Zusammenhang mit Hetzkampagne gegen Gleichstellungsgesetz nicht auszuschließen
TEGUCIGALPA (oeku-buero. 10.11.2018) 8.November
2018. Gegen 21 Uhr Ortszeit. Jonathan Escobar Cruz erhält einen Anruf
und tritt aus seinem Haus in Comayagüela (Hauptstadt-Distrikt). Vier
Männer kommen aus zwei Richtungen auf ihn zu, feuern und verschwinden.
Der Leichnam weist Spuren von 20 Schüssen auf. Jonathans Gesicht ist
vollständig zerstört. Er wurde 32 Jahre alt. Jonathan war langjähriger
Aktivist der LGBT*Organisationen Arcoíris de Honduras und APUVIMEH.
Jonathan wurde seit Jahren immer wieder bedroht. Bereits
2013 hatte ihm die Interamerikanische Menschenrechtskommission
Schutzmaßnahmen zugesprochen. Wenige Tage vor seiner Ermordung wandte
er sich an den Schutzmecha-nismus für Menschenrechtsvertei-diger*innen,
Journalist*innen und Justizpersonal und erstattete Anzeige bei der
Staatsanwaltschaft. Aus den „üblichen“ Morddrohungen war eine konkrete
Aktion geworden. Schwer bewaffnete vermummte Männer waren in einem
Kleinbus ohne Nummernschild zu seinem Haus gekommen, hatten es
durchsucht und allen Anwesenden Angst eingejagt. Auch Jonathans Familie
fürchtet nun um ihr Leben.
Der staatliche Schutzmechanismus hatte Jonathan vergangene
Woche in sein Programm aufgenommen und als eine Maßnahme seine
dringende Ausreise ins Exil veranlasst. Die Familie beklagt nun, dass
das System zu langsam war, um sein Leben zu retten.
Esdra Sosa vom Leitungskreis der LGBT*Organisation Arcoíris de Honduras, die Jonathan bei seinen Anzeigen begleitete, befürchtet,
dass der Repressionsapparat des Staates in den Mord verwickelt sein
könnte und dass weitere Attacken gegen Mitglieder und Führung von
LGBT*Organisationen folgen könnten. Derzeit wird nämlich deren Entwurf
für ein Gleichstellungs- und Integrationsgesetz im honduranischen
Parlament diskutiert, was heftige homo- und transphobe Reaktionen von
einflussreicher evangelikaler und ultrakonservativer katholischer Seite
ausgelöste. Sosa gegenüber der honduranischen Journalistin und
PEN-Präsidentin Dina Meza: „Donny Reyes und meine Person wurden bedroht
und es gibt keinerlei Ermittlungen deswegen. Auch Jonathans Mutter ist
höchst gefährdet.“
Nach Angaben der staatlichen Ombudsstelle für
Menschenrechte CONADEH bleiben 90 % der angezeigten Verbrechen gegen
Lesben, Schwule, Bisexuelle und und Transgender (LGBT*) in
Honduras straflos. Erst im Mai dieses Jahres hatte das lokale Büro des
UN-Hochkommissariats für Menschenrechte das De-facto-Regime von
Präsident Juan Orland Hernández aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen,
damit die seit 2008
aktenkundigen 295 Morde an LGBT* aufgeklärt würden. 177 davon wurden
nach Angaben der interamerikanischen Menschenrechtskommission in den
letzten fünf Jahren begangen, 21 allein von Januar bis August 2018. Die
Kommission konstatierte, dass die fast vollständige Straflosigkeit die
weitverbreitete Einstellung fördere, dass Diskriminierung und
Hassverbrechen gegen LGBT* akzeptabel seien.