Samstag, 11. Dezember 2010

5. Tag – Alltag der besetzten BäuerInnen-Gemeinden in Bajo Aguán


Die Menschenrechts- und Mediendelegation ist weiterhin in Bajo Aguán unterwegs. Heute vormittag geht es mitten durch die endlosen Palmölplantagen zu den Fincas, für die Landtitel vom Staat herausgegeben wurden. Doch diese erkennt Großgrundbesitzer Facussé trotz der Verhandlungen Anfang des Jahres nicht an. Aufgrund seines Einflusses liegen illegalerweise sogar Räumungsklagen vor. Während dessen warten die BäuerInnen­gemeinschaften auf die Vergabe der ausstehenden 8.000 Hektar.



In Concepción konnten sich die SiedlerInnen der Bewegung MUCA gut etablieren. Die Hütten sind robust unter das Palmendach am Rande der Plantagen gebaut. Allerdings blickt die Gemeinde auf eine Geschichte der Repression zurück. Auf dem Rückweg zu den Wagen geht ein Anruf ein: In der Besetzung Callo Campo ist am Morgen ein junger Mann vom benachbarten Viehzüchter angeschossen worden, mit dem es schon oft Streitigkeiten gab. Vor einer Woche gab es einen schweren Busunfall, in dem Gemeindemitglieder von Callo Campo starben und viele verletzt wurden. Die Bremsen versagten, als diese zur Teilnahme an einer Blockade fuhren. Niemand weiss, ob es Sabotage war. 
 
In Marañones verweist Juan Galindo, Vizepräsident der MUCA, darauf, dass gegen die BäuerInnenorganisation ein medialer Krieg geführt wird. Sie würde als „neue Guerilla“ diskreditiert. Gleichzeitig verweist er auf die engen Verbindungen Facussés zu Kolumbien, seiner möglichen Beteiligung am Drogenhandel im Transitland Honduras, sowie auch den Besuch des kolumbianischen Ex-Präsidenten Alvaro Uribes vor zwei Wochen bei De-facto-Staatschef Porfirio Lobo. „Wir haben Angst vor den paramilitärischen Strukturen, die hier offensichtlich aufgebaut werden, aber wir müssen weiter für unsere Rechte eintreten. Wenn wir nicht schaffen, unseren rechtmässigen Landbesitz zu verteidigen – wo sollen wir dann hin?“ 



 
Das letzte Kollektiv namens San Isidro, das wir besuchen, gehört der BäuerInnenorganisation MARCA an. Im Gegensatz zu MUCA nahm diese nicht am Dialog mit Regierung und Facussé teil. Der Konflikt von MARCA mit den Großgrundbesitzern sollte eigentlich schon längst gelöst sein, da eindeutig bewiesen ist, dass Facussé offiziell keine legalen Landtitel besitzt. Trotzdem wurde den LandbesetzerInnen das ihnen zustehende Land immer noch nicht übergeben. Auch MARCA leidet unter der Militarisierung. Vor einem Monat wurden drei Bauern aus einem Auto von vermummten Sicherheitskräften Facussés angeschossen. Einer der Bauern zeigt uns seine neun Schusswunden am Oberkörper. 
 
Die starke Militarisierung der Zone versetzt die BewohnerInnen in ständige Angst und Bedrohung. In jeder einzelnen Gemeinde berichtet man uns von den unruhigen Nächten, von unsicheren Schulwegen der Kinder und ermordeten NachbarInnen. Dass uns nur an jeder dritten, anstatt an jeder einzelnen Straßenkreuzung Militärs und Polizei begegnen, liegt an der kurzfristigen Demilitarisierung der Zone für den Besuch der Delegation. Eigentlich wurden sämtliche Soldaten aus dem Westteil des Landes abgezogen und nach Bajo Aguán gebracht. Schon werden aggressivere Reaktionen nach unsere Abfahrt am morgigen Tag befürchtet.
Abends sprechen mehrere Delegationsmitglieder, darunter Andrés Schmidt vom Ökumenischen Büro für Frieden und Gerechtigkeit in München als Vertreter unserer internationalen Gruppe, in einem regionalen Fernsehsender anlässlich des heutigen Internationalen Tages der Menschenrechte. Welch Kontrast zur realen Situation in Bajo Aguán.