Dienstag, 27. Mai 2014

Tödliche Angriffe und Polizeifolter gegen Mitglieder der indigenen Widerstandsbewegung und der Partei LIBRE

Am vergangenen Wochenende fanden zwei tödliche Attentate auf Aktivisten der indigenen Bewegung in der Lenca-Region im Westen von Honduras statt. Mehrere Personen wurden verletzt.
In einer Erklärung von Montag, dem 26. Mai beschreibt die Lenca-Organisation COPINH die beiden Vorfälle:

San Francisco de Opalaca

In der Lenca-Gemeinde San Francisco de Opalaca eröffnete eine Gruppe von Angestellten des ehemaligen Bürgermeisters Socorro Sánchez das Feuer auf Irene Meza und Plutarco Bonilla, Angehörige der Partei LIBRE und Sympathisanten der Organisation COPINH. Meza und Bonilla kamen von einer Bürgerversammlung, bei der Unregelmäßigkeiten der Amtsführung von Socorro Sánchez (Nationale Partei) geklärt werden sollten und das weitere Vorgehen beim Aufbau einer autonomen indigenen Gemeindeverwaltung diskutiert wurde.



Meza, der mit Schüssen in Brust und Bauch verletzt wurde, wurde in Begleitung von Bonilla in ein Krankenhaus gebracht. Auf dem Weg dahin brachte eine weitere Gruppe schwer bewaffneter Männer deren Fahrzeug durch Beschuss außer Kontrolle, was zum Tode Mezas führte. Bonilla trug eine Schussverletzung an der Hand davon. Die mindestens sieben maskierten Männer, die das Attentat verübten, konnten als Gefolgsleute des Ex-Bürgermeisters Sánchez namentlich identifiziert werden.

Vertreter_innen der Lenca-Selbstverwaltung von San Francisco Opalaca und der Partei LIBRE machen laut dem Online-Magazin der Menschenrechtsorganisation COFADEH, defensoresenlinea.com, den Ex-Bürgermeister Socorro Sánchez und weitere Angehörige der Nationalen Partei als intellektuelle Täter verantwortlich.

Seit mehr als vier Monaten beklagen Bürgerinnen und Bürger von San Francisco de Opalaca, dass es im November 2013 einen Wahlbetrug gegeben habe. Nach offiziellen Angaben führte die Gemeinderatswahl zu einem Stimmen-Patt zwischen Socorro Sánchez, dem bisherigen Bürgermeister der rechtsgerichteten Nationalen Partei und Entimo Vásquez von der linken Partei LIBRE. Das Obersten Wahlgericht sprach daraufhin den Posten Sánchez zu. Das wurde von der Bevölkerung nicht akzeptiert. Sie blockiert seither das Bürgermeisteramt; die indigenen Selbstverwaltungsorgane erklärten Entimo Vásquez zum legitimen Bürgermeister der Gemeinde. Dabei berufen sie sich auf die im ILO-Artikel 169 festgeschriebenen Rechte auf indigene Selbstverwaltung.

Bereits im Februar 2014 wurde die Leiche des Bruders von Entimo Vásquez, Justiniano Vásquez gefunden. Sie wies starke Verletzungen und Spuren von Fesselung der Hände auf.

Rio Blanco

In derselben Erklärung beklagt COPINH den Mord an William Jacobo Rodríguez, einem „engagierten Kämpfer für die Verteidigung des Rio Gualcarque gegen das Staudammprojekt Agua Zarca", welches die honduranische Gesellschaft DESA auf dem Lenca-Territorium unterhalb der Gemeinde Rio Blanco errichten will.

Der Aktivist wurde in der Nacht vom 24. auf den 25. Mai auf dem Rückweg zu seinem Haus erschossen. Obwohl eine Person den Mord bereits gestanden hatte und die Tat nicht unbedingt in direktem Zusammenhang mit dem Staudammprojekt steht, nahm die örtliche Polizeieinheit, nach Angaben von COPINH, den Vorfall zum Anlass für eine Razzia in mehreren privaten Häusern. Dabei wurden die COPINH-Mitglieder Lindolfo Benítez und Salvador Sánchez festgenommen und über Nacht auf der Polizeiwache gefoltert. Der Polizeiposten wurde im Zuge des Konfliktes um das Staudammprojekt installiert und residiert in den Gebäuden der DESA. Darüberhinaus, so COPINH weiter, wurden bei der Razzia Minderjährige mit dem Tode bedroht. Auch Francisco Javier Sánchez, Präsident des Indigenen Rates von Rio Blanco und leitender Mitarbeiter von COPINH, wurde bedroht.

Berta Cáceres, Direktorin von COPINH, hält die genannten Vorfälle für eine Reaktion auf das wachsende Selbstbewusstsein der indigenen Bevölkerung. Dem gegenüber stehe ein steigendes Interesse der honduranischen Regierung auf des Territorium der Lenca zuzugreifen, um weitere Staudamm- und Minenprojekte zu etablieren. COPINH macht den Präsidenten Juan Orlando Hernández (Nationale Partei), den honduranischen Sicherheitsapparat und die transnationalen Konzerne für den Terror und die Kriminalisierung gegen die indigene Bewegung verantwortlich.

Die Organisation fordert eine sofortige Untersuchung der beiden Vorfälle, die Anwendung von rechtsstaatlichen Mitteln gegen die Täter und den Abzug des Militär- und Polizeistützpunkte aus Rio Blanco. Der Aufbau der indigenen Selbstverwaltung und die Verteidigung des indigenen Territoriums werde weiter gehen.