Pressekonferenz zur gewaltsamen Räumung des friedlichen Blockadecamps Guapinol
15. November 2018 von Radio Progreso, kommentiert durch Anna Rösch
Der vorläufige Bericht der Koalition gegen Straflosigkeit
hebt Unregelmäßigkeiten in der Erteilung der Bergbaubewilligung im Landkreis
Tocoa, Colón hervor – ein Bericht, der kürzlich nach einem Besuch in der
Gemeinde Guapinol verfasst wurde.
Der Bericht, der diese Wochen in den Medien veröffentlicht
wurde, legt dar, dass die Bewilligung des Bergbauprojektes an Inversiones Los
Pinares [[1]],
Eigentum von Lenir Perez, ein Zusammenspiel von gesetzwidrigen Verstößen und
Korruption ist, ein Projekt, das den Landkreis in eine Krise stürzt und seine
Gemeinden entzweit.
Polizisten und Soldaten räumen das Camp in Tocoa Foto: Proceso.hn |
Der Bericht verdeutlicht die Kriminalisierung der
Menschenrechts-verteidiger und –verteidigerinnen des [Blockade-] Camps Guapinol.
Sie werden der widerrechtlichen Anmaßung (usurpación) beschuldigt, erläutert
Edy Tábora, Anwalt und Mitglied der Koalition gegen Straflosigkeit. [Gegen 18
Menschenrechtsverteidiger*innen wurden Haftbefehle erteilt. Anm.d.Red.]
“Alle Konzessionen, die vom Kongress seit 2009 erteilt
wurden, folgen dem gleichen Schema: Schnelligkeit, damit das Ministerium für
natürliche Ressourcen und Umwelt die Lizenzen vergibt, ohne die Gemeinden
befragt zu haben. Dies erleichtert die Genehmigung im Kongress, ohne die drei in
der Verfassung vorgeschriebenen Debatten
geführt zu haben, ohne die Abgeordneten
informiert zu haben und erst recht nicht die Presse noch die Gemeinden“, so
Tábora. Er führt weiter aus, dass es in diesen Projekten immer Netze von
Korruption bei der Bewilligung von Konzessionen gegeben habe.
Besuch vor Ort
Die zur Koalition gegen Straflosigkeit gehörenden
Organisationen besuchten die Gemeinde Guapinol, darüber hinaus trafen sie sich
mit den Autoritäten der Gemeindeverwaltung, der Justiz und Polizei, um ihre
Meinung zu dem Konflikt zu erfahren.
Während des Besuchs wurden mehrere
Menschenrechtsverletzungen festgestellt, die durch Polizei und Militär während
der brutalen Repression verübt wurden, als das Camp Guapinol vergangenen 27.
Oktober geräumt wurde. Dazu gab es einen Tag später eine Auseinandersetzung
unter den Wachleuten des Unternehmens, die mit dem Tod zweier Soldaten endete.
In der Pressekonferenz verurteilen die Mitglieder der
Koalition gegen Straflosigkeit die Remilitarisierung der Zone. „Die
Remilitarisierung ist schwerwiegend, weil dadurch die Leute, die das Wasser
verteidigen, weiter eingeschüchtert werden. Polizei und Militär kommen aus
verschiedenen Gegenden des Landes, außerdem greifen paramilitärische Gruppen
die Gemeinden an, die sich dem Projekt entgegen stellen“, so Tábora weiter.
Tábora, ebenfalls Koordinator des Komitees für
Meinungsfreiheit erklärt, dass zu den strafrechtlichen Vergehen, die für die
Kriminalisierung der Umweltaktivist*innen genutzt werden, der Tatbestand widerrechtlicher
Anmaßung [von Besitz] (usurpación) gehöre. Dieser sei nun durch ein Gericht der
„nationalen Zuständigkeit“[2]
übernommen worden, was die Fälle noch weiter verschärft. „Die [Strafrechts-]
Reform[3]
in Honduras, die durch [den aktuellen Präsidenten, Anm d. Red.] Juan Orlando
Hernández am 25. September 2017 vorangetrieben wurde, um sich mit den
Unternehmern gut zu stellen, und somit den Schutz der Territorien zu
kriminalisieren.[[4]]
Der Kampf geht weiter
Gabriela Sorto vom Gemeindekomitee zum Schutz der
gemeinschaftlichen und öffentlichen Güter lehnt die Kriminalisierung ab und
bestätigt das Fortführen der Verteidigung des Flusses Guapinol. Sie wiederholt,
dass die Forderung an Adán Funez, Bürgermeister von Tocoa, die Einberufung
einer offenen Gemeindeversammlung ist, um Tocoa als eine bergbaufreie Zone zu
erklären.
“Wir verstehen nicht, warum die Gemeinde militarisiert
wurde, wir sind keine Mörder, wir verteidigen das Wasser, weil wir ohne Gold
leben können, ohne Wasser werden wir sterben”, so Sorto in der Pressekonferenz
weiter.
Der stichfeste Bericht führt den kriegerischen Überfall und
die extreme Gewalt durch nicht weniger als 1.500 Polizisten und Militärs auf,
die am 27. Oktober das „Camp Guapinol zum Schutz des Wassers und des Lebens“
räumten.
Wegen der Gewalt fordert die Koalition den honduranischen
Staat auf: „der Existenz bewaffneter Gruppen in der Zone nachzugehen, die am
Rande des Gesetzes agieren, obwohl das Dekret rechtskräftig ist, das das öffentliche
Tragen von Waffen im Department Colón ausdrücklich verbietet. Außerdem sollen
die Vergehen dieser bewaffneten Gruppen
untersucht, diese dem Justizsystem überführt, Verantwortlichkeiten abgeleitet
und den Opfern eine gerechte Entschädigung anboten werden.“
Weitere Forderungen sind: der staatlichen und
nicht-staatlichen Gewalt Einhalt zu gewähren; die unverzügliche
Demilitarisierung; beenden der Strafprozesse [gegen die Umweltaktivist*innen];
einleiten von Ermittlungen in den Fällen der Menschenrechtsverletzungen;
aufheben der illegalen Konzession.
Zum Ende der Konferenz bekräftigten die Organisationen der
Koalition gegen Straflosigkeit, dass der einzige Weg, Umweltkonflikte zu
befrieden im Respekt der vorherigen, freien und informierten Befragung bestünde.
Alle den Gemeinden aufgezwungenen Projekte werden früher oder später in einer
schweren sozialen Krise ihren Ausdruck finden, die Menschenrechtsverletzungen
einschließen. Die Bewältigung dieses Konfliktes sollte unter der notwendigen
Erfüllung dieser Prämisse und durch die Teilnahme der Gemeinden erfolgen.
Gabriela Sorto wiederholte den Aufruf an Adán Funez eine
offene Gemeindeversammlung einzuberufen, die eine Gemeindeerklärung zu
extraktivistischen Projekten erlaubt, die bis zum heutigen Tag zu Tod und Hass
in den Gemeinden geführt haben.
[Eine weitere gravierende
Unregelmäßigkeit im Fall der illegalen Bergbauaktivität im Landkreis Tocoa ist
die Änderung des Dekretes 127-2012, das die Berge von Botaderos zum
Naturschutzgebiet Nationalpark Carlos Escaleras erklärte. Durch das ein Jahr
später erlassene Dekret 252-2013, das im Kongress durch einen ehemaligen
Abgeordneten der Nationalen Partei Honduras (PNH) eingebracht wurde, wird die
Kernzone des Naturschutzparks so stark verkleinert, dass die Bergbauunternehmen
Zugriff auf eine größere Abbauzone erhielten. Anm.d.Red.][5]
*********************************************************************************
Wer ist Lenir Perez?
Lenir Perez gehört zur Unternehmensgruppe EMCO.
Parteipolitisch ist er der Regierungspartei (PNH) zugehörig. Pérez ist mit Ana
Facussé verheiratet, die die Tochter des verstorbenen Ölpalmenmagnaten Miguel
Facussé ist. Zu dem Unternehmen EMCO gehört u.a. die zentralamerikaweit
agierende Alutech unter anderem zur Herstellung und Vertrieb von Zinkdächern.
Zu den jüngsten Aktivitäten von Lenir Perez gehört die
Unterzeichnung des Vertrages zum Bau des Flughafens Palmerola im Zentrum des
Landes. Die
Munich Airport International, ein Tochterunternehmen der Flughafen München GmbH
(FMG), soll die honduranische Firma beim Bau eines neuen Flughafens beraten.
Die FMG hatte auf seine Anfrage über den Landtag geantwortet, keine Kenntnis
über die Vorwürfe gegen Pérez zu haben. Sie betont außerdem, einen
Compliance-Check der honduranischen Geschäftspartner vorgenommen zu haben.[6]
Zu EMCO gehörte jedoch auch das Bergbauunternehmen
Minerales La Victoria, das im Norden Honduras im Dorf La Esperanza im Jahr 2013
auch international bekannt wurde. Minerales La Victoria führte gegen den Willen
der Bevölkerung Erkundungen durch und begann ihre Tätigkeit, ohne die
betroffene Bevölkerung darüber in Kenntnis zu setzen. Bewohner*innen, die sich
weigerten, ihr Land an das Unternehmen zu verkaufen, wurden durch den
bewaffneten Sicherheitsdienst des Unternehmens massiv bedroht. Mehrere Familien
mussten aufgrund der Drohungen den Ort verlassen. Am 25. Juli 2013 entführten
bewaffnete Mitarbeiter der Firma zwei internationale Menschenrechtsbeobachter
der Organisation PROAH.[7]
Wie in dem Global Witness-Bericht von 2017 veröffentlicht wurde, soll Lenir
Perez bis zu 360.000 US-Dollar an den damaligen Bürgermeister des Landkreises
Tela, David Zaccaro, gezahlt haben. Im Tausch gegen Land und Einwilligung in
das Bergbauprojekt wurden hohe Summen an Bestechungsgelder führenden
Gemeindemitgliedern angeboten. Nach dem Rückzug des Bergbauunternehmens aus der
Region fehlt nach wie vor die Reparation der erlittenen Umweltschäden, die laut
Gesetz durch das Unternehmen erfolgen muss.
[1] Die Konzession erwarb die EMCO Mining S.A. de C.V.
im Jahr 2014, das Bergbauunternehmen wurde lediglich in Inversiones Los Pinares
umbenannt, die Eigentümer bleiben die gleichen.
[2]
Gerichte mit „Nationaler Zuständigkeit“ stellen ein Parallelgerichtssystem dar,
das ausschließlich für Fälle der organisierten Kriminalität und Drogenhandel
geschaffen wurde. Hierbei werden die Richter durch den Nationalen
Sicherheitsrat ernannt, der durch die Regierung kontrolliert ist und eng mit
Einheiten aus Militär und speziellen Sicherheitskräften koordiniert wird. [Anm.
d. Red.]
[3]
Durch die Reformen können nun soziale Proteste wie z.B. die der
Studierendenbewegung oder Proteste gegen Projekte wie Wasserkraftwerke und
Bergbau kriminalisiert werden.