Sonntag, 11. Dezember 2016

Berta no se murió. Se multiplicó. (Berta ist nicht gestorben, sie hat sich vervielfacht)


Als wir in La Esperanza einfahren, sind wir überrascht, wie präsent die am 2. März 2016 ermordete Berta Cáceres ist. Große Wandbilder und viele Graffitis, mit dem Ausruf „Berta vive“ zieren zahlreiche Mauern und Hauswände.

Wir sind im Centro Utopía untergebracht, wo uns ein herzliches Team von COPINH empfängt und uns die nächsten Tage hervorragend verpflegt. Auch hier ist Berta immer noch präsent: im Gemeinschaftsraum ist ein kleiner Altar für Berta Cáceres und den 2013 ermordeten Tomás García aufgebaut.


 

Sonntagmorgen treffen wir uns mit dem Generalkoordinator von COPINH Tomás Gómez. In dem Gepräch berichtet er uns von der aktuellen Situation in Rio Blanco und die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen in der Region. Wir sprechen auch über die Forderungen nach Aufklärung des Mordes an Berta sowie über die Arbeit von COPINH. 

Die Perspektive von COPINH richtet sich auf die eigenständige Entwicklung der Lenca - Dörfer sowie auf die interne Bildung für die Mitglieder. Die zukünftige Arbeit richtet sich auf Nachhaltigkeit der Lenca - Familien wie auch auf den Erhalt des Ausbildungszentrums UTOPIA. Dies soll durch eine ökologische Anbauweise erreicht werden. Tomás versteht die ökologische Ausrichtung der Organisation als Gegenkonzept zur „falschen“ grünen Wirtschaftsform (Wasserkraftwerk Agua Zarca).
Die politische Bildung der organisierten Mitglieder COPINH´s ist ausgerichtet auf den Erhalt und die Kontrolle über das eigene Territorium, der Bewusstseinsbildung der eigenen Kosmovision und der Autonomie der indigenen Bevölkerung.

Tomás hinterfragt die noch vorhandenen Praktiken einer alltäglichen Dominanz patriarchaler Strukturen. Es gibt Bildungsangebote zur Erreichung eines neuen Genderverständnisses, denn bei den Aktionen gegen das Wasserkraftwerk ist die Sichtbarkeit von Frauen gewachsen. Alle Lencas sitzen in „einem Boot“, deshalb soll die Beteiligung der Frauen in COPINH gestärkt werden. Die Weiterbildung der COPINH Mitglieder versteht Tomás als Weiterführung der Arbeit im Sinne von Berta.

Wir sehen in den jungen Mitgliedern von COPINH viel Engagement, Bertas Vermächtnis weiterzuführen. Tomás versprüht Witz und Optimismus, der sehr ansteckend ist. Dennoch spüren wir, dass der Schock vom Mord an Berta noch nicht überwunden ist. Ein Hauptanliegen COPINHs ist die vollständige Aufklärung des Mordes. Sie begrüßen zwar die Einrichtung der internationalen Expertenguppe GAIPE, die allerdings vom honduranischen Staat nicht anerkannt ist, fordern deshalb mit Nachdruck eine unabhängige Untersuchungskommission der CIDH, damit der Mord an Berta Cáceres nicht straffrei bleibt.
Dies ist auch eine Forderung der Familie von Berta, was vor allem durch Berta Zúñiga, einer Tochter von Berta, international eingefordert wird. Am Sonntagnachmittag besuchen wir Austra Berta Flores, Bertas Mutter, eine beeindruckende Person, die als erste Frau das Amt einer Bürgermeisterin in Honduras einnahm. Sie spricht voller Trauer und Bewunderung über ihre ermordete Tochter, aber auch über Straflosigkeit in Honduras und den Kampf der Lenca für die Ratifizierung der ILO Konvention 169, was COPINH und andere indigene Organisationen 1995 erreichten.

Im Anschluss gehen wir mit Berta Zúñiga und einigen COPINH-Mitgliedern zum Grab. Ein emotionaler Moment, bei dem Doña Pascualita, Mitglied des Ältestenrates der Lenca ein kleines Ritual zum spirituellen Gedenken an Berta, durchführte.
Die Besorgnis, dass der Tod an Berta COPINH schwächen konnte, hat sich uns nicht bestätigt, weil sich sowohl in den Gesprächen mit den Dorfbewohner*innen von Rio Blanco und Mitgliedern der Koordination eine klare Perspektive der Weiterarbeit COPINHs aufgezeigt hat.