von Rita Trautmann, erschienen in E+Z, April 2017
Wiederwahl ist in Honduras
ein Unwort. Juan Orlando Hernández nimmt es trotzdem in den Mund. Seine
Wiederwahl im November wäre verfassungswidrig – doch das stört den Präsidenten
nicht. Die Demokratie in Honduras könnte dann endgültig begraben werden.
Nach den düsteren Erfahrungen der Militärdiktaturen gab sich
Honduras 1982 eine Verfassung, die die Wiederwahl des Staatspräsidenten unabänderlich
verbot. Die übrige Verfassung wurde jedoch nicht an die neuen Gegebenheiten
angepasst. Dementsprechend gibt es viel Reformbedarf.
Als der linke Präsident Manuel Zelaya 2009 eine
Volksbefragung machen wollte, ob bei der Präsidentschaftswahl 2009 gleichzeitig
über die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung abgestimmt werden
sollte, läuteten bei den Eliten die Alarmglocken. Sie unterstellten ihm, eine
Wiederwahl anzustreben. Das diente als Vorwand, um den der Oligarchie unbequemen
Präsidenten wegzuputschen.
Seitdem regiert die Nationale Partei mit harter Hand und
leistete sich 2012 einen weiteren Verfassungsbruch: Der Kongress setzte vier
der fünf Verfassungsrichter ab, weil diese ein Urteil gegen eine
Kongressentscheidung gefällt hatten. Die Verfassung zählt also wenig, und so
verwundert es nicht, dass Juan Orlando Hernández das Tabu der Wiederwahl ganz
offensiv angeht. Mit juristischen Spitzfindigkeiten hebelt die Regierungspartei
den entsprechenden Verfassungsartikel 239 aus.
Darf über Wiederwahl gesprochen werden? Macht sich ein
Präsident strafbar, wenn er für die Wiederwahl eintritt? Und ist ein Verbot der
Wiederwahl überhaupt verfassungskonform? Mit diesen Fragen mussten sich die Verfassungsrichter
auseinandersetzen. Das Gericht urteilte im April 2015 ganz im Sinne der
Machthaber, dass Artikel 239 die internationalen Menschenrechtsnormen verletze.
Dieses Urteil ist paradox und unterhöhlt die Demokratie auf schlimmste Weise.
Die Verfassung ist das oberste Gesetz eines demokratischen
Staates, und seine Einhaltung unterliegt dem Verfassungsgericht. Das
Verfassungsgericht stufte in dem Urteil einen Artikel der Verfassung als
verfassungswidrig ein. Wenn die Instanz, die für die Einhaltung der Verfassung
verantwortlich ist, diese selbst anzweifelt, auf wessen Urteil ist dann
Verlass? Zudem geht es um die wichtigste Säule der Demokratie: die
Unabhängigkeit von Judikative, Legislative und Exekutive. In Hernández‘
Amtszeit zeigte sich deutlicher denn je, dass Gewaltenteilung in Honduras nicht
existiert. Gewinnt er die nächsten Wahlen, ist der Weg frei für eine
Autokratie.
Das Drama um die Wiederwahl wirkt vor dem Hintergrund des
Putsches von 2009 geradezu lächerlich. Dieser wurde damit gerechtfertigt, dass
eine Wiederwahl Zelayas als Präsident verfassungswidrig sei. Nun zeigt sich,
dass es nicht um die Wiederwahl per se geht, sondern darum, wer sie anstrebt. Im
Gegensatz zu Zelaya hat Hernández die wahren Machthaber hinter sich. In seiner Zeit
als Kongresspräsident hat er das Militär gestärkt und Gesetze verabschiedet, die
die Oligarchie weiterhin bevorteilen.
Ausgerechnet Hernández argumentiert nun, er brauche mehr
Zeit, um nötige Veränderungen im Land voranzutreiben. Dabei fällt die Bilanz
seiner Regierung verheerend aus. In einem Korruptionsskandal von bisher
ungekanntem Ausmaß entzog seine Partei dem Sozialversicherungsinstitut für ihren
Wahlkampf 350 Millionen Dollar. Das führte zu einer enormen Krise in
staatlichen Krankenhäusern und verursachte durch Medikamentennotstand den Tod
von mehr als 3 000 Menschen.
Auch die Menschenrechtslage ist verheerend. Nirgends auf der
Welt werden so viele Umweltaktivisten ermordet wie in Honduras. Auch Anwälte
leben höchst gefährlich, und bei der Pressefreiheit liegt das Land auf Platz
137 von 180. Gewalt, fehlende Sicherheit und zunehmende Militarisierung behindern
die demokratische Entwicklung. Der Kampf gegen Drogen wird auf Druck der USA geführt
– führt aber enge Verbindungen von Regierung, Polizei und Militär mit dem Drogenhandel
zutage.
Die Rechtsmittel, um eine Wiederwahl Hernández‘ zu
verhindern, sind ausgeschöpft. Einzig ein breiter Widerstand in Honduras oder die
USA könnten ihn noch stoppen, doch Präsident Donald Trump scheint kein
Interesse daran zu haben. Honduras braucht einen verbindlichen Rechtsstaat,
Gewaltenteilung und ein funktionierendes Mehrparteiensystem. Damit könnte das
Land nicht nur Demokratie erreichen, sondern auch Armut, Gewalt und
Menschenrechtsverletzungen überwinden.