Ex-Drogenbehördenchef Alfredo Landaverde wollte in Honduras 2013 antreten. Kritiker: Polizei und Justiz von Drogenmafia unterwandert
Von Benjamin Beutler, amerika21.de
Teguciagalpa. Honduras wird derzeit von in einer Welle der Gewalt überschwemmt. Am Donnerstag Morgen erschossen Unbekannte den Ex-Drogenfahnder und Regierungsberater des gestürzten Ex-Präsidenten Manuel Zelaya, Alfredo Landaverde. Der 76-jährige Gründer der christdemokratischen Partei (PDCH) befand sich mit seiner Ehefrau Hilda Caldera in seinem Auto, als Maskierte von einem Motorrad herab das Feuer auf den PKW eröffneten. Landaverde, der zum Zeitpunkt des Angriffs auf der Fahrerseite saß, wurde tödlich getroffen. Seine Frau, eine Soziologin und Nichte von Venezuelas Ex-Präsident Rafael Caldera, überlebte das Attentat mit einem Schuss in den Rücken. Gegenüber amerika21.de erklärten informierte Kreise, dass Landaverde fest entschlossen war, bei den Präsidentschaftswahlen 2013 als PDCH-Kandidat ins Rennen zu gehen.
Manuel Zelaya reagierte mit schweren Anschuldigungen auf das Attentat. "Der Arm des Verbrechens ist in die Schichten des Staates eingedrungen, in alle operativen Mechanismen der Justiz", so der Ex-Präsident. Julieta Castellanos, Direktorin der Autonomen Universität von Honduras (UNAH), wertete die Ermordung von Landaverde als eine "Zuschaustellung des Staates". Noch wehre sie sich, Honduras als "gescheiterten Staat" zu bezeichnen, "obwohl nur noch sehr wenige Eigenschaften" dafür fehlen würden, so die enge Freundin der Familie Landaverde. Die Personalunion von Polizei, Militär und Politik ist auch für sie klar: "Wenn Uniformierte Verbrechen begehen und vom Staat gedeckt werden, dann ist das mehr als überfordert oder zusammengebrochen sein. Dann ist der Staat Komplize des Verbrechens."
Vermutlich wurde Landaverde Opfer seines unermüdlichen Kampfes für Menschenrechte und gegen Korruption. Von 1994 bis 1998 war er Mitglied zweiter Untersuchungskommissionen zur Kontrolle der Polizei. Als Ergebnis wurde die Nationale Ermittlungsdirektion (DIN) aufgelöst, eine wegen Geheimdienstaktivitäten, Entführungen, Folter und Verschwindenlassens von Menschenrechtsaktivisten gefürchtete Polizeieinheit. Einen Monat vor seiner Hinrichtung auf offener Straße hatte der 1940 geborene Polit-Analyst vom Ex-Minister für Sicherheit, Oscar Álvarez, in der Sendung "Von Angesicht zu Angesicht" die Herausgabe einer Liste von 25 hochrangigen Polizeibeamten gefordert. Sie unterhielten nach seinen Aussagen direkte Verbindungen zur Drogenmafia. Dieselbe Bitte richtete er an den damaligen Chef der Nationalpolizei, General José Luis Muñoz Licona, doch seine Petition verlief im Sande.
Der Tod des beliebten PDCH-Politikers ist der vorläufige Höhepunkt der seit dem Putsch 2009 entfachten Gewalt und der Ausbreitung der Drogenmafia in dem zentralamerikanischen Transitland für Kokain in Richtung USA. "Wenn wir ehrlich sind, müssen wir akzeptieren, dass die politischen Parteien im Kongress infiltriert sind", hatte Landaverde vor seinem Tod nachdrücklich vor dem Einfluss der Kokainmafias gewarnt. Neben den Parteien habe sich die organisierte Kriminalität im Parlament, der Privatwirtschaft, der Polizei, Ministerien und Behörden eingenistet, erinnert die Tageszeitung La Tribuna. Landaverde sei ein "mutiger Mann, der ohne Haare auf den Zähnen die Korruptheit in den Justiz-Institutionen angezeigt hat". Auch die jüngst von der Regierung beschlossene Zusammenlegung von Polizei und Armee hatte Landaverde massiv angegriffen.
Wer kritischen Stimmen wie Landaverde Gehör verschafft, steht in Honduras unter Lebensgefahr. Erst am Dienstag war die Journalistin Luz María Paz Villalobos und ihr Begleiter Delmer Canales von Unbekannten erschossen worden. Paz arbeitete für das Nachrichtenmagazin "Tres de Noticia" des Senders Radio Globo. Zu Putschzeiten war die Ermordete durch ihre "starke und unerschütterliche Kritik" bekannt geworden. Einen Tag vor ihrer Ermordung feuerten Männer ihre Schusswaffen auf das Redaktionsgebäude von La Tribuna ab, wohl ein letzter Warnschuss gegen die aufmüpfige Tageszeitung. Seit 2010 ist die Zahl getöteter Journalisten in Honduras nun auf 17 gestiegen.
Angesichts der desaströsen Lage in Honduras bleibt abzuwarten, wie sich Deutschland gegenüber den eklatanten Menschenrechtsverletzungen positioniert. Am Mittwoch endete eine Honduras-Reise des Entwicklungsausschusses des Bundestages. Man wolle "ein Bild von der aktuellen Lage" gewinnen, um "effektive Kontrolle und Beurteilung der Entwicklungspolitik der Bundesregierung zu gewährleisten".