Berlin/Frankfurt-M./Köln/München, 25.01.2017
NGO prangern im Vorfeld der
Siemens-Hauptversammlung am 1. Februar 2017 erneut die Mitverantwortung des
Konzerns für Menschenrechtsverletzungen und Landraub in zahlreichen Ländern des
globalen Südens an. Im Fokus der Kritik stehen so genannte “Grüne
Energie”-Projekte. Dazu informiert ein internationales Diskussionspanel am 31.
Januar 2017 in München.
Das Wasserkraftwerk “Agua Zarca” und der Mord an
Berta Cáceres
Siemens hat einen 35%-Anteil an dem
Wasserkraftturbinenhersteller VoithHydro, der seit Jahren wegen der
Turbinenzulieferung an das Wasserkraftwerk Agua Zarca in der Kritik steht. “Wir
machen Siemens mitverantwortlich für den Mord an der international bekannten
Umweltaktivistin und Kämpferin für indigene Rechte, Berta Cáceres in Honduras”,
betont Andrea Lammers vom deutsch-österreichischen Netzwerk HondurasDelegation.
“Es ist ein Skandal, dass Siemens sich Jahre lang für nicht zuständig erklärt
und Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen, Morde und Warnungen vor den
Praktiken des VoithHydro-Projektpartners DESA ignoriert hat.” Der Mord an Berta
Cáceres am 3. März 2016 hätte ein endgültiger Wendepunkt sein müssen, aber
Siemens rang sich nur dazu durch, die vorläufige Suspendierung des Projektes zu
begrüßen, das der Vorstandsvorsitzende Joe Kaeser wenige Wochen zuvor noch
ungeniert verteidigt hatte. Egal, ob man sich demnächst eines “responsible
exit” rühme oder noch weiter abwarte, mit menschenrechtlichen
Sorgfaltspflichten habe all dies nichts zu tun, so Lammers. Der Nachfolger von
Berta Cáceres als Koordinator der Indigenen-Organisation COPINH, Tomás Gómez,
hat zuletzt im Oktober 2016 einen Mordanschlag überlebt. Er wird Kaeser am 1.
Februar mit der Frage konfrontieren: “Wie viele Tote noch?”
Äthiopien: Kooperation mit einer
Entwicklungsdiktatur
Der Fall “Agua Zarca” ist bei VoithHydro leider
kein Einzelfall. "Auf den Jahreshauptversammlungen von Siemens der
vergangenen Jahre haben Aktivisten auf die Beteiligung an umstrittenen
Wasserkraftprojekten wie Gilgel Gibe II in Äthiopien oder Belo Monte und Jirau
in Brasilien hingewiesen", erinnert Thilo Papacek von der Initiative
GegenStrömung.Obwohl es bereits beim Bau von Gilgel Gibe II zu massiven
Menschenrechts-verletzungen gekommen ist, bemühe sich VoithHydro offensichtlich
um eine Beteiligung am Gilgel Gibe IV-Projekt. "Siemens und VoithHydro
haben anscheinend keine Skrupel, für Profite auch mit Regierungen zu kooperieren,
die von Menschenrechtsorganisationen als Entwicklungsdiktaturen bezeichnet
werden", sagt Papacek.
Siemens und Gamesa in Mexiko: Die Vereinigung der
Macht
Zu kritisieren war schon bisher das Engagement von
Siemens bei fünf Windenergie-Projekten auf dem Isthmus von Tehuantepec in
Südmexiko, bei denen keine freie, informierte und vorherige Befragung der
betroffenen indigenen Gemeinden stattfand. Ein klarer Verstoß gegen die
ILO-Konvention 169, so Cristina Valdivia, Mexiko-Referentin des Ökumenischen
Büros München. Mit der Fusion mit dem baskischen Windanlagenhersteller Gamesa
bekomme die Problematik eine weitaus größere Dimension. „Siemens präsentiert
sich stolz als offizieller Förderer des Deutsch-Mexikanischen Jahres,
gleichzeitig werden die Rechte der lokalen indigenen Gemeinden mit Füßen
getreten“, so Valdivia.
Westsahara: Völkerrechtswidrige Besatzung und
Ressourcenraub
Siemens ist
gemeinsam mit der italienischen Firma Enel und künftig auch mit dem
Joint-Venture Gamesa am stärksten in den Bau von Windenergieprojekten in der
seit 1975 völkerrechtswidrig von Marokko besetzten Westsahara involviert.
Siemens und Enel gewinnen Marokkos Ausschreibungen durch ihre Partnerschaft mit
der Energiefirma, die sich im Besitz des marokkanischen Königs befindet. „Der
Abschluss großer Energieverträge in der Westsahara mit dem marokkanischen
Königshaus geht mit einem hohen Preis für den UNO-Friedensprozess in der
Westsahara einher. Solange der marokkanische König selbst von der illegalen
Besetzung profitiert, wird er die Bemühungen der Vereinten Nationen zur Lösung
des Westsaharakonfliktes weiter untergraben“, betont Erik Hagen von Western
Sahara Resource Watch (WSRW). Führende Kritiker der
sozio-ökonomischen Diskriminierung der
Sahraouis verbüßen indes lebenslange Strafen in Marokkos Gefängnissen. Das
sahraouische Volk als rechtmäßiger Besitzer des Landes hat nie seine Zustimmung
zu den Energieprojekten gegeben. In Foum El Qued liefern 22 Siemens-Windräder heute den Strom für den Abbau
von Phosphat und den Transport zum Hafen über ein 100 km langes Förderband.
Diese Exporte verletzen, so WSRW, internationales Recht. Ein Urteil des
Europäischen Gerichtshofs vom Dezember 2016 macht deutlich, dass
Westsahara-Geschäfte für Unternehmen wie Siemens ein hohes Risiko darstellen.
Mosambik und Indonesien: Umweltschäden und Landraub
Die Siemens AG liefert noch immer Anlagen und
Dienstleistungen an zwielichtige Großprojekte wie dem Bahn- und Hafenkomplex
Nacala in Mosambik, über den die Kohle aus Vales Mine Moatize abtransportiert
werden soll. "Wegen Moatize wurden Tausende Kleinbauern von ihrem Land
vertrieben und die Ersatzländereien sind nicht gleichwertig", kritisiert
Christian Russau vom Dachverband Kritische Aktionäre. Zudem steht Siemens in
der Kritik wegen der Lieferung von E-House-Transformatorstationen nach Namibia.
"Siemens verschweigt wohlweislich den Namen der Uranmine in Namibia”, so
Russau, "so partizipieren deutsche Firmen trotz des in Deutschland
propagierten Atomausstiegs weiter am globalen Atombusiness", so Russau. Er
prangert zudem die Lieferung von Siemens-Förderbändern an einen der weltgrößten
Betreiber offener Tagebaue, PT Kaltim Prima Coal in East Kalimantan
(Indonesien) an. Dort werden durch
Kohleabraum Flüsse verschmutzt, den lokalen Gemeinschaften drohen Umweltschäden
und Landraub. "Unternehmerische Sorgfaltspflichten gelten für die eigene
Zulieferkette, aber auch für die Abnehmerkette, da hat Siemens noch deutlichen
Nachholbedarf“, kritisieren die Kritischen Aktionäre.
Weiterführende Informationen:
OXFAM/GEGNSTRÖMUNG: Schmutzige Geschäfte mit Wasser. Wie Siemens und Voith
ihre menschenrechtliche Sorgfaltspflicht bei Staudammprojekten verletzen. 3.5. 2016
Gegenanträge: www.kritischeaktionaere.de
Dienstag, 31. Januar 2017, 19 Uhr, EineWeltHaus
München, Schwanthaler Str. 80, Großer Saal
Podiumsdiskussion mit:
- Erik Hagen (Direktor, Western Sahara Resource
Watch)
- Tomás Gómez Membreño (Generalkoordinator, Rat indigener und
Basisorganisationen von Honduras - COPINH)
- Cristina Valdivia (Mexiko-Referentin,
Ökumenisches Büro für Frieden und Gerechtigkeit)
Kontakt, Interview- und
Fotoanfragen:
Andrea Lammers, Öku-Büro München, 0176-26036292, elsal@oeku-buero.de
Christian Russau, Kritische Aktionäre 0171-2095585 christian.russau@kritischeaktionaere.de