Wir spürten die Anwesenheit unserer Ahninnen Margarita Murillo, María Enriqueta Matute, Berta Cáceres, Magdalena Morales und Tía Macucu, die uns im Geiste, in unseren Gedanken und mit ihrer Kraft in all unseren Aktionen beistehen. Wir konnten die Energie der Gemeinschaften der Tolupán, Lenca, Misquito, Garifuna, Pech sowie der Maya Chortí spüren und die all der Mitstreiterinnen in diesem politischen Kampf. Zehn Jahre nach dem Staatsstreich, zehn Jahre, in denen die honduranische Bevölkerung, die Frauen von Honduras ununterbrochen Widerstand geleistet haben.
Die Zusammenkunft ehrt die Kraft und den Widerstand der Frauen, die hier sind, die nicht kommen konnten und derjenigen, die physisch nicht mehr unter uns sind. Trotz der Wunden und Schmerzen, die Gewalt und Unterdrückung unseren Körpern, Territorien und Organisationsprozessen zugefügt haben, sind wir absolut überzeugt und entschlossen, weiterhin zusammen nachzudenken, kreativ zu sein und zu handeln.
Die Kraft, die der Kosmovision der indigenen Völker innewohnt, war spürbar und hat sich in der Spiritualität, den Weisheiten, den Erfahrungen mit dem Widerstand und der Art und Weise, sich mit Natur und Leben in Beziehung zusetzen, gezeigt. Durch Diskussionen und Gespräche während der Mahlzeiten, in den Pausen und Arbeitsphasen haben wir unsere Worte zusammengetragen, die wir jetzt mitteilen.
Der Staatsstreich, der zu einer Diktatur wurde, vertieft das ausbeuterische Extraktivismus-Modell, das die Lebensentwürfe der Frauen und indigenen Völker bedroht. Ein Regime, das Gemeingüter, Identitäten, Körper, Wissen und Spiritualität plündert und ausbeutet und das sich durch Korruption, Straffreiheit, Drogenhandel, Militarisierung, Verfolgung und die Kriminalisierung unserer Mitstreiterinnen, die in ganz Honduras aktiv sind, aufrecht erhält.
Wir erleben als Produkt dieser Plünderung eine humanitäre Krise, die sich auf grausame und nachdrückliche Weise in der Massenauswanderung unserer Schwestern und Brüder zeigt. Dieser Exodus führt dazu, dass unsere Gebiete immer leerer werden, mit verheerenden Folgen für die Menschen und die gemeinschaftlichen sozialen Strukturen. Außerdem treffen die extraktivistischen Projekte so auf immer weniger Widerstand.
Wir rufen uns gegenseitig auf, uns autonome Praktiken wiederanzueignen, sie zu vermehren und selbstbestimmte Alternativen zu formulieren. Diese Alternativen müssen gegen Patriarchat und Rassismus kämpfen und für Inklusivität und Diversität eintreten, denn es ist offensichtlich, dass die männliche Machtausübung auf der Basis des kolonialen wahldemokratischen Modells, die das Leben von Frauen und Gemeinden bedroht, gescheitert ist.
Mit großer Sorge beobachten wir die zunehmende normalisierte Gewalt gegen die Körper der Frauen, die zu einem Territorium werden, auf dem sich die Frustration einer heteropatriarchalen Machokultur abzeichnet. Einer Kultur, in der oftmals Männer die Hauptrolle in den sozialen Bewegungen spielen und die von der zunehmenden Militarisierung und dem religiösen Fundamentalismus noch gefördert wird. Es gab tatsächlich Rückschritte, gleichzeitig ist die Rolle der Frauen in den Kämpfen aber auch gestärkt geworden und wir haben größere politische Klarheit, mehr Wissen und eine größere Mobilisationskraft erreicht. In diversen Kämpfen haben wir unsere Gedanken, unsere Stimmen, unsere Körper und unser Handeln eingebracht. Keine Gewalt wird uns stoppen.
Aus diesem Treffen heraus verpflichten wir uns dazu, uns weiterhin im kollektivem Widerstand zusammenzutun, den Kampf aller Frauen zu vereinen und ein Honduras ohne Diktatur neu zu denken - mit Autonomie und Selbstbestimmung der verschiedenen Bevölkerungen und der Frauen.
Zehn Jahre nach dem Staatsstreich kämpfen wir Frauen weiter gemeinsam. Für ein Honduras ohne Diktatur.
Vallecito, Iriona, Colón, den 29. Juni 2019
(Übersetzung: Lena Meier; Redaktion: Ökubüro München)
Spanische Originalfassung und Bildquelle:
https://encuentrodemujeres.red/manifiesto-rebelde-de-mujeres-hondurenas/