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Bruder am Grab von Berta Cáceres, Februar 2017 / Foto: © Erika Harzer |
Berlin, 25. Juli 2017).- Mitte Juni 2017 verkündete die
honduranische Staatsanwaltschaft den baldigen Prozessbeginn gegen vier
der acht Untersuchungshäftlinge im Mordfall Berta Cáceres. Die weit über
ihre Landesgrenzen hinaus bekannte Feministin, Menschenrechts- und
Umweltaktivistin und Anführerin des Rates der indigenen Völker von
Honduras COPINH, war am 2. März 2016 in La Esperanza, Intibucá, ermordet
worden. Die Betreiberfirma DESA verkündete kürzlich die Einstellung des
Projektes Agua Zarca.
COPINH: Staatsanwaltschaft soll Anklage auf Bildung krimineller Vereinigung ausweiten
Sechzehn Monate danach kommt es nun also zum Prozess gegen die ersten
vier Angeklagten Sergio Rodriguez, Douglas Bustillo, Mariano Díaz
Chávez und Elvin Rápalo. Rodriguez war Geschäftsführer für Soziales und
Umwelt und Bustillo ehemaliger Sicherheitschef der Firma Desarrollo
Energético S.A, kurz DESA, der Betreiberfirma für das Wasserkraftwerk
Agua Zarca. Gegen dessen Bau auf indigenem Gemeindeland kämpfte Berta
Cáceres bis zu ihrer Ermordung. Mariano Díaz war Major der
honduranischen Armee und Rápalo gilt als einer der Auftragskiller.
Berta Zúniga, Tochter der Ermordeten und seit Ende April 2017 die
neugewählte Anführerin von COPINH, erklärt zu Bustillo, er sei
derjenige, der mehrfach ihre Mutter und auch andere
COPINH-Aktivist*innen bedroht hatte.
In einem Interview mit resumenlatinoamericano, einem argentinischen
Mediennetzwerk, kritisiert Zúniga, die Staatsanwaltschaft würde die
Angeklagten als alleinige Verantwortliche für den Mord ansehen. Sie
hätten ihn geplant und dafür Auftragskiller engagiert. Demgegenüber
wollen die Anwälte der Familie und von COPINH die Anklage auf Bildung
einer kriminellen Vereinigung ausweiten, da, so Berta Zuniga, „der Mord
von langer Hand geplant wurde in einem Zusammenwirken von Betreiberfirma
mit Staatsagenten und Auftragskillern.“
Regierung lehnt Schirmherrschaft der Menschenrechtskommission über Ermittlungen ab
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La
Esperanza: Berta Zúniga / Foto: © Erika Harzer |
Unmittelbar nach dem Mord erklärte Präsident Hernandez am 3. März
2016 in einer Fernsehansprache, diese Tat müsse in all ihren Facetten
aufgeklärt und wer auch immer dahinterstecke, müsse vor Gericht gebracht
werden. „Niemand steht außerhalb des Gesetzes“.
Angesichts der in Honduras vorherrschenden extrem hohen
Straflosigkeit forderten die Angehörigen allerdings von der
honduranischen Regierung eine unabhängige Untersuchungsgruppe unter der
Schirmherrschaft der interamerikanischen Menschenrechtskommission. Berta
Zuniga erklärte: „Wir vertrauen den honduranischen Institutionen bei
diesen Ermittlungen nicht. Sie sind korrupt.“
Die Regierung lehnte die Forderung ab. Der Mordfall wurde einer der
Generalstaatsanwaltschaft unterstellten, kriminalpolizeilichen
Spezialgruppe übertragen, deren Ermittlungen zu den bisherigen acht
Festnahmen führten. Diesen wird die Planung und Ausführung des Mordes
vorgeworfen. Über die tatsächlichen Auftraggeber existieren nach wie vor
nur Spekulationen. So soll laut Recherchen der britischen Zeitung „The
Guardian“ Berta Cáceres auf einer Todesliste honduranischer Militärs
gestanden haben.
„Verschwundene“Ermittlungsakten – „definitiv sehr mächtige Menschen involviert“
Während der Ermittlungsmonate wurde im August 2016 im Büro der
Anwälte von COPINH eingebrochen, danach fehlten einzig die Unterlagen
zum Mordfall Cáceres. Ende September 2016 wird das Auto der ermittelnden
Richterin in Tegucigalpa gestohlen. Darin lag die komplette
Original-Ermittlungsakte zum Mordfall Cáceres.
Die honduranische Juristin Tirza Flores Lanza wundert sich, dass
„bezüglich der verschwundenen Ermittlungsakte nichts unternommen wird.
Die dafür verantwortliche Justizbeamtin wird in Ruhe gelassen.“
Demgegenüber, so Flores Lanza weiter „erhält die Familie von Berta
Cáceres, obwohl sie als Nebenklägerin und damit Teil des
Ermittlungsprozesses auftritt, bisher keine Informationen über die
Ermittlungsfortschritte. Geheimhaltung, so die Begründung, um die
Ermittlungen nicht zu behindern.“
Und weiter kritisiert sie, dass nicht in Richtung Auftraggeber
ermittelt würde. „Es wird nicht ermittelt, ob Führungskräfte der DESA
möglicherweise beteiligt waren, oder Regierungsvertreter oder leitende
Militärs, obwohl wir den starken Verdacht haben, dass sie verwickelt
sein könnten.“ Die Chancen diesen Fall tatsächlich aufzuklären, seien
nicht wirklich groß, „weil
definitiv sehr mächtige Menschen involviert sind“, so Flores.
Mord im Kontext mit Kämpfen gegen Wasserkraftwerk Agua Zarca
Ende Januar 2017 stellten Vertreter von Global Witness in Tegucigalpa
ihre Studie vor. Titel: Honduras, der tödlichste Ort für
Umweltaktivisten. 123 Umweltaktivist*innen sind demnach zwischen 2009
und 2016 in diesem Land ermordet worden. Es geht dabei um Widerstand
gegen Landraub, gegen Megaprojekte auf indigenen Ländereien, gegen
Konzessionsvergaben durch korrupte Politiker*innen, gegen den aggressiv
geführten Extraktivismus, diesen rücksichtslosen Ressourcenabbau,
getragen von einem korrupten Staatsgefüge und einem in der
strafrechtlichen Verfolgung so gut wie nicht existenten Justizapparat.
Berta Cáceres ist eine dieser Ermordeten. Dass es in ihrem Fall
überhaupt Verhaftete gibt, darin sind die Angehörigen sich einig, liegt
an dem noch immer vorhandenen
internationalen Interesse an der Strafverfolgung der Täter.
Ganz offensichtlich, so Berta Zuniga, „steht dieser Mord im Kontext
mit diesen heftigen Kämpfen gegen das Wasserkraftwerk Agua Zarca der
Firma DESA.“
Zögerlicher Rückzug von Geldgebern und Lieferfirmen wie Voith Hydro
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Eingriff in den Flusslauf des Gualcarque für das Wasserkraftwerk Agua Zarca / Foto: © Erika Harzer |
Diese Verbindung legt zumindest auch der Prozess gegen zwei
DESA-Mitarbeiter nahe. Das umstrittene Wasserkraftwerk Agua Zarca liegt
seither auf Eis. Die Betreiberfirma DESA beteuert nach wie vor, nichts
mit dem Mord zu tun zu haben. Ihre Kommunikationsabteilung bedauert,
dass mit dem Stillstand des Projekts auch all die begonnenen sozialen
Projekte für die Gemeinden innerhalb der Einflusszone brach lägen,
geschaffene Arbeitsplätze verloren seien und der Entwicklung des Landes
ein Schaden zugefügt worden sei.
Die finnischen und niederländischen Kreditgeber FinnFund und FMO
verkünden am 6. Juli 2017 ihren definitiven Ausstieg aus diesem Projekt.
Am selben Tag erklärt auch die Betreiberfirma DESA, das Projekt Agua
Zarca einzustellen, als Beitrag zur Befriedung der Region.
Für Bertas Familie und COPINH ein längst überfälliger Schritt. Andrea
Lammers, Mitarbeiterin des Ökumenischen Büros für Frieden und
Gerechtigkeit, kritisiert, die
beteiligten Banken sollten auch ihre Verantwortung anerkennen, sich öffentlich entschuldigen und die Gemeinden angemessen entschädigen.
Die Voith Hydro, ein Konsortium der deutschen Firmen Siemens und
Voith und vertraglicher Lieferant für Turbinen und Knowhow, wird nach
ihrem langen Verharren in der Warteschleife trotz offensichtlicher
Menschenrechtsverletzungen nun vermutlich auch bald ihren Rückzug
verkündigen.
Zurück bleiben neben den Toten, die der Widerstand gegen Agua Zarca
hinterlassen hat, auch tiefe Spaltungsrisse innerhalb der umliegenden
Lenca-Gemeinden.
Weitere Angriffe auf COPINH-Aktivist*innen
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Lencas in Rio Blanco / Foto: © Erika Harzer |
Und weiterhin gibt es
Angriffe auf die Aktivist*innen von COPINH:
Am 30. Juni 2017 werden Berta Zúniga und drei weitere COPINH-Leute auf
dem Rückweg von einem Treffen in einer Lenca-Gemeinde auf offener
Strecke angegriffen. Ein Auto habe ihnen den Weg versperrt, erzählt
Berta Zuniga unmittelbar danach. Drei mit Macheten bewaffnete Männer
hätten dort auf sie gewartet. „Wir konnten einen Umweg einschlagen. Ein
Steinwurf traf unsere Fahrerseite. Sie verfolgten uns und versuchten
unser Auto in die Schlucht abzudrücken.“
Letztlich schaffen sie es in dieser Nacht unversehrt aus der Gefahrenzone. Doch die Gefahr um ihr Leben bleibt.
Am 13. Juli erklärt die von der OAS eingesetzte Kommission zur
Untersuchung schwerwiegender Korruptionsfälle in Honduras, die MACCIH,
dass sie Ermittlungen zu Korruptionsvorwürfen bei den
Konzessionsvergaben für Agua Zarca aufgenommen habe.
Zu diesem Artikel gibt es auch einen Audiobeitrag, den ihr hier anhören könnt.