Cruz erkannte auch Johnny Rivas und Vitalino Àlvarez, bekannte Mitglieder der Vereinten Bauernbewegung (MUCA). Beide Männer gehörten zu den 123 Aktivisten aus der Bajo Aguán – Region, für die die Interamerikanische Menschenrechtskommission (IACHR) 2014 dringend Schutzmaßnahmen forderte. 

Álvarez, 52, der seit 2010 vier Attentate überlebte, sagte: „Es gibt eine systematische Strategie, die kämpferischsten sozialen Führungspersönlichkeiten zu eliminieren. Seit dem Berta ermordet wurde, gibt es Gerüchte, dass ich nun ganz oben auf der Liste stehe.“

Menschenrechtsgruppen haben die US-amerikanische Unterstützung für die honduranischen Sicherheitskräfte angesichts der anwachsenden Beweise, dass Polizei und Militär in systematischem Missbrauch involviert sind, verurteilt. Im April haben Aktivisten den Kongress drauf hingewiesen, dass Todesschwadronen oppositionelle Personen zum Ziel hätten, so wie sie es im „Schmutzigen Krieg“ in den 80er Jahren getan haben.

Laut den Zahlen des Verteidigungsministeriums unterstützt die USA Honduras seit 2010 mit einer geschätzten Summe von 200 Mio. $ für Polizei und Militär als Teil der Bemühungen organisiertes Verbrechen und nicht dokumentierte Migration zu bekämpfen. Zusätzlich bekommt Honduras einen Teil der im letzten Jahr vom Kongress bewilligten 750 Mio. $ für die „Alliance for Prosperity“ für das von Gewalt betroffene nördliche Dreieck Zentralamerikas. 

Beide Hilfspakete schließen Bedingungen für Menschenrechte ein, dennoch gab es keine Restriktionen, obwohl der Menschenrechtsbericht des US State Departments aussagt, dass „ungesetzliche und willkürliche Tötungen und andere kriminelle Aktivitäten von Angehörigen der Sicherheitskräfte“ eines der schwerwiegendsten Probleme des Landes seien.

Weder das honduranische Verteidigungsministerium noch das US State Department haben auf die wiederholten Anfragen nach Stellungnahmen durch “The Guardian” geantwortet. 

Ermordungen und Folter

Nachdem Cruz` Leutnant Mitte Dezember desertierte, wurden andere Angehörige seiner Einheit getrennt versetzt. Cruz arbeitete für ca. 10 Tage mit dem Kommandanten der Task – Force „Xatruch“.
Während dieser kurzen Zeit, so Cruz, wurde er mitten in der Nacht aufgeweckt, um schwarze Plastiksäcke zum Fluss Tocoa in der Region Bajo Aguán zu transportieren, wo Kollegen die Säcke mit menschlichen Resten von einer Brücke aus leerten.

Er beschreibt auch, dass er eine “Folterkammer” nahe einer Militärbasis in der Stadt Bonito Oriental gesehen hat. „Ich habe niemanden darin gesehen, aber es war noch frisches Blut da, ein Hammer, Nägel, Ketten und Zangen waren dort.“

Kurz danach wurden Cruz und seine Kollegen lange beurlaubt. Nun, da Cruz immer mehr um seine Sicherheit fürchtete, floh er ohne Papiere über die Grenze, da seine Passdokumente noch beim Militär sind. Er versteckt sich und seine Familie berichtete, dass Angehörige der Militärpolizei ihre Nachbarn über seinen Verbleib befragt haben.  

Lauren Carasik, Direktorin der International Human Rights Clinic an der Western New England Universität, sagte, dass die USA aufhören sollte, blind gegenüber der Gesetzlosigkeit zu sein.
„Dieser störende Beweis rauchender Gewehre bestärkt die Rufe, dass die USA ihre Militärhilfe für Honduras zurückziehen müssen, wo es seit dem Putsch 2009 ein Blutbad gibt.“

Die Gewalt in Honduras ist nach dem vom Militär gestützten Putsch im Juli 2009, bei dem der Präsident Manual Zelaya gewaltsam entmachtet wurde, dramatisch angestiegen.
Umweltaktivist*innen tragen die Hauptlast der Repression, nachdem die neue rechte Regierung Hunderte von Konzessionen für Megaprojekte, wie Bergbau oder Staudämme in ökologisch sensiblen Gebieten vergeben hat. Mindestens 109 Aktivist*innen wurde zwischen 2010 und 2015 ermordet. Dadurch ist Honduras eines der gefährlichsten Länder weltweit für Umweltaktivist*innen.
Eine zunehmende Zahl von US-amerikanischen Politikern hat ihre Bedenken zu dieser Situation ausgedrückt. 

Im August 2015 haben 21 Kongressabgeordnete an John Kerry, Außenminister der USA, geschrieben und ihre Bedenken über die Hilfe der USA für FUSINA ausgedrückt, da FUSINA wiederholt Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen wird

Letzte Woche wurde der Gesetzentwurf zu Menschenrechten Berta Cáceres (Berta Cáceres Human Rights Act in Honduras) von Hank Johnson dem Kongress vorgelegt, dies würde die Hilfe der USA suspendieren, bis Menschenrechtsverletzungen durch Sicherheitskräfte beendet sind.
“Wir stellen Honduras Millionen von Dollar als Hilfe für die Sicherheitskräfte zur Verfügung, aber die gleichen Kräfte sind es, die Umwelt-, Arbeits- und Menschenrechtsaktivist*innen wie Cáceres angreifen und umbringen, ohne dass es irgendeine wirksame Antwort seitens der Behörden gäbe.“, sagte Johnson. 

Bertita Zúñiga, Cáceres‘ Tochter, sagte, dass die Aussage von Cruz die Forderung der Familie nach einer unabhängigen internationalen Ermittlung nach den intellektuellen Mördern bestärke.
„Dies zeigt uns, dass Todesschwadronen innerhalb der Streitkräfte operieren, welche dazu benutzt werden, oppositionelle Personen loszuwerden. Es zeigt uns, dass Menschenrechtsverletzungen staatliche Politik in Honduras sind.“

Übersetzung: Rita Trautmann