Die Mitverantwortung deutscher Unternehmen am Tod der
honduranischen Menschenrechtsverteidigerin Berta Cáceres wird immer
offensichtlicher - Voith und Siemens versuchen weiter, sich aus der
Verantwortung zu ziehen
MÜNCHEN//BERLIN.
(9.05.2016) Der enorme landesweite und internationale Druck auf die
honduranische Regierung im Fall der am 2.März 2016 ermordeten
Menschenrechtsverteidigerin Berta Cáceres zu ermitteln, zeitigt erste
Erfolge: Am 2.Mai 2016 wurden vier Tatverdächtige festgenommen, die
Staatsanwaltschaft sprach von einem Verbrechen, das eindeutig mit der
Arbeit von Bertá Cáceres zusammenhängt. Sie hatte sich mit der
Organisation COPINH und lokalen indigenen Gemeinden seit Jahren gegen
den Bau des Wasserkraftwerks „Agua Zarca“ im Westen von Honduras
eingesetzt, dem eine Vielzahl weiterer Projekte folgen soll.
Medienberichten
zufolge soll der Manager für Soziales und Umwelt der
Kraftwerksbetreiberfirma Desarrollo Energéticos S.A. (DESA), Sergio
Rodriguez den ehemaligen Vize-Sicherheitschef der DESA, Douglas Bustillo
kontaktiert haben, um den Mord an Berta Cáceres zu organisieren.
Bustillo, ehemals Oberleutnant der honduranischen Armee, habe Mariano
Diaz, einen aktiven Major gebeten, das Szenario vorzubereiten. Diaz war
bis zu seiner Verhaftung Ausbilder bei der honduranischen Militärpolizei
und davor Mitglied eines militärischen Sondereinsatzkommandos. Bustillo
soll dann den mutmaßlichen Auftragsmörder Edilson Duarte für die
konkrete Tat angeheuert haben. Dessen Zwillingsbruder wurde wegen des
Besitzes der Tatwaffe ebenfalls festgenommen. Zwei weitere Beteiligte
sollen flüchtig sein.
Am 6.Mai 2016 begann die Beweisaufnahme.
Beobachter*innen zufolge versucht die honduranische Justiz das Verfahren
so schnell wie möglich abzuwickeln. Es wird vermutet, dass weitere
Personen aus einflussreichen Kreisen des Landes in das Mordkomplott
verwickelt sind. Dieser Verdacht erhärtet sich durch die beiden
Mordanschläge, die auf den unabhängigen Journalisten Félix Molina am
selben 2. Mai 2016 verübt wurden, die er verletzt überlebte. An jenem
Tag veröffentlichte er die personellen und finanziellen Verflechtungen
von angesehenen Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik und Militär an
der Betreiberfirma DESA, wobei er auf den paramilitärischen Charakter
verweist.
Angesichts der Verhaftungen sahen sich nun auch der
deutsche Turbinenlieferant Voith Hydro, ein Siemens-Joint Venture,
gezwungen, die Notbremse zu ziehen. Wenige Stunden nachdem
Siemens-Sprecher gegenüber Vertreter*innen von COPINH, Oxfam,
GegenStrömung und des Ökumenischen Büros erklärten, dass man sich noch
nicht entschieden habe, ob man in der Sache seinen Einfluss auf Voith
geltend machen wolle. Voith teilte am 4. Mai mit: „Wir haben unseren
Kunden DESA nach eingehender Prüfung der Situation daraufhin am
gestrigen Dienstagnachmittag deutscher Zeit informiert, dass wir
aufgrund des gegen aktuelle oder ehemalige Mitarbeiter von DESA
bestehenden Tatverdachts bis auf Weiteres alle Lieferungen für das
Projekt einstellen.“ Allerdings nur vorläufig: „Abhängig vom weiteren
Verlauf und den Ergebnissen der Ermittlungen werden wir entscheiden, ob
die Lieferungen wieder aufgenommen werden können.“
José Asunción
Martínez vom COPINH-Koordinationsrat und Teilnehmender der europäischen
Delegationsreise, hält dies für inakzeptabel: „Wenn Voith und Siemens
ernst nehmen würden, was wir ihnen seit Jahren sagen, würden sie sofort
den Vertrag mit der DESA auflösen. Wie viele Morde sollen wir noch
hinnehmen!“
Voith Hydro und Siemens als Gesellschafter der Firma
hätte sich, gemäß den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und
Menschenrechte, von der Vertragsunterzeichung an um die
Menschenrechtsverletzungen durch das Projekt kümmern müssen,
argumentiert Oxfam in einem aktuellen Dossier.
(https://www.oxfam.de/system/files/factsheet_schmutzigegeschaefte.pdf)
Allerdings: „Nach unseren Recherchen“, so Oxfam „ist die Duldung von
gravierenden Menschenrechtsverletzungen bei Siemens und Voith kein
Zufall, sondern hat Methode.“
Spätestens seit Juli 2013 wusste
Voith von den Gewalttaten vor Ort: Am 11. Juli 2013, vier Tage vor dem
Mord an dem Kraftwerkgegner und COPINH-Aktivisten Tomás Garcia,
schrieben HondurasDelegation und Ökumenisches Büro mit elf weiteren
Organisationen an den Voith-Vorstand:
„Aufgrund des
unrechtmäßigen Baubeginns, der damit verbundenen Umweltzerstörung und
der fehlenden Bereitschaft des honduranischen Staates, für den Schutz
und die Rechte der indigenen Bevölkerung einzutreten und den
eingegangenen Anzeigen nachzugehen, besetzen Bewohner_innen mehrerer
Dörfer der Region seit dem 1. April 2013 die Zufahrtsstraße zu der
Baustelle des Projektes. Seit Beginn dieser friedlichen Protestaktion
gehen die Unternehmen DESA und SINOHYDRO eskalierend und aggressiv gegen
den legitimen und friedlichen Protest vor. So berichten Bewohner_innen
der Region von Einschüchterungen, Drohungen und körperlichen
Aggressionen durch Mitarbeiter der beteiligten Unternehmen. Durch
Bestechung und Korruption versuchen die Unternehmen überdies die
Bevölkerung zu spalten und einen gewalttätigen Konflikt innerhalb der
Gemeinden zu erzeugen. Besonders besorgniserregend ist unter anderem das
Abfeuern von Schusswaffen auf dem Gelände der Unternehmen, die
Anwesenheit von zivilen bewaffneten Personen im Auftrag der Unternehmen
in den umliegenden Gemeinden und die Verfolgung von Dorfbewohner_innen
und Menschenrechtsverteidiger_innen durch Mitarbeiter von DESA…“
Es
folgten eine gezielte Kriminalisierung des Protests durch den
honduranischen Staat und DESA als auch weitere Morde und Übergriffe,
doch weder Siemens, noch Voith, noch das Auswärtige Amt reagierten
darauf. Siemens CEO Kaeser verteidigte das Projekt „Agua Zarca“ noch im
Januar 2016 ausdrücklich und lehnte zugleich jede Verantwortung des
Unternehmens ab.
Alle an Agua Zarca beteiligten Firmen und Banken
verletzen sowohl fundamentale Menschenrechte als auch internationales
und honduranisches Recht. Die Folgen des Projektes, die Ermordeten, die
vernichteten Anbauflächen und vor allem die Gewalt, die in die Region
hinein getragen wurde, hat nachhaltig den sozialen Frieden in den
Gemeinden, vermutlich für die nächsten Jahrzehnte, zerstört. Ein
Schaden, für den die beteiligten Firmen ebenfalls aufkommen müssen!
Kontakt:
Andrea Lammers
Ökumenisches Büro für Frieden und Gerechtigkeit e.V.
elsal@oeku-buero.de
0176 – 26 0 36 292
Daniela Dreißig
HondurasDelegation – CADEHO
cadeho@riseup.net