Freitag, 23. November 2018

Systematische Aggressionen und Unregelmäßigkeiten bei der Bewilligung des Bergbauunternehmens Los Pinares


Pressekonferenz zur gewaltsamen Räumung des friedlichen Blockadecamps Guapinol

15. November 2018 von Radio Progreso, kommentiert durch Anna Rösch

Der vorläufige Bericht der Koalition gegen Straflosigkeit hebt Unregelmäßigkeiten in der Erteilung der Bergbaubewilligung im Landkreis Tocoa, Colón hervor – ein Bericht, der kürzlich nach einem Besuch in der Gemeinde Guapinol verfasst wurde.

Der Bericht, der diese Wochen in den Medien veröffentlicht wurde, legt dar, dass die Bewilligung des Bergbauprojektes an Inversiones Los Pinares [[1]], Eigentum von Lenir Perez, ein Zusammenspiel von gesetzwidrigen Verstößen und Korruption ist, ein Projekt, das den Landkreis in eine Krise stürzt und seine Gemeinden entzweit.

Polizisten und Soldaten räumen das Camp in Tocoa Foto: Proceso.hn
Der Bericht verdeutlicht die Kriminalisierung der Menschenrechts-verteidiger und –verteidigerinnen des [Blockade-] Camps Guapinol. Sie werden der widerrechtlichen Anmaßung (usurpación) beschuldigt, erläutert Edy Tábora, Anwalt und Mitglied der Koalition gegen Straflosigkeit. [Gegen 18 Menschenrechtsverteidiger*innen wurden Haftbefehle erteilt. Anm.d.Red.]




“Alle Konzessionen, die vom Kongress seit 2009 erteilt wurden, folgen dem gleichen Schema: Schnelligkeit, damit das Ministerium für natürliche Ressourcen und Umwelt die Lizenzen vergibt, ohne die Gemeinden befragt zu haben. Dies  erleichtert  die Genehmigung im Kongress, ohne die drei in der Verfassung vorgeschriebenen  Debatten geführt zu haben,  ohne die Abgeordneten informiert zu haben und erst recht nicht die Presse noch die Gemeinden“, so Tábora. Er führt weiter aus, dass es in diesen Projekten immer Netze von Korruption bei der Bewilligung von Konzessionen gegeben habe.
 

Besuch vor Ort

Die zur Koalition gegen Straflosigkeit gehörenden Organisationen besuchten die Gemeinde Guapinol, darüber hinaus trafen sie sich mit den Autoritäten der Gemeindeverwaltung, der Justiz und Polizei, um ihre Meinung zu dem Konflikt zu erfahren. 

Während des Besuchs wurden mehrere Menschenrechtsverletzungen festgestellt, die durch Polizei und Militär während der brutalen Repression verübt wurden, als das Camp Guapinol vergangenen 27. Oktober geräumt wurde. Dazu gab es einen Tag später eine Auseinandersetzung unter den Wachleuten des Unternehmens, die mit dem Tod zweier Soldaten endete. 

In der Pressekonferenz verurteilen die Mitglieder der Koalition gegen Straflosigkeit die Remilitarisierung der Zone. „Die Remilitarisierung ist schwerwiegend, weil dadurch die Leute, die das Wasser verteidigen, weiter eingeschüchtert werden. Polizei und Militär kommen aus verschiedenen Gegenden des Landes, außerdem greifen paramilitärische Gruppen die Gemeinden an, die sich dem Projekt entgegen stellen“, so Tábora weiter. 

Tábora, ebenfalls Koordinator des Komitees für Meinungsfreiheit erklärt, dass zu den strafrechtlichen Vergehen, die für die Kriminalisierung der Umweltaktivist*innen genutzt werden, der Tatbestand widerrechtlicher Anmaßung [von Besitz] (usurpación) gehöre. Dieser sei nun durch ein Gericht der „nationalen Zuständigkeit“[2] übernommen worden, was die Fälle noch weiter verschärft. „Die [Strafrechts-] Reform[3] in Honduras, die durch [den aktuellen Präsidenten, Anm d. Red.] Juan Orlando Hernández am 25. September 2017 vorangetrieben wurde, um sich mit den Unternehmern gut zu stellen, und somit den Schutz der Territorien zu kriminalisieren.[[4]]

Der Kampf geht weiter

Gabriela Sorto vom Gemeindekomitee zum Schutz der gemeinschaftlichen und öffentlichen Güter lehnt die Kriminalisierung ab und bestätigt das Fortführen der Verteidigung des Flusses Guapinol. Sie wiederholt, dass die Forderung an Adán Funez, Bürgermeister von Tocoa, die Einberufung einer offenen Gemeindeversammlung ist, um Tocoa als eine bergbaufreie Zone zu erklären.

“Wir verstehen nicht, warum die Gemeinde militarisiert wurde, wir sind keine Mörder, wir verteidigen das Wasser, weil wir ohne Gold leben können, ohne Wasser werden wir sterben”, so Sorto in der Pressekonferenz weiter.

Der stichfeste Bericht führt den kriegerischen Überfall und die extreme Gewalt durch nicht weniger als 1.500 Polizisten und Militärs auf, die am 27. Oktober das „Camp Guapinol zum Schutz des Wassers und des Lebens“ räumten.

Wegen der Gewalt fordert die Koalition den honduranischen Staat auf: „der Existenz bewaffneter Gruppen in der Zone nachzugehen, die am Rande des Gesetzes agieren, obwohl das Dekret rechtskräftig ist, das das öffentliche Tragen von Waffen im Department Colón ausdrücklich verbietet. Außerdem sollen die Vergehen dieser bewaffneten Gruppen untersucht, diese dem Justizsystem überführt, Verantwortlichkeiten abgeleitet und den Opfern eine gerechte Entschädigung anboten werden.“

Weitere Forderungen sind: der staatlichen und nicht-staatlichen Gewalt Einhalt zu gewähren; die unverzügliche Demilitarisierung; beenden der Strafprozesse [gegen die Umweltaktivist*innen]; einleiten von Ermittlungen in den Fällen der Menschenrechtsverletzungen; aufheben der illegalen Konzession.

Zum Ende der Konferenz bekräftigten die Organisationen der Koalition gegen Straflosigkeit, dass der einzige Weg, Umweltkonflikte zu befrieden im Respekt der vorherigen, freien und informierten Befragung bestünde. Alle den Gemeinden aufgezwungenen Projekte werden früher oder später in einer schweren sozialen Krise ihren Ausdruck finden, die Menschenrechtsverletzungen einschließen. Die Bewältigung dieses Konfliktes sollte unter der notwendigen Erfüllung dieser Prämisse und durch die Teilnahme der Gemeinden erfolgen.

Gabriela Sorto wiederholte den Aufruf an Adán Funez eine offene Gemeindeversammlung einzuberufen, die eine Gemeindeerklärung zu extraktivistischen Projekten erlaubt, die bis zum heutigen Tag zu Tod und Hass in den Gemeinden geführt haben.

[Eine weitere gravierende Unregelmäßigkeit im Fall der illegalen Bergbauaktivität im Landkreis Tocoa ist die Änderung des Dekretes 127-2012, das die Berge von Botaderos zum Naturschutzgebiet Nationalpark Carlos Escaleras erklärte. Durch das ein Jahr später erlassene Dekret 252-2013, das im Kongress durch einen ehemaligen Abgeordneten der Nationalen Partei Honduras (PNH) eingebracht wurde, wird die Kernzone des Naturschutzparks so stark verkleinert, dass die Bergbauunternehmen Zugriff auf eine größere Abbauzone erhielten. Anm.d.Red.][5]

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Wer ist Lenir Perez?

Lenir Perez gehört zur Unternehmensgruppe EMCO. Parteipolitisch ist er der Regierungspartei (PNH) zugehörig. Pérez ist mit Ana Facussé verheiratet, die die Tochter des verstorbenen Ölpalmenmagnaten Miguel Facussé ist. Zu dem Unternehmen EMCO gehört u.a. die zentralamerikaweit agierende Alutech unter anderem zur Herstellung und Vertrieb von Zinkdächern. 

Zu den jüngsten Aktivitäten von Lenir Perez gehört die Unterzeichnung des Vertrages zum Bau des Flughafens Palmerola im Zentrum des Landes. Die Munich Airport International, ein Tochterunternehmen der Flughafen München GmbH (FMG), soll die honduranische Firma beim Bau eines neuen Flughafens beraten. Die FMG hatte auf seine Anfrage über den Landtag geantwortet, keine Kenntnis über die Vorwürfe gegen Pérez zu haben. Sie betont außerdem, einen Compliance-Check der honduranischen Geschäftspartner vorgenommen zu haben.[6]

Zu EMCO gehörte jedoch auch das Bergbauunternehmen Minerales La Victoria, das im Norden Honduras im Dorf La Esperanza im Jahr 2013 auch international bekannt wurde. Minerales La Victoria führte gegen den Willen der Bevölkerung Erkundungen durch und begann ihre Tätigkeit, ohne die betroffene Bevölkerung darüber in Kenntnis zu setzen. Bewohner*innen, die sich weigerten, ihr Land an das Unternehmen zu verkaufen, wurden durch den bewaffneten Sicherheitsdienst des Unternehmens massiv bedroht. Mehrere Familien mussten aufgrund der Drohungen den Ort verlassen. Am 25. Juli 2013 entführten bewaffnete Mitarbeiter der Firma zwei internationale Menschenrechtsbeobachter der Organisation PROAH.[7] Wie in dem Global Witness-Bericht von 2017 veröffentlicht wurde, soll Lenir Perez bis zu 360.000 US-Dollar an den damaligen Bürgermeister des Landkreises Tela, David Zaccaro, gezahlt haben. Im Tausch gegen Land und Einwilligung in das Bergbauprojekt wurden hohe Summen an Bestechungsgelder führenden Gemeindemitgliedern angeboten. Nach dem Rückzug des Bergbauunternehmens aus der Region fehlt nach wie vor die Reparation der erlittenen Umweltschäden, die laut Gesetz durch das Unternehmen erfolgen muss.



[1] Die Konzession erwarb die EMCO Mining S.A. de C.V. im Jahr 2014, das Bergbauunternehmen wurde lediglich in Inversiones Los Pinares umbenannt, die Eigentümer bleiben die gleichen.
[2] Gerichte mit „Nationaler Zuständigkeit“ stellen ein Parallelgerichtssystem dar, das ausschließlich für Fälle der organisierten Kriminalität und Drogenhandel geschaffen wurde. Hierbei werden die Richter durch den Nationalen Sicherheitsrat ernannt, der durch die Regierung kontrolliert ist und eng mit Einheiten aus Militär und speziellen Sicherheitskräften koordiniert wird. [Anm. d. Red.]
[3] Durch die Reformen können nun soziale Proteste wie z.B. die der Studierendenbewegung oder Proteste gegen Projekte wie Wasserkraftwerke und Bergbau kriminalisiert werden.