Garifuna-Organisation protestiert gegen aktuellen Gesetzentwurf zur Konsultation
Enger Zusammenhang mit dem Mord an Berta Cáceres: Indigene Selbstbestimmungsrechte. Foto: OFRANEH |
La Ceiba – 20. Juni 2018 (OFRANEH). Kürzlich wurde ein Entwurf für ein Konsultationsgesetz in den (honduranischen, d. Red.) Kongress eingebracht. Der Entwurf wird von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) befürwortet, lässt jedoch die Kommentare der UN-Sonderberichterstatterin für indigene Völker, Victoria Tauli-Corpuz, vollständig außer Acht. Die Sonderberichterstatterin war vom Staat gebeten worden, über indigene Rechte und Mechanismen der vorherigen Konsultation beratend mitzuwirken.
Fast zwei Jahrzehnte nach der Ratifizierung der ILO-Konvention 169* leitete der Staat im Jahr 2012 die Erstellung des Gesetzesentwurfs ein. Dies geschah auf Ersuchen der Programme REDD und AVA FLEGT.** In der Folge entstanden drei verschiedene Gesetzesvorschläge: der CONPAH (des Verbandes der autochtonen Völker von Honduras; gilt als regierungsnah, d.Red.), der DINAFROH (Direktion der indigenen und afrikanischstämmigen Völker von Honduras; eine staatliche Behörde, d.Red) und des ODHPINH (Menschenrechtsobservatorium der indigenen Gemeinschaften von Honduras; gilt als unabhängig und regierungskritisch, d.Red.).
2016 nahm das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (PNUD) dann den Peruaner Ivan Lanegra unter Vertrag. Lanegras Aufgabe war, das peruanische Konsultationsgesetz für Honduras zu kopieren. Die Kopie durchlief einen Sozialisierungsprozess, der von PNUD und dem honduranischen Staat „Konsultation“ genannt wurde. Am 30. Mai 2016 präsentierte ODHPINH im Kongress einen eigenen Entwurf für ein Gesetz über die Konsultation und die freie, vorherige und informierte Zustimmung. Auf Druck der Exekutive, die ihre vom PNUD und dem Programm REDD initiierte Version durchsetzen will, wurde der Entwurf des ODHPINH jedoch ad acta gelegt.
Die Berichterstatterin Tauli-Corpuz nahm am 22. Dezember 2016 zu dem offiziellen Gesetzentwurf Stellung. Wegen der juristischen Irrtümer, die danach in den Entwurf von Ivan Lanegra eingeflossen waren, äußerte sie sich im Juni 2017 erneut. Sie erklärte unter anderem: „Ich fordere den honduranischen Staat nachdrücklich dazu auf, dass die internationalen Standards für die vorherige Konsultation und weitere Menschenrechte der indigenen Völker eingehalten werden.“
Mit Unterstützung der ILO, nahm der honduranische Staat in Artikel 2 des Gesetzentwurfes auf, dass die Konsultation „kein Vetorecht beinhaltet". Dies schränkt das Selbstbestimmungsrecht der indigenen Völker ein und bedeutet eine ernsthafte Bedrohung für ihre Zukunft. Dazu heißt es im Kommentar von Victoria Tauli-Corpuz: „Die Sonderberichterstatterin bringt ihre tiefe Besorgnis über Auslegungen des Übereinkommens 169 zum Ausdruck, die offensichtlich auf gewisse Rückschritte im Verständnis und in der Umsetzung der internationalen Standards für die Rechte indigener Völker hindeuten.
Während ihres Arbeitsbesuches bestanden Vertreter des Staates, der Unternehmerschaft und internationaler Organisationen, darunter die ILO auf regionaler Ebene, darauf, dass die Regelung der vorherigen Konsultation und die Ausarbeitung des Konsultationsgesetzes ausschließlich auf der Konvention 169 als juristischem Referenzrahmen basieren sollten. Es ist notwendig, erneut auf die weiteren Rechtsquellen zur vorherigen Konsultation hinzuweisen, die in den Kommentaren der Sonderberichterstatterin bereits genannt wurden. Außerdem musste sich der honduranische Staat wegen der fehlenden vorherigen Konsultation nicht nur vor der ILO verantworten, sondern auch vor anderen internationalen Menschenrechtsinstitutionen. Dazu zählt der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte, der den Staat für verantwortlich hielt, gegen die Amerikanische Menschenrechtskonvention verstoßen zu haben, da er die indigenen Völker in Bezug auf sie betreffende Maßnahmen nicht konsultiert hatte.“
Weiter heißt es in den Anmerkungen:„Laut den von einigen Regierungs- und Unternehmervertretern geäußerten Meinungen, muss das Gesetz ausschließlich als ein aus der ILO-Konvention 169 abgeleitetes Instrument verstanden werden. Demgemäß müssten Ausarbeitung und Verabschiedung dem dreigliedrigen Charakter der ILO entsprechen und lägen in Händen der Arbeitgebervertreter, der Gewerkschaften als Arbeitnehmervertretung und der Regierung.
Die Sonderberichterstatterin respektiert den dreigliedrigen Charakter der Mechanismen und Instrumente der ILO und ist der Meinung, dass der Privatsektor und die Gewerkschaften konstruktiv zur Ausarbeitung eines Gesetzes zur vorherigen Konsultation beitragen könnten. Nichtsdestotrotz muss betont werden, dass die indigenen Völker die Begünstigten und Inhaber aller in der Konvention 169 verankerten Rechte und weiterer Rechtsquellen sind, die von der vorherigen Konsultation indigener Völker handeln. Daher müssen die indigenen Völker die Hauptrolle bei der Ausarbeitung eines Gesetzes zur vorherigen Konsultation innehaben.
Im Hinblick auf dieses Thema möchte die Sonderberichterstatterin ihre große Besorgnis über die Aussagen einiger Regierungsvertreter zum Ausdruck bringen, die offenbar die Auffassung verteidigen, dass die Konvention 169 nicht die Menschenrechte indigener Völker behandelt, sondern nur arbeitsrechtliche Themen in einer Situation, in der indigene Völker die Rolle von Arbeitnehmern für die Arbeitgeber einnehmen.“
Versammlung der Garifuna in Trujillo und die totale Ablehnung der Entstellung der vorherigen Konsultation
Unter Beteiligung von mehr als 400 Garifuna aus verschiedenen Gemeinden fand am 13. Juni in der Stadt Trujillo eine außerordentliche Versammlung über den Gesetzentwurf zur vorherigen Konsultation statt. Die Gemeindeversammlung lehnte den vom honduranischen Staat angestrebten, aufgezwungenen Entwurf entschieden ab, da er nicht den internationalen Standards für indigene Rechte entspricht.
Nachdem die Versammlung die von der ILO unterstützte Gesetzesversion analysiert hatte, wies sie nachdrücklich darauf hin, dass der Staat die Empfehlungen der Berichterstatterin ignoriert hat. Er fügte stattdessen eine Reihe von nebulösen juristischen Formulierungen ein, die den Sinn der Konsultation diskreditieren. Die Konsultation wird in ein Verwaltungsverfahren verwandelt, in dem Zustimmung für das, was uns von Staat und Unternehmern aufgezwungen wird, die einzige Option ist.
Führende Mitglieder der Gemeinden und Verteidiger des angestammten Territoriums verurteilten, dass bereits eine Reihe von Gesetzen verabschiedet wurde, die die indigenen Völker betreffen, ohne die betroffenen Gemeinden zu irgendeinem Zeitpunkt konsultiert zu haben. So zum Beispiel zu Modellstädten (Sonderentwicklungszonen - ZEDE), zu Wasserkraftprojekten und zum so genannten „Gesetz zur Förderung des Tourismus“, wodurch selbst Naturschutzgebiete an ausländische Investoren übergeben würden.
Einige dieser schädlichen Gesetze wurden nach dem Besuch der Berichterstatterin verabschiedet, die in ihren Anmerkungen darauf hingewiesen hatte, dass „es angemessen wäre, dass die Regierung ihr Pflichtgefühl und ihren guten Willen unter Beweis stellt, indem sie einen Aufschub für die Verabschiedung oder Durchführung von Entwicklungs- oder Investitionsprojekten oder anderen ähnlichen Tätigkeiten, welche die Rechte der indigenen Völker beeinträchtigen könnten, veranlasst. Dieser Aufschub sollte gelten, bis ein neuer Dialogprozess zufriedenstellend beendet ist, das Gesetz über die vorherige Konsultation als Produkt dieses Dialoges in Kraft tritt und dann auf die Konzessionen oder Projekte angewendet werden würde.“
Im Juli des vergangenen Jahres wurde das „Gesetz zur Förderung des Tourismus“ verabschiedet, das vom Beratungsunternehmen McKinsey erarbeitet und beworben wurde. Von diesem Gesetz geht eine große Bedrohung für die Zukunft der Garifuna aus. Jetzt geht weitere Gefahr von der Verabschiedung des Konsultationsgesetzes aus, das dem Schutz der Interessen der mit dem aktuellen Regime verbündeten Elite aus Politik und Wirtschaft dient. Angesichts dessen befasste sich die Vollversammlung auch mit der Wichtigkeit (alternativer, d.Red.) Konsultationsmechanismen, wie zum Beispiel biokultureller Gemeinschaftprotokolle.
Zudem lehnte die Versammlung ausdrücklich die Verfolgung von Leitungspersonen der Gemeinden, und von Verteidigern ihrer Territorien ab, die willkürlich kriminalisiert und ohne gültige Haftbefehle festgenommen werden. Dies ist ein rassistisches und diskriminierendes Verhalten seitens der Justiz und der staatlichen Sicherheitskräfte.
Die Garifuna wiesen abschließend nochmals darauf hin, dass die Einzelinteressen mancher Politiker, die mit dem aktuellen Regime in Verbindung stehen, die Menschenrechte und territorialen Rechte unseres Volkes verletzen. Sie verstümmeln und entstellen den Wesenskern der Konsultation zugunsten purer Zustimmung und gefährden damit unser Überleben als Volk.
Organización Fraternal Negra Hondureña, OFRANEH
(Honduranische Garifuna-Organisation, OFRANEH)
Übersetzung: Monika Pilz
*Die ILO-Konvention 169 ist das „Übereinkommen über eingeborene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern“ der Internationalen Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen, d.Red.
*Die ILO-Konvention 169 ist das „Übereinkommen über eingeborene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern“ der Internationalen Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen, d.Red.
**Im Originaltext steht RED, gemeint ist aber REDD - Reducing Emissions from Deforestation and Degradation – ein Programm der Vereinten Nationen zur „Verringerung von Emissionen aus Entwaldung und zerstörerischer Waldnutzung“; AVA FLEGT ist ein Abkommen zwischen Honduras und der Europäischen Union, mit dem Ziel der Rechtsdurchsetzung, Politikgestaltung und Handel im Forstsektor; FLEGT = Forest Law Enforcement, Governance and Trade, d. Red.