Beschwerde gegen Entscheidung eingelegt. Organisationen sprechen von "systematischem Ausschluss" und "Betrug". Vereinbarung zwischen den drei etablierten Parteien vermutet
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Victor Fernández, unabhängiger Bürgermeisterkandidat für San Pedro Sula, während einer Protestaktion für die Einschreibung Quelle:@VictorFerG |
Tegucigalpa/San Pedro Sula. Sechs unabhängige Kandidat:innen dürfen voraussichtlich nicht an den Wahlen im November teilnehmen. Am 30. November finden in Honduras die Präsidentschafts-, Parlaments- und Kommunalwahlen statt.
In einer Presseerklärung vor der Wahlbehörde (CNE) am Freitag erklärte Víctor Fernández, unabhängiger Bewerber für das Bürgermeisteramt in San Pedro Sula und Koordinator der Menschenrechts- und Umweltbewegung (MADJ), dass sie Einspruch gegen die Entscheidungen der CNE wegen der nicht zugelassenen unabhängigen Kandidaturen zu den Wahlen eingereicht haben. Er schloss nicht aus, den Obersten Gerichtshof und internationale Instanzen anzurufen, um sicherzustellen, dass das Recht auf Teilnahme am politischen Prozess für die Bürger:innen respektiert wird.
Bereits zu Wochenbeginn kritisierte Fernández, dass "die CNE mit antidemokratischen Tricksereien, betrügerischer Absicht und durch Verletzung der Menschenrechte die Registrierung unserer Kandidatur für San Pedro Sula abgelehnt hat." Das MADJ, so Fernández weiter, habe alle notwendigen Anforderungen wie Unterschriften und entsprechende Fingerabdrücke eingereicht. San Pedro Sula liegt im Norden des Landes und ist die zweitgrößte Stadt. Sie ist Hauptstandort für große nationale und internationale Industrieansiedlungen, besonders auch Fabriken, die für den Weltmarkt produzieren.
Die MADJ hat in den Departments Atlántida und Yoro unabhängige Bewerber:innen für vier Gemeindeverwaltungen und einen Vorschlag zur Kandidatur als Parlamentsabgeordnete:r eingereicht. Amerika21 liegen die Entscheidungen der Wahlbehörde vor. Darin begründet sie, dass im Fall der unabhängigen Abgeordnetenkandidatur für das Department Atlántida nur 2.714 der notwendigen 2.965 Unterschriften anerkannt werden. "In einer Zusammenstellung von 303 Fingerabdrücken stimmen 161 Fingerabdrücke nicht mit den Informationen der Bürger:innen überein", heißt es in der schriftlichen Entscheidung der Wahlbehörde.
Im Fall der unabhängigen Kandidatin Albertina López, die für die Gemeindeverwaltung in Tela aufgestellt ist, seien 600 Unterschriften gefordert worden, die die MADJ mit mehr als 900 gesammelten Unterschriften sogar übertroffen habe. López ist ebenfalls Koordinatorin der MADJ und war beim Widerstand gegen den Bau des illegalen Wasserkraftwerkes Los Planes in ihrer Gemeinde Pajuiles zu einer führenden Aktivistin im Protestcamp geworden. Gegen López und weitere Aktivist:innen wurden Gerichtsverfahren eingeleitet, die jedoch mit einem Freispruch endeten. (amerika21 berichtete) Fernández und weitere Mitglieder der MADJ fordern von der Wahlbehörde Nachweise oder einen technischen Bericht über diese angeblich fehlende Übereinstimmung, sodass sie dies mit ihren gesammelten Daten überprüfen können. Die einzige unabhängige Kandidatur, die eine Einschreibung in der Wahlbehörde geschafft hat und von der MADJ unterstützt wird, ist die für das Bürgermeisteramt in Amapala, Hafenstadt im Süden des Landes. Landesweit wurden 32 unabhängige Kandidaturen beim CNE eingereicht.
Martin Fernández, Koordinator der MADJ und ebenfalls unabhängiger Kandidat als Abgeordneter für das Department Atlántida, erklärt amerika21 gegenüber, dass sie das Vorgehen der Wahlbehörde "als eine klare Linie" betrachten "unabhängige Kandidaturen nicht zu erlauben, beinahe generell nicht zuzulassen. In Orten wie San Pedro Sula, El Progreso, Tela könnten unsere Kandidaturen eine ziemlich starke Konkurrenz sein. Wir glauben, dass es eine Vereinbarung zwischen den drei Parteien gegeben hat. Für uns ist es jetzt schon Betrug."
Die MADJ wurde nach dem Hungerstreik gegen die Korruption im Justizsystem im Jahr 2008 gegründet und unterstützt seitdem Gemeinden gegen illegale Rodungen sowie gegen illegale Wasserkraft- und Bergbauprojekte in den Departments Atlántida, Yoro, Intibucá und Colón. Fernández gehörte zu den damaligen streikenden Staatsanwält:innen. In den Folgejahren nach dem Putsch leitete er die MADJ. Er begleitete unter anderem juristisch die 2016 ermordete Menschenrechtsverteidigerin Berta Cáceres im Fall des illegalen Baus des Wasserkraftwerks Agua Zarca.
Die drei Ratsmitglieder, die der Wahlbehörde vorstehen, vertreten mit ihrer Parteizugehörigkeit die jeweils drei größten Parteien: die Nationale Partei, die Liberale Partei und die aus dem Widerstand nach dem Militärputsch hervorgegangene Regierungspartei Libertad y Refundación (Libre). Die 2011 gegründete Partei Libre beendete das Zweiparteiensystem in Honduras. Im Jahr 2021 gewann Xiomara Castro mit Libre die Präsidentschaftswahlen.
Kritische Stimmen aus kleineren Parteien und aus der Zivilgesellschaft kritisieren die Wahlbehörde. So sprach Fátima Mena, Fraktionsvorsitzende der Partei Salvador de Honduras, gegenüber den Medien von "einer Institution, die demontiert und politisiert ist". Darüber hinaus wird der Libre-Regierung Korruption und Vetternwirtschaft vorgeworfen.
Es bleibt abzuwarten, ob die MADJ mit ihrer Beschwerde doch noch ihre parteiunabhängigen Kandidaturen einschreiben kann. Spätestens zehn Werktage nach Einreichung der Beschwerde muss die Wahlbehörde eine endgültige Entscheidung darüber fällen.