„Ist das
vielleicht Entwicklung?“
(Teil 1) Lenca-Gemeinden streiten für ihre Autonomie
(Teil 1) Lenca-Gemeinden streiten für ihre Autonomie
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Die nächsten drei Stunden wird eifrig diskutiert. In der Hauptsache geht es um den Widerstand gegen das große Wasserkraftwerk am Rio Blanco, das eine Vielzahl von Lenca-Gemeinden beeinträchtigen und ihrer Lebensgrundlagen berauben würde. „Sie haben keine Verständigung mit uns gesucht,“ erzählt ein älterer Mann im karierten Hemd: „Sie sind gekommen, haben irgendwelche Schriftstücke vorgelesen und sie für genehmigt erklärt, ohne dass unsere Gemeinde sie hätte verstehen, diskutieren und zustimmen oder ablehnen können.“ Schwierigkeiten gibt es auch, weil einzelne Familien Land verkaufen, auf diese Weise das gemeindeeigene Territorium zerstückeln und den Widerstand schwächen. Und fast alle Delegierten machen sich offenbar Sorgen, dass Fremde sich - oft mit Unterstützung der Bürgermeisterämter - in ihrem Gemeinden auf illegale Weise Land beschaffen und dort ansiedeln: „Sie werden uns regelrecht reingesetzt. Wir dürfen das nicht zulassen, aber wie können wir uns wehren?“ Tomás von COPINH erklärt, dass indigene Gemeinden, im Gegensatz zu bäuerlichen Agrarkooperativen, nicht nur ein Anrecht auf das Land haben, das sie bebauen, sondern auf das ganze Territorium, das sie seit vielen Jahrhunderten besiedeln, also auch auf Quellen und Flussläufe, nicht bebautes Land, Wälder, „das ganze Habitat“. Er schärft den GemeindevertreterInnen ein, sich auf die Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation zu stützen und nicht zu warten, bis sie ihre kommunalen Landtitel in der Hand haben. „COPINH verhandelt eure Landtitel mit den zuständigen Behörden, aber das kann fünf, zehn oder auch zwanzig Jahre dauern. Das ist nur eine Ergänzung. Ihr könnt eure Rechte schon vorher verteidigen, dafür gibt es internationale Gesetze, die Honduras anerkannt hat! Die Gemeinden haben ein Recht auf den vollen Besitz ihrer Kultur, ihrer Identität und ihrer Naturgüter.“
In der zweiten Hälfte der Versammlung geht es um die internen Reglements, die nötig sind, um die Autonomie der Gemeinden zu bewahren. Sie müssen z.B. indigene Naturschutzbeauftragte ausbilden, sich selbst Regeln geben, wann und zu welchen Bedingungen ein Tropenholzbaum für den Hausbau gefällt werden darf, bestimmen, welche Anbauflächen für soziale Zwecke, etwa um Alte und Kranke mit Lebensmitteln zu unterstützen, genutzt werden, ein eigenes Gesundheitssystem aufbauen und die traditionellen Heilpflanzen gegen Biopiraterie schützen. Es geht um die selbstbestimmte Regelung interner Konflikte auf der Basis der Traditionen der Lenca und schließlich auch dem geregelten „humanen“ Umgang mit den fremden Eindringlingen, die sich illegal angesiedelt haben. Ein riesiger Berg an Aufgaben: „Wir helfen euch, all diese Fragen aufzulisten, aber ihr solltest euch Zeit nehmen, sie ausführlich in euren Gemeinen zu diskutieren“, rät Juan von COPINH: „Es geht nicht an, vorher einen Text aufzusetzen und dann darüber abzustimmen. Das will alles im Detail beratschlagt und im Konsens entschieden werden. Fangt jetzt damit an!“
(Teil 2) Der Preis des Widerstandes
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Inzwischen ist es Mittag geworden und hinter dem Hügelkamm dräuen die ersten dicken Regenwolken. Der Fahrer drängt zum Aufbruch, denn die kurvigen zerfurchten Bergstraßen aus roter Erde verwandeln sich schon beim ersten Regenguss in glitschige Rutschbahnen. Wir kauen also rasch unser Stück wohlschmeckendes Landhühnchen mit Maisfladen und Gemüse, verabschieden uns, erklimmen wieder die Ladefläche des Pick-Up, auf dem wir zusammen mit den Leuten von COPINH hergekommen sind und zerren schon mal die große blaue Plastikplane zurecht - für den Fall der Fälle. Es wird windig und kühl auf der Fahrt durch die Berge, aber der erwartete Regenguss bleibt aus. Über die Plane spähend beäugen wir auf den letzten 15 Kilometern, wie uns ein großer weißer Toyota mit Vierradantrieb und mit abgedunkelten Scheiben folgt. Das vordere Nummernschild fehlt. Etwas penetrant, wie der Toyota in kurzem Abstand und ohne je einen Ansatz zum Überholen zu machen, Kilometer für Kilometer hinter unserem relativ langsamen Gefährt her fährt. Wir sind froh, dass Juan, auf den vor ein paar Wochen auf der gleichen Strecke von einem Motorrad aus geschossen wurde, einen Platz innen in der Fahrgastkabine des Pick-Up hat. Tomás, der mit uns hinten auf der Ladefläche sitzt, blinzelt im Fahrtwind in Richtung Toyota: „Die Sorte Fahrzeug werdet ihr immer wieder sehen. Sind immer dieselben, die uns überwachen.“