Sonntag, 28. März 2021

Menschenrechte in Honduras? – kein Thema!

Im Gespräch mit der CIR berichtet der Anwalt Joaquín A. Mejía, dass sich Honduras zu einer Wahl-Autokratie entwickelt habe und dies ein fruchtbarer Boden für autoritäres Handeln, Korruption und Straflosigkeit sei. Seit dem Militärputsch 2009 ist Honduras zu einem Hotspot von Militarisierung und schweren Menschenrechtsverletzungen geworden. 

von Daniela Dreißig, erschienen in Presente 1/2021

Im öffentlichen und schlecht ausgestatteten Gesundheitswesen fehlt es an Schutzausrüstung für das Personal, an Intensivbetten und an Technik. Seit Ausbruch der Pandemie seien schon mehr als 70 Mitarbeiter*innen der Krankenhäuser an COVID-19 gestorben, berichtet Mejía.
Die von internationalen Geldgebern zur Verfügung gestellten ca. 3,7 Milliarden USDollar öffneten Veruntreuung und Missmanagement Tür und Tor.(1) Im März 2020 zahlte die honduranische Regierungsstelle INVEST- H, die für die Vergabe von Verträgen an private Unternehmen zuständig ist, mehr als 47 Millionen US-Dollar für sieben mobile Krankenhäuser. Ohne vorherige Vertragsunterzeichnung und ohne Garantien wurde dabei eine Vermittlerfirma mit der Beschaffung beauftragt. Im Juli und im Oktober wurden jeweils zwei mobile Krankenhäuser geliefert – mit gebrauchter, maroder Ausrüstung, die ungeeignet für die Versorgung von COVID- 19-Erkrankten ist.

FRAUENMORDE BLEIBEN UNGESÃœHNT
Mejía betont die schweren Menschenrechtsverletzungen, denen Frauen und Mädchen ausgesetzt sind. „Im letzten Jahr gab es 297 Morde an Frauen und Mädchen. Mehr als 90 Prozent dieser Fälle bleiben absolut straflos.“ Der Mord an der 26-jährigen Studentin Keyla Patricia Martínez am 7. Februar in Polizeigewahrsam in La Esperanza steht beispielhaft für diese Gesetzlosigkeit und den Machtmissbrauch der Polizei in Honduras. Noch immer behauptet die Polizei, dass sich die junge Frau umgebracht habe, obwohl die Autopsie eindeutig „Tod durch Ersticken“ belegt.(2) Der Ãœbergriff ist kein Einzelfall, wie Berichte gegenüber Radio Progreso und weiteren Medien belegen.(3) Frauen haben eine besonders große Last in der Gesellschaft zu tragen. Erst im Januar 2021 wurde eine Verfassungsänderung im Kongress beschlossen, die ein absolutes Abtreibungsverbot zementiert. Die Änderung stellt nun ein „Schutzschild“ dar, der eine Debatte und Fortschritte bei den Rechten auf sexuelle und reproduktive Gesundheit und den Zugang zu entsprechenden Dienstleistungen praktisch unmöglich macht. Dieses Verbot gilt auch nach Vergewaltigung, wenn Leben und Gesundheit der Schwangeren inGefahr sind und wenn der Fötus nach der Geburt nicht lebensfähig sein wird. Das Problem wird durch die verbreitete sexuelle Gewalt verschärft. Ein Notfallverhütungsmittel wie die „Pille danach“ ist ebenfalls verboten. Laut Strafgesetzbuch erwartet Frauen, die abtreiben, eine Gefängnisstrafe von 3 bis 6 Jahren.

WER SICH WEHRT, LEBT GEFÄHRLICH
Umweltaktivist*innen sind eine weitere Gruppe, deren Rechte durch die boomende extraktivistische Wirtschaft in ihren Rechten massiv verletzt werden, so Mejía: „Die Plattform für verletzte Kollektivrechte wies kürzlich darauf hin, dass Honduras unter allen Ländern Lateinamerikas die meisten Anführer*innen von Gemeinden hat, die wegenihres Widerstands gegen extraktivistische Projekte angegriffen werden. Mindestens 129 führende Angehörige indigener und afroindigener Gemeinden wurden in diesen Konflikten zwischen 2017 und 2019 attackiert. Das sind 44 Prozent aller Angriffe in Lateinamerika. Aktuell sind 71 Prozent der Gemeinden in Honduras von sogenannten ‚Entwicklungsprojekten‘ betroffen.“ Das selektiv agierende Justizsystem und die Ermittlungsbehörden spielen eine Schlüsselrolle in der Verteidigung des Wirtschaftsmodells. Zur Durchsetzung vor Ort werden Polizei und Militär eingesetzt. Die Kriminalisierung von acht Personen aus der Gemeinde Guapinol im Department Colon steht exemplarisch für die prekäre Lage der Umweltverteidiger*innen. Seit mindestens 16 Monaten sitzen sie in Untersuchungshaft, weil sie gegen den Eisenerzabbau und die damit einhergehende Zerstörung eines Naturschutzgebietes sowie der Trinkwasserversorgung des Ortes protestiert hatten. Die Justiz verweigert ihre Freilassung auf Kaution, obwohl sie wegen geringer Vergehen inhaftiert wurden.

STAAT SCHÃœTZT NUR DIE REICHEN UND KORRUPTEN
Umgekehrt wurden die Aggressionen der Mitarbeiter*innen des Unternehmens nicht geahndet. Auch wurden die Manipulationen um die Konzessionen und Betriebsgenehmigung nie durch ermittelnde Instanzen verfolgt. Das Bergbauprojekt hätte nie genehmigt werden dürfen, weil es in einem Naturschutzgebiet liegt. Kurzum verkleinerte der Kongress das ausgewiesene Gebiet, sodass die Konzessionen für den Eisenerzabbau in den nun „frei gewordenen“ Zonen vergeben werden konnten. Die Besitzer des Eisenerzunternehmens, Lenir Pérez und Ana Facussé, gehören zur einflussreichen Wirtschaftselite des Landes.

Kein Wunder, dass die Mehrheit der Bevölkerung der Meinung ist, Justizsystem und Staatsanwaltschaft schützten ausschließlich die Interessen der Reichen, Mächtigen und Korrupten.(4)

Menschenrechts-Anwalt Joaquín A. Mejía erhebt
schwere Vorwürfe angesichts der Lage in seiner Heimat.
 
 
1 https://elpulso.hn/2020/12/17/transparencia-internacional-revela-que-honduras-recibio-tres-mil-700-millones-de-dolares-por-pandemia/
2 https://proceso.hn/keyla-llego-muerta-al-hospital-se-le-podia-ver-la-ropa-interior-y-tenia-morada-la-oreja-cuenta-doctora/
3 https://www.facebook.com/RadioProgresoPaginaOficial/videos/106567461364416
3 https://eric-sj.org/envio/la-justicia-selectiva-el-caso-guapinol-y-el-caso-pandora/
4 https://eric-sj.org/envio/la-justicia-selectiva-el-caso-guapinol-y-el-caso-pandora/
 
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Am 21. März 2021, wurde der indigene Menschenrechtsverteidiger Juan Carlos Cerros Escalante vor der katholischen Kirche in der Gemeinde Nueva Granada, San Antonio, Departement Cortés (Honduras) getötet. Unbekannte Angreifer kamen auf ihn zu und schossen mehrfach auf ihn, als er mit seinen Kindern auf dem Heimweg war. Cerros Escalante, für den der IAHCR Schutzmaßnahmen angeordnet hatte, gehörte zu einer Gruppe von Dorfbewohner*innen, die sich gegen die Installation des Wasserkraftprojekts "El Tornillito" in Chinda engagierten. Er stammte aus Chinda, wo er einen Zusammenschluss von Lenca-Gemeinden koordinierte, und war Mitglied der Umweltbewegung des Departements Santa Barbara (MAS).