PROZESSAUFTAKT IM FALL BERTA CÁCERES BIRGT WENIG HOFFNUNG
in Lateinamerika Nachrichten (533 // November 2018)
Gegen acht Beschuldigte begann Mitte September in
Tegucigalpa der Prozess im Fall der am 2. März 2016 ermordeten Umwelt- und
Menschenrechtsaktivistin Berta Cáceres. Der Prozess wird unter anderem von 17
honduranischen und internationalen Rechtsexpert*innen beobachtet, die auf ein
ordnungsgemäßes Verfahren achten. Trotzdem lässt sich bisher an einem Interesse
der Ermittlungsbehörden an der juristischen Aufarbeitung des Mordes und einer
Aufdeckung der dahinter liegenden kriminellen Strukturen zweifeln.
Bereits wenige Minuten nach Beginn des Prozesses am 17.
September gab es die erste Unterbrechung. So reichten die Anwält*innen der
Nebenklage, der Familie von Cáceres, einen Antrag wegen Befangenheit der
Richter*innen ein, woraufhin die Anhörung zunächst suspendiert wurde. Laut
Rodil Vásquez, Anwalt der Nebenklage, begründete sich der Antrag auf
„Amtsmissbrauch durch Verschleierung, Verzögerung der Justiz, Nichteinhaltung
der Pflichten der Beamten und Nichtbefolgung von Anweisungen durch die
Staatsanwaltschaft." Man habe seit zweieinhalb Jahren wiederholt die
vollständige Einsicht in Ermittlungsakten gefordert. Dem sei nicht nachgekommen
worden, so Vásquez weiter. Einen weiteren Grund für eine Voreingenommenheit des
Gerichtes sah Victor Fernández, ebenfalls Anwalt der Nebenklage, zunächst in
der Nichtanerkennung des Zivilen Rats der Basis- und indigenen Organisationen
(COPINH) als Opfer und somit Nebenkläger.
Gerechtigkeit für Berta! Das Bild von Cáceres ist auf jeder COPINH-Demo präsent // Foto Giorgio Trucchi |
Berta Cáceres, die im Jahr 2015 den renommierten
Goldman-Umweltpreis erhielt, koordinierte COPINH. Zusammen mit den indigenen
Lenca-Gemeinden widersetzte sie sich seit 2010 dem Bau des Wasserkraftprojektes
Agua Zarca. Aus diesem Kontext heraus ist das Beharren auf Anerkennung des Rats
als Opfer zu verstehen, denn sowohl Cáceres als auch die Mitglieder des COPINH
wurden permanent diffamiert und attackiert. Mindestens drei weitere Morde
wurden an Aktivisten der Organisation verübt (siehe LN 502). Über die
Forderung, COPINH als Opfer
anzuerkennen, wird nun ein Berufungsgericht entscheiden.
Die Zeit scheint für die Nebenklage, Opfer und Angehörige
davon zu laufen.
Eine Neubesetzung des Gerichtes hingegen wurde vom
Berufungsgericht für Strafsachen am 25. September negativ beschieden. Insgesamt
waren fünf Rechtsmittel präsentiert worden. Davon wurden die beantragte
Live-Übertragung und der Mitschnitt der Verhandlungen abgewiesen. Ein weiterer
Antrag der Nebenklage bezieht sich auf die Forderung, Mitglieder der Familie
Atala Zablah als Zeug*innen zu laden. Laut vorläufigem Bericht der
Rechtsexpert*innen im Fall Berta Cáceres äußerte sich das Gericht dazu, „dass
keine Zeugen geladen würden, da das Gericht nicht über genügend Personal
verfüge, und nahegelegt wurde, diese Aufgabe selbst zu erledigen.“ COPINH und
die Familie von Cáceres kritisieren, dass gegen die Auftraggeber*innen des
Mordes scheinbar nicht ermittelt wird. Die unabhängige internationale
Expertengruppe GAIPE stellte in ihrem Abschlussbericht im November 2017 fest,
dass der Mord an Cáceres in Koordination mit den Angestellten und
Besitzer*innen der Firma Desarrollo Energético S.A. (Desa) sowie
Militärangehörigen und Auftragsmördern ausgeführt wurde. Die Angehörigen der
einflussreichen Familie Atala Zablah sind Eigentümer*innen von Desa und der
mitfinanzierenden honduranischen Bank FICOHSA.
Die Ermittlungen im Mordfall sind durch gravierende
Unregelmäßigkeiten geprägt. Dazu gehören unter anderem die Manipulation von
Beweismittel durch Polizisten und der Diebstahl von Rechtsakten. In der Nacht
des Mordes an Cáceres war ebenfalls auf den mexikanischen Umweltaktivisten
Gustavo Castro geschossen worden, der sich im Haus aufhielt und verletzt
überlebte. Edy Tabora, Anwalt von Castro, sagte gegenüber den Lateinamerika
Nachrichten, dass es bis zum heutigen Tag zu keiner Gegenüberstellung mit einem
der Beschuldigten gekommen ist, obwohl diese bereits im Februar 2017 beantragt
worden war.
Die an extraktivistischen Projekten interessierte
Unternehmerschaft betreibt eine Schmutzkampagne.
Unter den acht Festgenommenen befinden sich neben den fünf
mutmaßlichen Auftragsmördern auch Mariano Díaz, zum Tatzeitpunkt Major der
honduranischen Streitkräfte; Sergio Rodriguez, Ingenieur für Umwelt und
Soziales von Desa, und der ehemalige Desa-Sicherheitschef Douglas Bustillo.
Díaz und Bustillo sind nachweislich an der School of the Americas, der
US-Akademie für lateinamerikanische Militärs, ausgebildet worden. Ein neunter
Inhaftierter, der ehemalige Präsident und Geschäftsführer von Desa, David
Castillo, wartet auf sein gesondertes Gerichtsverfahren, mit dessen Beginn im
Jahr 2020 gerechnet wird. Seine Karriere als Absolvent der US-Militärakademie
West Point und ehemaliger Offizier des Militärgeheimdienstes mit besten
Verbindungen zu Politik und dem Energiesektor in Honduras wirft seine Schatten
voraus.
Koordiniert jetzt COPINH Bertha Zúniga Cáceres, Tochter von Berta Cáceres // Foto: Giorgio Trucchi |
Die Rechtsmittel der Nebenklage sind unabdingbar, um die
Rechtsstaatlichkeit und den Respekt vor den Opfern einzufordern. Es wird darauf
gehofft, dass das Gericht in Zukunft unparteiischer agiert und einen
rechtsstaatlichen Prozess für die Angeklagten ebenso wie für die
Nebenkläger*innen gewährleistet. „Wir wollen auf keinen Fall, dass die
Angeklagten in einem zweifelhaften, von Unregelmäßigkeiten geprägten Verfahren
verurteilt werden, denn das öffnet einer späteren Annullierung wegen
Verfahrensfehlern Tür und Tor”, betont Bertha Zúniga, Tochter von Cáceres und
aktuelle COPINH-Koordinatorin.
Aus der solidarischen Koordination JusticiaParaBerta
(„Gerechtigkeit für Berta“) heißt es, dass die Verhandlung sich nicht
ausschließlich auf die Mordnacht konzentrieren dürfe, denn dies blende die
permanente Bedrohung vor und nach dem Mord aus. Dazu müsse weiter national und
international über den Prozess berichtet werden. Die Prozessbegleitung durch
Mitarbeiter*innen der Diplomatie und anderer Organisationen bildet dabei einen
wichtigen Baustein gegen die bisherigen Verschleierungstendenzen in dem Fall.
Neben dem Prozess betreibt die an Extraktivismus
interessierte Unternehmer*innenschaft eine mediale Schmutzkampagne. In sozialen
Medien, korporativen Fernsehsendern und Printmedien erscheinen diffamierende
Beiträge gegen COPINH und besonders gegen die Anwälte Victor und Martín Fernández,
die sich mit ihrer Organisation Movimiento Amplio seit über zehn Jahren
umweltpolitisch engagieren. In Honduras sind Diffamierungen und Hetze im
Vorfeld von schweren Gewalttaten immer wieder zu beobachten. Ziel ist dabei die
systematische Einschüchterung, Bedrohung und Kriminalisierung bis zur
Beseitigung der Opposition. Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte in
Honduras äußerte sich kürzlich besorgt über diese Diffamierungen und wies
darauf hin, dass die Interamerikanische Menschenrechtskommission den Anwälten
spezielle Schutzmaßnahmen zuerkannt habe. Die aggressive Kampagne wird
ebenfalls durch die von Desa engagierte US-amerikanische Anwaltskanzlei
Amsterdam & Partners geführt. Sie initiierte mit dem Prozessbeginn eine
Anzeigenkampagne in großen Printmedien des Landes, in denen sie COPINH als
radikal und per se-Opposition gegen Entwicklung und Rechtsstaat darstellt. Auch
Nina Lakhani, unabhängige Journalistin, sieht sich seit September einer
Hetzkampagne ausgesetzt. Sie berichtet seit Cáceres Ermordung für The Guardian
regelmäßig über Strukturen, Interessengruppen und die Umstände des Mordes.
COPINH bestätigt, dass indessen Klage gegen die
niederländische Entwicklungsbank FMO wegen deren Finanzierung von Agua Zarca in
den Niederlanden eingereicht wurde (siehe LN 531/532). Neben der FMO
finanzierten auch die finnische Entwicklungsbank Finnfund und die
Zentralamerikanische Bank für wirtschaftliche Integration (BCIE) das
Wasserkraftprojekt. Nach Aussagen von COPINH behält Desa die Konzession über den
Fluss Gualcarque für 50 Jahre, was bedeutet, dass das Projekt nicht beendet
ist, sondern nur ruht. Es wird vermutet, dass Zeit vergehen soll, bevor man den
Bau wieder aufnimmt. Amsterdam & Partners schrieb kürzlich an die 50
Abgeordneten des Europäischen Parlaments. Die Kanzlei teilte mit, dass die
unabhängige Expert*innenkommission GAIPE Fehlinformationen verbreiten würde.
Außerdem kündigte die Kanzlei einen eigenen Besuch in Brüssel an.
Die Zeit scheint davonzulaufen, denn fünf der Inhaftierten
müssten entsprechend der am 2. November ablaufenden Präventivhaft entlassen
werden. Allgemein wird befürchtet, dass die honduranische Justiz den Prozess
schnell abwickeln möchte, ohne die kriminellen Strukturen, die bis in Politik,
Militär und Wirtschaft reichen, aufzudecken.
// Daniela Dreißig