Bruder am Grab von Berta Cáceres, Februar 2017 / Foto: © Erika Harzer |
Von Erika Harzer, erschienen bei NPLA
COPINH: Staatsanwaltschaft soll Anklage auf Bildung krimineller Vereinigung ausweiten
Sechzehn Monate danach kommt es nun also zum Prozess gegen die ersten vier Angeklagten Sergio Rodriguez, Douglas Bustillo, Mariano Díaz Chávez und Elvin Rápalo. Rodriguez war Geschäftsführer für Soziales und Umwelt und Bustillo ehemaliger Sicherheitschef der Firma Desarrollo Energético S.A, kurz DESA, der Betreiberfirma für das Wasserkraftwerk Agua Zarca. Gegen dessen Bau auf indigenem Gemeindeland kämpfte Berta Cáceres bis zu ihrer Ermordung. Mariano Díaz war Major der honduranischen Armee und Rápalo gilt als einer der Auftragskiller.
Berta Zúniga, Tochter der Ermordeten und seit Ende April 2017 die neugewählte Anführerin von COPINH, erklärt zu Bustillo, er sei derjenige, der mehrfach ihre Mutter und auch andere COPINH-Aktivist*innen bedroht hatte.
In einem Interview mit resumenlatinoamericano, einem argentinischen Mediennetzwerk, kritisiert Zúniga, die Staatsanwaltschaft würde die Angeklagten als alleinige Verantwortliche für den Mord ansehen. Sie hätten ihn geplant und dafür Auftragskiller engagiert. Demgegenüber wollen die Anwälte der Familie und von COPINH die Anklage auf Bildung einer kriminellen Vereinigung ausweiten, da, so Berta Zuniga, „der Mord von langer Hand geplant wurde in einem Zusammenwirken von Betreiberfirma mit Staatsagenten und Auftragskillern.“
Regierung lehnt Schirmherrschaft der Menschenrechtskommission über Ermittlungen ab
La Esperanza: Berta Zúniga / Foto: © Erika Harzer |
Angesichts der in Honduras vorherrschenden extrem hohen Straflosigkeit forderten die Angehörigen allerdings von der honduranischen Regierung eine unabhängige Untersuchungsgruppe unter der Schirmherrschaft der interamerikanischen Menschenrechtskommission. Berta Zuniga erklärte: „Wir vertrauen den honduranischen Institutionen bei diesen Ermittlungen nicht. Sie sind korrupt.“
Die Regierung lehnte die Forderung ab. Der Mordfall wurde einer der Generalstaatsanwaltschaft unterstellten, kriminalpolizeilichen Spezialgruppe übertragen, deren Ermittlungen zu den bisherigen acht Festnahmen führten. Diesen wird die Planung und Ausführung des Mordes vorgeworfen. Über die tatsächlichen Auftraggeber existieren nach wie vor nur Spekulationen. So soll laut Recherchen der britischen Zeitung „The Guardian“ Berta Cáceres auf einer Todesliste honduranischer Militärs gestanden haben.
„Verschwundene“Ermittlungsakten – „definitiv sehr mächtige Menschen involviert“
Während der Ermittlungsmonate wurde im August 2016 im Büro der Anwälte von COPINH eingebrochen, danach fehlten einzig die Unterlagen zum Mordfall Cáceres. Ende September 2016 wird das Auto der ermittelnden Richterin in Tegucigalpa gestohlen. Darin lag die komplette Original-Ermittlungsakte zum Mordfall Cáceres.
Die honduranische Juristin Tirza Flores Lanza wundert sich, dass „bezüglich der verschwundenen Ermittlungsakte nichts unternommen wird. Die dafür verantwortliche Justizbeamtin wird in Ruhe gelassen.“ Demgegenüber, so Flores Lanza weiter „erhält die Familie von Berta Cáceres, obwohl sie als Nebenklägerin und damit Teil des Ermittlungsprozesses auftritt, bisher keine Informationen über die Ermittlungsfortschritte. Geheimhaltung, so die Begründung, um die Ermittlungen nicht zu behindern.“
Und weiter kritisiert sie, dass nicht in Richtung Auftraggeber ermittelt würde. „Es wird nicht ermittelt, ob Führungskräfte der DESA möglicherweise beteiligt waren, oder Regierungsvertreter oder leitende Militärs, obwohl wir den starken Verdacht haben, dass sie verwickelt sein könnten.“ Die Chancen diesen Fall tatsächlich aufzuklären, seien nicht wirklich groß, „weil definitiv sehr mächtige Menschen involviert sind“, so Flores.
Mord im Kontext mit Kämpfen gegen Wasserkraftwerk Agua Zarca
Ende Januar 2017 stellten Vertreter von Global Witness in Tegucigalpa ihre Studie vor. Titel: Honduras, der tödlichste Ort für Umweltaktivisten. 123 Umweltaktivist*innen sind demnach zwischen 2009 und 2016 in diesem Land ermordet worden. Es geht dabei um Widerstand gegen Landraub, gegen Megaprojekte auf indigenen Ländereien, gegen Konzessionsvergaben durch korrupte Politiker*innen, gegen den aggressiv geführten Extraktivismus, diesen rücksichtslosen Ressourcenabbau, getragen von einem korrupten Staatsgefüge und einem in der strafrechtlichen Verfolgung so gut wie nicht existenten Justizapparat.
Berta Cáceres ist eine dieser Ermordeten. Dass es in ihrem Fall überhaupt Verhaftete gibt, darin sind die Angehörigen sich einig, liegt an dem noch immer vorhandenen internationalen Interesse an der Strafverfolgung der Täter.
Ganz offensichtlich, so Berta Zuniga, „steht dieser Mord im Kontext mit diesen heftigen Kämpfen gegen das Wasserkraftwerk Agua Zarca der Firma DESA.“
Zögerlicher Rückzug von Geldgebern und Lieferfirmen wie Voith Hydro
Eingriff in den Flusslauf des Gualcarque für das Wasserkraftwerk Agua Zarca / Foto: © Erika Harzer |
Die finnischen und niederländischen Kreditgeber FinnFund und FMO verkünden am 6. Juli 2017 ihren definitiven Ausstieg aus diesem Projekt. Am selben Tag erklärt auch die Betreiberfirma DESA, das Projekt Agua Zarca einzustellen, als Beitrag zur Befriedung der Region.
Für Bertas Familie und COPINH ein längst überfälliger Schritt. Andrea Lammers, Mitarbeiterin des Ökumenischen Büros für Frieden und Gerechtigkeit, kritisiert, die beteiligten Banken sollten auch ihre Verantwortung anerkennen, sich öffentlich entschuldigen und die Gemeinden angemessen entschädigen.
Die Voith Hydro, ein Konsortium der deutschen Firmen Siemens und Voith und vertraglicher Lieferant für Turbinen und Knowhow, wird nach ihrem langen Verharren in der Warteschleife trotz offensichtlicher Menschenrechtsverletzungen nun vermutlich auch bald ihren Rückzug verkündigen.
Zurück bleiben neben den Toten, die der Widerstand gegen Agua Zarca hinterlassen hat, auch tiefe Spaltungsrisse innerhalb der umliegenden Lenca-Gemeinden.
Weitere Angriffe auf COPINH-Aktivist*innen
Lencas in Rio Blanco / Foto: © Erika Harzer |
Letztlich schaffen sie es in dieser Nacht unversehrt aus der Gefahrenzone. Doch die Gefahr um ihr Leben bleibt.
Am 13. Juli erklärt die von der OAS eingesetzte Kommission zur Untersuchung schwerwiegender Korruptionsfälle in Honduras, die MACCIH, dass sie Ermittlungen zu Korruptionsvorwürfen bei den Konzessionsvergaben für Agua Zarca aufgenommen habe.
Zu diesem Artikel gibt es auch einen Audiobeitrag, den ihr hier anhören könnt.