Staudammprojekte in Brasilien und Honduras: Aktivisten protestieren in München gegen Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen
von Hondurasdelegation, amerika21.deMünchen. Die Teilnehmer der Aktionärs-Hauptversammlung des Siemenskonzerns sind am 28. Januar auf dem Weg zum Tagungsort in der Münchner Olympiahalle mit Protesten von Umweltschützern und Menschenrechtlern konfrontiert worden. "Hände weg vom Regenwald", "Stopp Belo Monte" und "Terror, Tote und Turbinen – Siemens verDAMMT Indigene in Honduras" war auf den Bannern der Demonstranten zu lesen. Auf ihren Flugblättern erklärten die Vertreter einer Koalition aus brasilianischen, US-amerikanischen, französischen und deutschen Organisationen, worauf ihr Protest zielt: Die Turbinenlieferungen des Siemens Joint Ventures Voith Hydro für die Staudämme Belo Monte in Brasilien und Agua Zarca in Honduras und die mit den Großprojekten verbundenen schweren Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörungen. In Belo Monte soll der drittgröße Staudamm der Welt entstehen, der Konflikt um Agua Zarca gilt als wichtigstes Beispiel für indigene Kämpfe in Honduras.
Monica Brito Soares war für die Organisation "Xingu Vivo para Sempre" aus Altamira am Xingu-Fluss in Amazonien angereist. In der Olympiahalle richtete sie das Wort an Aktionäre, Aufsichtsrat und Vorstand des Unternehmens: "Wie können Sie Turbinen für Millionen von Euro für den Staudamm Belo Monte liefern – und die Augen davor verschließen, was dieser Staudamm mit dem Leben der Menschen dort vor Ort anrichtet? Ist Ihnen Ihr Profit so viel wichtiger als das Leben der Menschen in Amazonien?" Brito hielt Bilder vom Xingo-Fluss und den durch den Bau angerichteten Zerstörungen in die Kameras, damit diese auch auf den Großleinwänden zu sehen wären. Die Siemens-Regie blendete jedoch den größten Teil von Britos Rede aus und zeigte statt dessen die Übersetzerin.
Christian Poirier von Amazon Watch wurde von Siemens Aufsichtsratschef Gerhard Cromme das Wort abgeschnitten, als er darauf hinwies, dass es sich bei Belo Monte um ein kriminelles Projekt handle, das gegen zahlreiche Vorschriften verstoße: "Heute hat ihr unethisches Verhalten zur Folge, dass Ihr Image angekratzt wird. Morgen wird Ihr zerstörtes Image zur Folge haben, dass Ihr Aktienkurs fällt", mahnte er.
Für das deutsch-österreichische Netzwerk Hondurasdelegation zeigte Andrea Lammers das Beispiel des weltgrößten Staudammbauers SINOHYDRO auf, der aus dem Projekt "Agua Zarca" im westlichen Hochland von Honduras ausgestiegen ist. In Richtung Vorstand und Aufsichtsrat forderte sie von Siemens: "Respektieren Sie internationale Abkommen, respektieren Sie die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, respektieren Sie die Empfehlungen der Weltstaudamm-Kommission und Ihre eigenen Corporate-Governance-Richtlinien! Steigen Sie aus dem Projekt Agua Zarca aus!"
Joe Kaeser, Vorstandsvorsitzender der Siemens AG, wiegelte in seinen Antworten zunächst ab. Siemens sehe die Probleme "armer indigener Völker" und wolle "helfen", könne aber "nicht die ganze Welt retten". Schließlich stellte er die Energiemengen, die von den Siemens-Turbinen produziert werden sollen, als unbedingt notwendig heraus – was insbesondere im Fall Belo Monte von Experten angezweifelt wird. Gegen Ende der Veranstaltung sicherte er zu, dass Siemens Fälle von Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit den beiden Projekten prüfen wolle.
Die Koordinatorin von Xingu Vivo, Antonia Melo, der von der Polizei in São Paulo die Ausreise mit dem Ziel Deutschland verweigert worden war, bewertet die Protestaktion als erfolgreich. Es sei zwar nicht zu erwarten, dass der Millionen-Deal zu Belo Monte von heute auf morgen annulliert werde. Doch immerhin seien die Aktionäre von Siemens nun darüber aufgeklärt, in welche Machenschaften das Unternehmen verwickelt sei. Falsche Versprechungen in Bezug auf Umweltschutz und soziale Verantwortung seien offengelegt worden.
Die etwa 7.700 in München anwesenden Aktionäre repräsentierten knapp 45 Prozent des Aktienkapitals von Siemens.
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