Die beiden Familienväter waren mit ihrem Motorrad auf dem Heimweg in die benachbarte Gemeinde Guapinol. Sie waren Gründungsmitglieder des Widerstands gegen Eisenerztagebau in einem Naturschutzgebiet in den Bergen oberhalb ihrer Gemeinde und aktiv beim Aufbau eines Protestcamps dort.
Zahlreiche honduranische und internationale Menschenrechtsorganisationen sowie Amtsträger:innen, darunter die US-Botschafterin in Honduras, Laura Dogu, zeigten sich schockiert über den tödlichen Angriff und forderten von der Regierung eine umfassende Aufklärung.
Der Bericht der lokalen Polizei vom 7. Januar, der amerika21 vorliegt, stellt als Motiv "Raub" fest. Einige Medien und interessierte Kreise kolportieren dies seither und bestreiten damit jeden möglichen Zusammenhang mit dem Konflikt um die Eisenerzminen.
Familienangehörige und Mitstreiter:innen der beiden Ermordeten widersprechen dem. Leonel George, Mitglied des Gemeindekomitees zur Verteidigung der Gemeingüter in Tocoa, nannte den Bericht und die Arbeit der Polizei "verantwortungslos".
Der Bruder von Aly, Reynaldo Domínguez, betonte: Wer sie tötete, habe weder Geld, noch ihre Handys, noch das Motorrad und auch sonst keinerlei Habseligkeiten der Beiden mitgenommen. Er berichtete auch, dass die Polizei nicht am Tatort war, keinerlei Spurensicherung betrieben und nichts konfisziert hat. Der Polizeibericht bestätigt dies.
Das Muster des Mordes und die Vorgehensweise erinnert an den Fall der prominenten Aktivistin Berta Cáceres, die aktiv im Widerstand gegen das Wasserkraftwerk "Agua Zarca" war. Nach ihren Ermordung 2016 wurde sofort das Motiv einer Beziehungstat in Umlauf gebracht.
Seit August 2022 seien Umweltaktive aus Guapinol und Sector San Pedro verstärkt Opfer von Diffamierungskampagnen und Drohungen gewesen, prangerten das Komitee zur Verteidigung der Gemeingüter von Tocoa und das Umweltkomitee aus Guapinol an. Die Sicherheitslage der Aktivist:innen habe sich nach einer staatlichen Inspektion der Schäden durch die Eisenerztagebau ASP1 und ASP2 im Nationalpark "Carlos Escaleras" merklich verschlechtert.
Reynaldo Domínguez wies im Dezember 2022 bei einer Speakerstour in Europa, die ihn auch nach Berlin führte, ausdrücklich auf die Lebensgefahr für die Familienangehörigen und die weniger bekannten Mitglieder des Umweltkomitees hin. 2019 und 2020 waren bereits drei Umweltaktivisten aus Guapinol erschossen worden. Die Taten blieben straflos.
Familienangehörige und Gemeindekomitee misstrauen den lokalen Behörden und fordern eine unparteiische, hochrangige Sonderermittlungskommission mit internationaler Unterstützung. Der renommierte Menschenrechtsanwalt Joaquín Mejía machte die aktuelle Regierung für den Doppelmord mitverantwortlich, da sie die Konzessionen für die Eisenerztagebau trotz erdrückender Beweislast nicht annuliert habe.
Die Eisenerztagebaue in einem Trinkwasserschutzgebiet, eine Pelletieranlage und ein geplantes Wasserkraftwerk sind stark umstritten, da sie umweltschädlich und teils nachweislich illegale Projekte des honduranischen Unternehmerehepaars Lenir Pérez und Ana Facussé seien, so die Kritik. Die beiden galten als enge Verbündete des Ex-Präsidenten Juan Orlando Hernández, der seit April 2022 wegen Verwicklung in den Drogenhandel in einem US-Gefängnis sitzt.
Sie haben aber auch gute Beziehungen in heutige Regierungskreise: Beobachter:innen nennen familiäre Bande zwischen Facussé und der Familie von Manuel Zelaya, dem 2009 weggeputschten Ex-Präsidenten und heute Berater seiner Ehefrau, Staatspräsidentin Xiomara Castro. Der heutige Innenminister arbeitete früher in einem Anwaltsbüro, das Lenir Pérez vertritt. Seine Ehefrau ist dem Vernehmen nach immer noch dort beschäftigt. Pérez ist auch Geschäftspartner der Flughafen München GmbH in Honduras und El Salvador.
Der 38-jährige Domínguez gehörte zu den 32 Umweltaktiven, die 2019 fälschlich der Bildung einer kriminellen Vereinigung angeklagt wurden. Er war 13 Tage in Haft. Die Umweltschützer sollten, wie sie damals durch einen Zufall erfuhren, Opfer des Verschwindenlassens werden. Sie wurden dann aber in ein Hochsicherheitsgefängnis und nach massivem, auch internationalen Protesten, in ein gewöhnliches Gefängnis gebracht. Acht Mitglieder der Gruppe wurden erst nach über 900 Tagen Haft freigelassen.